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Erik Spemann
Es gibt mehr Bewerber als Plätze
Privatschulen sind sehr gefragt
Sie stehen für gewöhnlich im Schatten
des öffentlichen Schulwesens, doch sorgen sie oft für
Glanzlichter im Einheitsgrau: Die Privatschulen machen bundesweit
einen Anteil von sechs Prozent aus. Das entspricht jedoch
keinesfalls der tatsächlichen Nachfrage, die bereits vor dem
großen Bildungs-Wettlauf seit der ersten PISA-Studie sehr rege
war. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Privatschulen
ergeben Elternbefragungen einen gewünschten Anteil von 16 bis
20 Prozent. Hieraus leitet Verbandssprecher Bernhard Marohn die
politische Forderung ab: "Sorgt dafür, dass mehr Privatschulen
gegründet werden können, um dem Elternwillen zu
entsprechen."
Die Gründe der Eltern für den
Privatschul-Wunsch sind vielfältiger Natur. Der Bundesverband
nennt vor allem folgende: "Man weiß genau, worauf man sich
einlässt - einerseits auf welche Ausbildungsrichtung,
andererseits auf welche Erziehungsrichtung", sagt Marohn. Gerade
auch letztere wünschten sich viele Eltern im Einklang mit den
eigenen Vorstellungen. Auch könnten Kinder entsprechend ihren
Begabungsrichtungen besonders gefördert werden. Weiter werden
Privatschulen wegen ihres häufigen Ganztagsangebots - etwa in
jeder zweiten Einrichtung - bevorzugt. Der Staat habe auf diesem
Feld noch viel zu wenig zu bieten, so der Verband.
Andere entschieden sich für die
Privatschule, weil dort individuell auf die Schüler
eingegangen werde: "Jeder Lehrer kennt jeden Schüler, auch von
anderen Klassen, mit Namen", stellt der Sprecher fest. Dies habe
unter anderem den Nebeneffekt, dass es an solchen Einrichtungen
wesentlich weniger Vandalismus als in öffentlichen Schulen
gebe. Daneben gilt die größere Internationalität der
Privatschule als attraktiv. Vor allem aus angelsächsischen
oder romanischen Ländern zugezogene Eltern schicken ihre
Kinder bevorzugt in Privatschulen. Das ist kein Wunder, denn
anderswo sind diese Einrichtungen bedeutend mehr verbreitet als in
Deutschland. Etwas sehnsüchtig blickt der Bundesverband
beispielsweise auf Belgien, Spanien oder Frankreich, wo über
60 beziehungsweise 30 und 18 Prozent der Schulen von privaten
Trägern geführt werden.
Bayern ist üppig ausgestattet
Solche Zahlen hängen natürlich eng
mit der Förderung zusammen, die in Deutschland gewöhnlich
nur 50 bis 60 Prozent jener Kosten beträgt, die pro
Schüler an einer staatlichen Schule anfallen. In den
Niederlanden bekommen dagegen staatliche wie private Einrichtungen
gleichermaßen Mittel zugewiesen. Verbands-Sprecher Marohn:
"Dort denkt man, es kann uns egal sein, wem wir das Geld für
eine Schule geben." Dabei sei die private Schule gegenüber der
öffentlichen die billigere, weil dort für gewöhnlich
auch nachhaltiger gewirtschaftet werde.
Mit einem Privatschul-Anteil von 11,7 Prozent
ist Bayern, gemessen am Bundesdurchschnitt von sechs Prozent, noch
üppig ausgestattet. Allein in München haben 130 private
Schulen ihren Sitz, manche als Traditionseinrichtungen bereits seit
100 Jahren. Und die Anfragen nehmen nach Angaben des Landesverbands
Bayern im Bundesverband Deutscher Privatschulen zu. Insgesamt gibt
es 1.111 private Schulen im Freistaat, jeweils etwa zur Hälfte
allgemeinbildende und berufliche - von der Grundschule bis zum
Gymnasium, von der Berufsfachschule bis zur Fachakademie
verschiedener Richtungen. Auch hier ist die Nachfrage
größer als die Zahl freier Plätze.
