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K. Rüdiger Durth
Unsere Schulen werden besser
Nach dem PISA-Schock zeigt der
Ländervergleich erste Fortschritte
Nach dem Schock der ersten PISA-Studie der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2000 zeigen die vorläufigen
Ergebnisse des 2003 erhobenen Bundesländervergleichs eine
erfreuliche Tendenz: Die 15-jährigen Schüler aller 16
Länder haben einen Sprung nach vorn gemacht. Nicht zuletzt die
aus den neuen Bundesländern.
Bayern steht nicht nur im Vergleich der 16
Bundesländer wieder vorne, sondern hat mit Platz fünf in
der mathematischen und Platz sechs in der Lese-Kompetenz auch den
Sprung in die internationale Spitze geschafft. Sorgen hingegen
bereitet - trotz Punktegewinn - das schlechte Abschneiden aller
drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Hier schlägt
sich der hohe Anteil von Schülern aus Familien mit
Migrationshintergrund nieder, aber auch die im Vergleich zu den
Flächenstaaten hohe Zahl von Schülern aus sozial
schwachen Familien. Oft sind beide Gruppen identisch. 44.580
Schüler im Alter von 15 Jahren aus 1.487 Schulen nahmen an der
nationalen PISA-Ergänzung teil. Anders als im Jahr 2000 waren
diesmal auch Hamburg und Berlin dabei. Untersucht wurden
Kompetenzen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften und
erstmals auch die Fähigkeit Probleme zu lösen. Bewertet
wurden die Leistungen mit Punkten. Bei der Bewertung eines Landes
gilt der Durchschnitt aller Schüler.
Bei der Vorlage der neuen PISA-Ergebnisse
kann die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK),
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU), immerhin
zufrieden feststellen: "Der Bereich Bildung ist in Bewegung
geraten", auch wenn sie davor warnt, in dem
Bundesländervergleich eine Art Bildungsolympiade zu sehen und
zu etablieren: "Es geht nicht um Gewinner und Verlierer." In der
politischen Praxis tut es das sehr wohl, denn es ist Wahlkampf und
aus diesem Grunde hat man sich in der KMK entschlossen, den
Vergleich unter den einzelnen Bundesländern vorab zu
veröffentlichen. Die endgültigen Ergebnisse sollen erst
im Herbst dieses Jahres präsentiert werden.
Kein Wunder, dass Bayerns
Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sich in seiner
Überzeugung bestätigt fühlt, dass in
unionsgeführten Bundesländern mehr und besser gelernt
wird. Aufgeholt gegenüber der ersten PISA-Studie 2000 haben
vor allem auch die CDU-regierten ostdeutschen Länder
Thüringen und Sachsen. Für Baden-Württembergs
Kultusministerin Annette Schavan wiederum ist das Ergebnis der
neuen PISA-Studie ein Beweis für die Leistungsfähigkeit
des dreigliedrigen Schulsystems aus Grund-, Haupt- und Realschule
sowie Gymnasium ab Klasse 5 oder in einigen Ländern ab Klasse
7.
Das sieht der Kieler Bildungsforscher Manfred
Prenzel freilich ganz anders, der für die Auswertung der
PISA-Studie in Deutschland zuständig ist. Er ist ein
glühender Verfechter der integrierten Gesamtschule und
verweist dabei immer auf die skandinavischen Erfolge. Auch in der
internationalen Vergleichsstudie von 2003 lag Finnland wieder vorn
- mit 544 Punkten in der mathematischen Kompetenz und mit 553
Punkten in der Lesekompetenz. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 500
bzw. 494 Punkten. In der Rubrik Problemlösen erreichte Berlin
nun im Vergleich der Bundesländer mit 507 Punkten immerhin den
siebten Platz. Hier liegt der OECD-Durchschnitt bei 500
Punkten.
Kritiker der Vergleichsstudien der OECD
weisen allerdings darauf hin, dass Bildung mehr ist als Wissen. Die
Tests fragten nur Wissen ab und würden deshalb keine Antwort
etwa auf die Frage nach der Sozialkompetenz der 15-Jährigen
geben. Einig sind sich die Bildungspolitiker aller Parteien und
aller Bundesländer, dass Schule nicht nur Wissen vermitteln
soll, sondern auch Werte. Aber Bildung ohne Wissen ist auch nicht
möglich. Also haben die PISA-Studien ihre Berechtigung. Als
Ende 2001 das deutsche Ergebnis der PISA-Vergleichsstudie 2000
bekannt wurde, beherrschte das Thema Schule die Schlagzeilen. Wie
ein Schock wirkte es, dass ausgerechnet die 15-Jährigen aus
dem "Land der Dichter und Denker" beim Lesen weit hinter anderen
Ländern zurücklagen.
