|
|
Konrad Watrin
In alter Sklavenhalter-Manier
Von arabischem Umgang mit Minderheiten im
Sudan
Es ist wieder einmal ein Problem fehlender
TV-Bilder, weshalb das vom Sudan dunkel bleibt. Es wären
Szenen wie aus realistischen Western, in denen Indianerstämme
von kriminellen, trunken-gierigen Weißen ausgerottet werden.
Nach verheißungsvollen Ölfunden Ende der 90-er Jahre ist
im Sudan gerade ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg zwischen der
zeitweise islamistischen Regierung in Khartum und dem
afrikanisch-christlichen Süden beigelegt worden. Praktisch im
selben Moment bricht ein neuer Konflikt mit gleichfalls
afrikanischen Rebellen im Westen an der Grenze zum Tschad auf. Und
nach demselben Muster geschieht dies nun auch im Osten an der
Grenze zu Eritrea.
Im Sudan, dem größten,
undurchschaubaren Land Afrikas, herrschen nicht erst seit der
Unabhängigkeit (1956) Zustände, die an asiatische
Despotie, zumindest an die alte arabische Sklavenhalter-Manier
erinnern, in der man "die eigenen Neger" einfing und verkaufte.
Andere freilich rümpfen die Nase ob der Aussichtslosigkeit
solcher Failed States wie des Sudans - als brauche man über
den "verlorenen Kontinent" im Grunde nicht mehr zu
berichten.
Ausgerechnet dort bricht sich ein neues
Muster der Weltpolitik Bahn. Kriegsverbrecher und
Völkermörder, manche einst mächtige Staatschefs,
werden zunehmend zur Rechenschaft gezogen, selbst wenn die USA sich
gegen den Internationalen Gerichtshof sträuben. Den Haag hat
Anfang Juni bekannt gegeben, dass nun wegen der Verbrechen in der
sudanesischen Westprovinz Darfur ermittelt wird. Nach Chiles
Folter- und Argentiniens Putschgenerälen, nach den
Massenschlächtern von Ruanda - gegen die in Lateinamerika bzw.
im tansanischen Arusha ermittelt wird - und nach dem im Haag
bereits einsitzenden Herrn Milosevic soll ausgerechnet in diesem
geschundenen Land Recht und Gerechtigkeit auf die Sprünge
geholfen werden. Es ist das erste Mal, dass das von den USA nicht
anerkannte Gericht auf Betreiben des Sicherheitsrates ermittelt.
Nach bisherigen Vorwürfen der UN gegen 51 Verdächtige
haben regierungstreue Truppen in Darfur gemordet und gefoltert. Es
ist ein Gebiet so groß wie Frankreich, wo rund zwei Millionen
Vertriebene auf Hilfe warten und mittlerweile einige wenige tausend
Soldaten der Afrikanischen Union stationiert sind. Darfur ist seit
zwei Jahren ein neues Beispiel für die Hilflosigkeit der
Vereinten Nationen, auch dafür, wie rassistisch manch
arabisch-islamischer Staat bis heute mit Minderheiten
umgeht.
Rassismus und sklavereiähnliche
Ausbeutungsverhältnisse wurden in vergangenen Jahren - vor
allem von christlichen Organisationen - auch im Jemen, Mauretanien,
Saudi Arabien oder bei den Rebellen aus Uganda angeprangert, die im
Südsudan Kinder entführen und als Soldaten rekrutieren.
Bekanntestes Beispiel aus dem Sudan ist Mende Nazer, die 2002 aus
Großbritannien abgeschoben werden sollte und darüber
einen Bestseller ("Sklavin") schrieb. Die damals 22-Jährige
war nach eigenen Angaben mit 13 Jahren von arabischen Milizen aus
den Nuba-Bergen verschleppt und verkauft worden, zunächst an
wohlhabende Nordsudanesen, dann an einen sudanesischen Diplomaten,
der sie mit falschen Papieren nach London brachte und
ausbeutete.
Im Mittelpunkt unserer europäischen
Selbstkritik stehen neben den für ihre Zeit noch als
"natürlich" erachteten Feudalverhältnissen bei
Römern und Griechen der Antike meist die seit der Neuzeit von
Spaniern, Portugiesen, Holländern, Engländern und
Franzosen in ihre amerikanischen Kolonien transportierten
Schwarzen. Deren Unterjochung indes besorgten zunächst
afrikanische und arabische Sklavenjäger. Und heute? Eine
UN-Kommission schätzte 1999 die Zahl der Menschen, die in
sklavereiähnlichen Verhältnissen leben, auf rund 20
Millionen. Im Jahr 2001 hat die französische
Nationalversammlung Sklaverei zum Verbrechen wider die
Menschlichkeit erklärt. Ähnlich sehen dies Israel, Kuba
oder der Senegal. Andere auch, aber man hält sich mit Blick
auf - bereits erhobene - ungeahnte Regressansprüche
zurück.