Bei der Finanzierung drückt sich die
politische Wertschätzung auch in Bayern mit einem
Fördersatz von 50 bis 60 Prozent der Mittel aus, die die
öffentliche Hand für Schüler an ihren
öffentlichen Schulen aufwendet. "Unser Wunsch wären 80
Prozent", sagt der Geschäftsführer des Landesverbands,
Bernd Dietrich. Schließlich würden der Staat wie auch die
Sachaufwandsträger, also Landkreise und kreisfreie Gemeinden
und Städte, massiv entlastet.
Wegen der wenig üppig fließenden
Kostenerstattung sind die Privatschulen gezwungen, Schulgeld zu
verlangen. Die Spanne gibt Dietrich mit 50 bis 100 Euro im Monat
an, für einen Ganztagsplatz zum Beispiel in München
zwischen 400 und 600 Euro, für Internatsplätze bis zu
1.000 Euro. Hohe Hürden gibt es für die Gründung
neuer Privatschulen: Die staatlichen Betriebszuschüsse
für Gymnasien sprudeln erst sieben Jahre nach einer
Gründung, andere Schularten müssen zwischen vier und
sechs Jahre warten. Trotz aller Schwierigkeiten entstanden 2004
noch mehr als 40 neue Privatschulen in Bayern. Auf längere
Sicht rechnet Dietrich mit einem moderaten Wachstum und ist
optimistisch, dass der Freistaat einen Privatschulanteil von 15 bis
18 Prozent erreichen wird.
Eine besondere Rolle spielen nicht zuletzt im
Süden der Republik die Privatschulen unter kirchlicher
Trägerschaft. So betreut das "Katholische Schulwerk in Bayern"
von rund 300 allgemein- und berufsbildenden katholischen
Einrichtungen 170, darunter 69 Realschulen, die von 20 Prozent
aller bayerischen Realschüler besucht werden. In den 42
Gymnasien unter katholischer Trägerschaft werden rund 8,5
Prozent aller Gymnasiasten betreut. Allein bei diesen beiden
Schultypen zählt Schulwerksdirektor Andreas Hatzung 70.000
Schüler.
Seit zehn Jahren beobachtet Hatzung einen
kontinuierlich anwachsenden Zulauf. Wunschlos glücklich ist er
angesichts dieses Booms aber nicht: Probleme bereiten die
Finanzierung und die Versorgung mit Lehrkräften. Der
Lehrermangel vor allem in Mathematik, Physik, Latein, Sport, Kunst
und Musik rührt vor allem von Unterschieden in der Besoldung
her. So zahlen die kirchlichen Träger zwar eine gleich hohe
Vergütung wie Staat oder Kommunen. Als Angestellte haben die
Lehrer aber auf Grund des Sozialversicherungssystems netto weniger
in der Lohntüte als vergleichbare Beamte.
Eltern wünschen
Neugründungen
Weitaus mehr Bewerber als Plätze
kennzeichnen auch die Situation an den rund 130 evangelischen
Schulen in Bayern. Zwischen 50 und 100 Prozent der Interessenten
müssen abgewiesen werden. Der pädagogische Referent der
Evangelischen Schulstiftung in Bayern, Rüdeger Baron,
schildert als Beispiel die Situation am Stiftungssitz
Nürnberg, wo die Wilhelm-Löhe-Schule als kooperative
Gesamtschule mit Grund-, Haupt- und Realschule, Gymnasium und
Fachoberschule von rund 1.800 Schülern besucht wird: "So etwas
könnten wir gleich noch einmal daneben setzen." Besonders im
Grund- und Hauptschulbereich wünschten die Eltern seit 15
Jahren Neugründungen.
Dank der Kirchenverträge können
sich kirchliche Grund- und Hauptschulen einer vergleichsweise
großzügigen staatlichen Förderung von annähernd
100 Prozent erfreuen. Bei Realschulen und Gymnasien sind es
zwischen 60 und 70 Prozent der Betriebskosten. Muss neu gebaut
werden, deckt der Staat nur 30 bis 40 Prozent der Kosten. Und
für eine besonders aufwändige Spezialität, eine
Ganztagsrealschule mit sozialpädagogischer Betreuung, gibt es
so gut wie gar keine staatlichen Zuschüsse. Den großen
Zulauf erklärt sich Baron nicht nur mit einer am Kind
orientierten Pädagogik mit besonderen Programmen. Bei vielen
Eltern beobachtet die Stiftung auch eine Besinnung auf Werte und
eine christliche Erziehung, wie sie öffentliche Schulen nicht
bieten.
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