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Ines Gollnick
Eine oft schwierige Partnerschaft
Wie Eltern und Lehrer in einen
gleichberechtigten Dialog treten können
Das Verhältnis zwischen Eltern und Lehrern gestaltet sich
nach wie vor kompliziert. Die einen beklagen, dass ihre und die
Interessen ihrer Kinder nicht genügend Gehör finden. Die
anderen kritisieren mangelnden Mitgestaltungswillen, empfinden aber
allzu großen Einsatz oft als Einmischung. Ein Neustart
für die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern bietet sich
jetzt an, da sich Schule gerade neu positioniert.
"Nur in einem Dialog, bei dem die Partner gleichberechtigt sind
und einander als Person akzeptieren, können beide Seiten
erfahren, wie sich das Kind in der jeweils anderen Lebenswelt
verhält", schreibt der Diplom-Pädagoge Martin R. Textor
in seinem Online-Familienhandbuch. Diesen Dialog bezeichnet der
Experte als Erziehungspartnerschaft, ein Begriff, der allerdings
noch weitgehend unentdeckt ist. Seitens der Kultusminister gibt es
Anstrengungen, die Zusammenarbeit zwischen Familie und Schule zu
fördern. Beispielsweise ist im bayerischen Grundschullehrplan
von einem "partnerschaftlichen Dialog zwischen Lehrkräften und
Eltern" die Rede. Das Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder (KMK) verweist auf eine Fülle
von Formen der Zusammenarbeit: Hospitationen von Eltern im
Unterricht, freiwillige Arbeitsgemeinschaften, in denen
Schüler von den beruflichen Kompetenzen, den Sprachkenntnissen
oder den Hobbys von Eltern profitieren, Gestaltung von
Lesenachmittagen durch Eltern, Einrichtung von Elternzimmern an
Schulen, Gremienmitarbeit bis hin zur Landesebene oder die
Gründung von Fördervereinen. Das Kernstück der
Erziehungspartnerschaft jedoch ist aus der Sicht vieler das
persönliche Elterngespräch. Neben dem Telefonat wird auch
der Hausbesuch empfohlen. Laut KMK machen in Baden-Württemberg
fünf bis zehn Prozent der Lehrkräfte an Hauptschulen
davon Gebrauch.
Einer, der Elternarbeit ehrenamtlich macht, ist Wilfried
Wolfgang Steinert, Vorsitzender des Bundeselternrates. Als Vater
von zwölf Kindern - vier eigenen und acht Pflegekindern - und
Lehrer ist er mehr als motiviert. Aus der Sicht des Schulleiters
der Waldhof-Schule in Templin in Brandenburg, eine integrierte
Grundschule in Trägerschaft der Stephanus-Stiftung mit
angegliederten Förderklassen für geistig Behinderte,
lautet die Lösung: "Es braucht Konzepte, wie Lehrer scheue
Eltern einbinden können." Die Templiner richteten ein
Elternzimmer mit Internetanschluss ein. Das Surfen im Schulnetz
bietet Eltern eine gute Gelegenheit, in Sachen Schule im Bilde zu
sein. "In ihrem Raum fühlen sich Eltern gut aufgehoben", so
Steinert. Die Zusammenarbeit an der Templiner Ganztagsschule mit
angeschlossener Kindertagesstätte ist breit gefächert:
Eltern werden in Unterrichtsprojekte eingebunden, zum Beispiel beim
gemeinsamen Kochen zum Erntedankfest. Die Schule diskutiert mit
ihnen das pädagogische Konzept. Am Elterngespräch, das
zweimal jährlich stattfindet, sind Eltern, Kinder und Lehrer
beteiligt. Alle sitzen gemeinsam am Tisch. "Wir haben für
jedes Kind einen individuellen Entwicklungs- und Lernplan, den
Eltern verfolgen können", berichtet Steinert. Und wer Lust
hat, kann nach vorheriger Absprache im Unterricht dabei sein.
Ängste auf beiden Seiten überwinden
Der Pädagoge und Elternvertreter gibt zu, dass es schwierig
ist, Schule und Eltern intensiver zusammenzubringen. "Das
Bewusstsein der Eltern, mitarbeiten zu können, ist nicht da",
so Steinert. Das habe in Deutschland Tradition, da Schule immer
noch als obrigkeitsstaatliche Einrichtung empfunden werde, von der
man auch abhängig sei. Die tägliche Begegnung und die
Gespräche von Kindern, Erziehern und Eltern, so wie er sie an
der Kita erlebt, fehlten an der Schule.