Dass nun Deutschlands Schüler nicht
zuletzt in Mathematik und Naturwissenschaften aufgeholt haben,
liegt jedoch nicht nur am PISA-Schock. Hierfür war die Zeit
zwischen Ende 2001 und der neuen Studie 2003 zu kurz. Vielmehr
dürfte dies der internationalen TIMMS-Studie aus dem Jahr 1997
zuzuschreiben sein, die schon damals den deutschen Schülern
nur mittelmäßige Kenntnisse in Mathematik und
Naturwissenschaften bescheinigte. Es folgte das SINUS-Programm, das
seitdem an vielen Schulen durchgeführt wird. Aber auch der
PISA-Schock von 2001 ist nicht ohne Wirkung geblieben. So
appellierte der parteilose Kultusminister von Sachsen-Anhalt,
Jan-Henrik Olbertz, an Eltern, Lehrer und Schüler, Leistung in
der Schule nicht gering zu achten und dem Lernen mehr
Aufmerksamkeit zu schenken. Schließlich hätten nur gute
und leistungsstarke Schüler wirkliche Chancen auf dem
Arbeitsmarkt.
Dabei zählt Sachsen-Anhalt mit einer der
höchsten Arbeitslosenquoten zu den ärmsten
Bundesländern. Ihm fehlt es deshalb auch an den finanziellen
Mitteln, das Schulwesen zu modernisieren und so auszustatten, dass
es den zeitgemäßen Anforderungen entspricht. Dennoch
holten die 15-Jährigen aus eben diesem Bundesland stark auf.
Im Bereich der mathematischen Kompetenz erzielten sie 26
zusätzliche Punkte gegenüber dem Jahr 2000, in der
Lesekompetenz gar 27 Punkte. Eine Folge des "Rucks", der durch
Sachsen-Anhalt gegangen ist?
PISA 2003 zeigt, dass die 16
Bundesländer enger zusammenrücken und dass die
Bildungsschere zwischen West- und Ostdeutschland fast geschlossen
ist. Hingegen gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle.
Rechnet man die Punktedifferenz zwischen Bayern auf Platz 1 und
Bremen auf Platz 16 in Schulzeit um, dann ergibt sich zwischen
ihnen eine Differenz von anderthalb Schuljahren. Dass dies nicht
auf Dauer hingenommen werden kann, ist innerhalb der
Kultusministerkonferenz unstrittig. Auch dass mehr für
Migrantenkinder getan werden muss, deren Anteil in Bremen bei 40
Prozent, in Bayern bei nur 22 und in Sachsen bei lediglich
fünf Prozent liegt.
Internationaler Vergleich
Wie steht Deutschland nun im internationalen
Vergleich da? In der mathematischen Kompetenz weit abgeschlagen
hinter Finnland, Korea, Niederlande, Japan, der Tschechischen
Republik und weiteren Staaten. Immerhin liegt Deutschland mit drei
Punkten noch über dem OECD-Durchschnitt von 500 Punkten. In
der Lesekompetenz aber unterschreitet Deutschland den
OECD-Durchschnitt von 494 Punkten um drei Punkte. Allerdings sieht
die Situation anders aus, wenn es um die einzelnen
Bundesländer geht. Hier sind einige - im Gegensatz zum
deutschen Durchschnitt - in die internationale Spitze
vorgedrungen.
Alles in allem ergibt sich ein
uneinheitliches Bild, das dennoch zeigt, dass Deutschland langsam
aufholt. Nun wird man auf die genauen Auswertungen gespannt sein
dürfen und darauf, wie der nächste Test ausfallen wird,
der für das Jahr 2006 geplant ist. Der PISA-Schock von 2001
sitzt tief in Deutschland. Die Bundesländer dürfen in
ihren Anstrengungen nicht nachlassen, das Schulsystem nachhaltig
und dauerhaft zu verbessern. Dass dies auch Geld kostet,
dürfte sich zwischenzeitlich herumgesprochen haben. Nicht
zuletzt auch in westdeutschen Schulen, etwa in Nordrhein-Westfalen.
Dort tröstete der neue Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers (CDU) seine Schulministerin Barbara Sommer, für
die Misere sei nicht sie, sondern die rot-grüne
Vorgängerregierung verantwortlich. Beim nächsten
PISA-Test wird dieser Hinweis freilich nur noch bedingt
taugen.
Der Autor ist freier Journalist, Berlin/Bonn.
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