K.Rüdiger Durth
Mehr Lesekompetenz
Konfessionelle Schulen
Evangelische Schulen brauchen den Vergleich mit staatlichen
nicht nur zu scheuen, sondern liegen etwa im Blick auf die
Lesekompetenz der Haupt- und Realschüler um ein Drittel vor
dem der allgemein-bildenden Schulen. Das ergab eine von der
Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Erlangen-Nürnberg im Auftrag der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) auf der PISA-Basis erstellte Vergleichsstudie.
Für den Vorsitzenden des Rates der EKD, Bischof Wolfgang
Huber, der die Studie in Berlin vorstellte, ein höchst
zufriedenstellendes Ergebnis.
Der ranghöchste evangelische Geistliche: "Auch aus
evangelischer Sicht ist die Forderung nach guter und exzellenter
Schulqualität zu bejahen. Allerdings schließt unser
Verständnis von Exzellenz einer Schule die Förderung der
schwachen Schüler ebenso ein wie die Förderung besonders
begabter ein. Das Schulklima als eine Grundbedingung gelingender
Lernprozesse ist nach unserer Auffassung ebenso in den Blick zu
nehmen wie das engagierte Verhältnis zwischen Lehrern und
Schülern."
In dieser Beziehung schneiden die evangelischen Schulen
besonders gut ab. Die Erlanger Professorin Annette Scheunpflug und
ihr inzwischen in Berlin lehrender Kollege Olaf Köller haben
festgestellt, dass das Klima zwischen Lehrern, Eltern und
Schülern in den evangelischen Schulen besonders gut ist.
Gleiches gelte auch für die katholischen Schulen. Dadurch sei
das Engagement der Lehrer sehr gut, was vor allem den schwachen
Schülern zugute komme. Diese würden mehr als an
staatlichen Schulen gefördert, wodurch die Zahl der
Risikoschüler geringer sei.
Freilich haben die evangelischen Schulen in der Regel einen
geringeren Anteil an Schülerinnen und Schülern aus
Migrationsfamilien, deren Lesefähigkeit oft sehr niedrig, ja
gar nicht vorhanden ist. Dafür haben evangelische Schulen aber
mehr Schülerinnen und Schüler aus Aussiedlerfamilien,
sodass die Probleme etwa im Blick auf die Lesefähigkeit
ähnlich sind wie bei den Kindern aus ausländischen, etwa
türkischen Familien. Für den Ratsvorsitzenden der EKD ist
die bessere Lesefähigkeit eine Auswirkung des reformatorischen
Interesses an einem eigenverantwortlichen Verstehen der biblischen
Tradition.
Sowohl evangelische als auch katholische Schulen können
trotz sinkender Schülerzahlen in der Regel nicht alle
Anmeldungen berücksichtigen. Bei den Eltern stehen die
kirchlichen Schulen in hohem Ansehen. Das gilt auch für die
neuen Bundesländer, wo evangelische Schulen teilweise einen
besonderen Religionsunterricht für konfessionslose
Schüler anbieten. Mit großem Erfolg. Insgesamt fünf
Prozent aller Schülerinnen und Schüler an Realschulen und
7,5 Prozent der Gymnasiasten in Deutschland besuchen konfessionelle
Privatschulen. Es gehen rund 70.000 Schülerinnen und
Schüler in Deutschland auf evangelische Schulen.
Insgesamt unterhalten evangelische Träger 975 Schulen mit
138.159 Schülerinnen und Schüler (Stand 2002). Darin sind
neben den allgemeinbildenden Schulen auch die 216
Sonderpädagogischen und 502 berufsbezogenen Schulen enthalten.
Nicht enthalten ist in dieser Statistik die
nordrhein-westfälische Schule der Evangelischen Kirche
für Zirkus-Kinder.
Interessant ist, dass in keinem Fach evangelische Schulen -
immer auf der Grundlage der PISA-Erhebungen - schlechter
abschneiden als staatliche. Ferner zeigen sich keine Unterschiede
in den mathematischen Fähigkeiten. Für Professorin
Scheunpflug wirkt sich im Blick auf Risikoschüler aus, dass
das Bildungsinteresse von Eltern größer ist, die ihre
Kinder auf eine kirchliche Privatschule schicken. Doch das
rechtfertige die positiven Ergebnisse nicht allein, auch nicht die
Tatsache, dass es etwa weniger türkische oder andere
ausländische Kinder in evangelischen Schulen gebe. Vielmehr
wirke sich hier die Qualität evangelischer Schulen aus, die
vor allem auf dem größeren Engagement von Lehrern und
Eltern beruhe.
Für den EKD-Ratsvorsitzenden belegt die Studie, dass
kirchliche Schulen eine wichtige Funktion im allgemein bildenden
Schulwesen haben. Das Grundgesetz gehe von einem gewollten
Pluralismus in der Trägerschaft aus. Deshalb dürften die
Kirchen es nicht hinnehmen, wenn die staatlichen Zuschüsse
für die kirchlichen Schulen immer mehr gekürzt
würden. Es müsse wieder deutlich gemacht werden, dass
evangelische Schulen ebenso wie staatliche öffentliche Schulen
seien.
Für Bischof Huber, der darauf hinweist, dass viele Daten
auch für die katholischen Schulen gelten, sind die
Neugründungen von evangelischen Schulen keineswegs
abgeschlossen. Interessant sei, dass die meisten Neugründungen
auf Initiative von Eltern erfolgten, also von unten nach oben.
Meist erhalten die kirchlichen Schulen erst nach drei oder vier
Jahren staatliche Zuschüsse. Bis dahin müssen Kirchen und
Eltern beziehungsweise Fördervereine für die finanzielle
Absicherung sorgen.
Die Erlanger Professoren erinnern in ihrer Studie an die lange
Tradition protestantischen Schulwesens. So habe sich bereits 1524
Martin Luther "An die Ratsherren aller Städte deutschen
Landes" gewandt, damit sie "christliche Schulen aufrichten und
halten sollen". Zeitgleich entwarf Philipp Melanchthon ein
Bildungsprogramm für die Jugend. Er wurde der eigentliche
Begründer des allgemeinen Schulwesens.
Die Erlanger Professoren: "Das protestantische Schulwesen ist
durch den Anspruch gekennzeichnet, sich durch seinen besonderen
Qualitätsanspruch von staatlichen Schulen zu unterscheiden.
Darüber hinaus verbindet evangelische Schulen der Anspruch,
sich von jenen der öffentlichen Hand durch ein evangelisches
Profil abzusetzen, das das Individuum auf der Grundlage der
Botschaft des Evangeliums in besonderem Maße fördert, um
der nachwachsenden Generation Orientierungen für eine
selbstgestaltete Zukunft zu geben."
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