Eine Chance, Eltern zu gewinnen, gelinge nur durch frühes
Anbandeln, gleich in Klasse fünf, so Ursula Dreeser,
didaktische Leiterin an der Berthold-Brecht Gesamtschule in Bonn.
Sie berät Kollegen und Kolleginnen, wie man Elternabende
vorbereitet. Es gelte Ängste auf beiden Seiten zu
überwinden. Zwei Elternabende und zwei Elternsprechtage mit
der Gelegenheit zu Einzelgesprächen gibt es sowieso, daneben
finden Abende zu speziellen Themen statt. "Eltern sind superscheu.
Vor der Klasse zu sprechen, ist ein Superakt für sie",
diagnostiziert Dreeser.
Wenn Eltern mitreden wollen, müssen sie im Bilde sein.
Deshalb hat der Bundeselternrat 2005 auch zum ersten Mal einen
öffentlichen Kongress zur Einführung der
Bildungsstandards angeboten. In dreizehn Workshops haben rund 300
Eltern in Berlin Vorträge von namhaften Referenten diskutiert.
Sie wollten herausfinden, wie sie die Einführung der
Bildungsstandards begleiten können. Gerade auf diesem neuen
Gebiet an Schulen finde zuwenig Zusammenarbeit zwischen Lehrern und
Eltern statt, lautete die Kritik.
Dass sich Elternarbeit an einer Schule mit 50 Nationen wie an
der Gemeinschaftshauptschule Pennenfeld in Bonn als besonders
schwierig erweist, liegt auf der Hand. Etwa 65 Prozent der
Schüler und Schülerinnen kommen aus Migrantenfamilien.
Ein Vorzeigeprojekt ist seit 1999 der türkische
Müttertreff mit Kinderbetreuung. Dort lernen die Frauen nicht
nur Deutsch. Sie tauschen sich zur häuslichen Erziehung aus
und erfahren, unterstützt durch eine Übersetzerin, auch
Wichtiges über das Schulsystem oder die Berufsausbildung. Das
Projekt wird vom Amt für Multikulturelles unterstützt.
Schulleiterin Christine Heidbreder unterstreicht ausdrücklich,
dass das soziale Lernen an der Hauptschule im Mittelpunkt steht und
nicht die Wissensvermittlung. Das könne nur im Zusammenspiel
zwischen Schule und Elternhaus funktionieren. Natürlich
arbeiten Eltern im Förderverein und in den Schulgremien wie
der Klassen- und Schulpflegschaft mit. Doch gerade die so wichtige
Kommunikation bei Problemfällen lässt aus Lehrersicht zu
wünschen übrig. Bei Disziplinierungsschwierigkeiten und
Unterrichtsstörungen gibt es mehrere Stufen von Reaktionen.
Steht der Unterrichtsausschluss an, ist die Rückkehr in den
Unterricht erst dann wieder möglich, wenn Eltern das
Gespräch mit dem Klassenlehrer und der Schulleitung
geführt haben. "98 Prozent kommen", sagt Heidbreder. Das
Instrument habe sich als sehr wirksam erwiesen. Eltern
verstünden, dass sie gefordert sind.
"Eltern sind der ungehobene Schatz in unserem Bildungswesen",
sagte Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes
2003. Wie schwer es ist, Schätze zu bergen, macht eine Studie
des Erlangener Erziehungswissenschaftlers Professor Werner Sacher
aus dem Jahr 2005 deutlich. Nur 17,5 Prozent der Lehrer und 10,3
Prozent der Eltern stufte der Experte als "Aufgeschlossene" ein,
die von sich aus den Kontakt mit der anderen Seite suchen. Schmidt
sieht Möglichkeiten für eine Verbesserung nur dann, wenn
die Klassengrößen gesenkt und die Lehrerschaft endlich
einmal spürbar entlastet würde. Außerdem würden
dringend flächendeckende leistungsfähige
Kommunikationssysteme gebraucht, damit endlich auch per E-Mail
Elternkontakte möglich werden. Bis zur wirklichen
Tuchfühlung zwischen Lehrern und Eltern ist es also noch ein
weiter Weg.
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