Wie viele Menschen im 33 Millionen
zählenden Sudan seit Jahrzehnten außerdem durch die
periodischen Sintfluten und Hungersnöte bedroht und umgekommen
sind, ist ebenso ungewiss wie die derzeitige Lage im Kongo, die
ähnlich katastrophale Zahlen kennt. Auf annähernd vier
Millionen schätzt die in Washington ansässige
Nichtregierungsorganisation "Coalition for International Justice"
die Opfer allein jüngster Jahre im Kongo, auf 800.000 die in
Ruanda, auf etwa 400.000 in nur zwei Jahren die in Darfur.
Während der frühere US-Außenminister Colin Powell
von einem Völkermord in Darfur sprach, meidet die jetzige
Administration diesen Terminus und stuft den Konflikt etwas
zurück. Washington, das sich neben den Deutschen durchaus um
Druck auf Khartum bemühte, sitzt hier in einer selbst
geschaffenen Zwick-mühle, da man Den Haag nicht anerkennen
will und sich so bei Abstimmungen in der UNO in dieser Frage neben
China, Russland und auch Großbritannien als Blockierer
wiederfindet. Kämen UNO und (die meisten) Europäer mit
dem Haager Gericht durch, so fände sich früher oder
später dort Moskau angeprangert wegen Tschetscheniens, China
wegen Tibets - und die Vereinigten Staaten möglicherweise
auch.
Das noch junge Friedensabkommen für den
Südsudan soll mit Hilfe einer UN-Schutztruppe von 10.700 Mann
umgesetzt werden, auch unter deutscher Beteiligung. Es bezieht sich
nicht freilich auf Darfur. Dort kämpfen zwei
schwarzafrikanische Rebellengruppen seit Anfang 2003 gegen die
Regierung, unterstützt von den gefürchteten
arabisch-stämmigen Reitermilizen. "Dämonen zu Pferde"
wurden sie genannt. Der UN-Generalsekretär sprach von der
"Hölle auf Erden". Laut Amnestie International setzen die
Milizen und Regierungstruppen systematisch auch Vergewaltigungen -
von Acht- bis 80-Jährigen, und das vor den Augen der Familien
und Dorfgemeinschaften - als Kriegswaffe ein. Unlängst
beschrieb die "New York Times" die Gräueltaten dieser
"Janjaweed" genannten Reitermilizen: "Darfurs Tote wurden auf den
Grund der Brunnen gestoßen, in Massengräber gekippt,
begraben auf sandigen Friedhöfen und notdürftig
verbrannt. Kinder wurden aus den Armen ihrer Mütter gezerrt
und ins Feuer geschmissen, Dorfbewohner mit um den Hals gewundenen
Seilen von Pferden und Kamelen auf dem Boden hinterher geschleift."
Wenn es nur Bilder gäbe.
Seit diesem Sommer scheint sich eine dritte
Bürgerkriegsfront im Osten aufzutun. Auch hier geht es um eine
gerechtere Verteilung der Ressourcen, zumal des Erdöls, an dem
vor allem China und Russland interessiert sind. Dort sehen sich
Beja-Rebellen wie zuvor andere im Süden und in Darfur von
Khartum diskriminiert und unterdrückt. "In unserer Region
fehlt es an Krankenhäusern, Schulen, einer Wasserversorgung,
Transportsystemen es fehlt an allem", sagte Musa Mohamed Ahmed,
Präsident der "Ostfront", der BBC.
Weder im Süden, wo die Opfer der (mit
Unterbre-chungen) Jahrzehnte währenden Kämpfe auf bis zu
drei Millionen geschätzt werden, noch im Westen ist
endgültiger Friede angesagt. Der Friedensprozess zwischen
Khartum und dem Süden unter Führung der nicht
unumstrittenen Befreiungsorganisation SPLA wurde Anfang August
durch den angeblichen Unfalltod der zentralen Figur - SPLA-Chef
John Garang - erneut bedroht, möglicherweise gar beendet. Der
Absturz des kurz zuvor als Vize-Präsident in die
Zentralregierung eingebundenen legendären Rebellen vom Volk
der Dinki sorgte selbst im sonst friedhofsruhigen Khartum für
Ausschreitungen.
Es gibt Gründe, den Sudan international
mit höchster Priorität zu behandeln. Denn in Afrika
könnte nach dem Desaster von Somalia und den andauernden
Wirren im Kongo ein dritter Flächenstaat im Brand aufgehen. Es
bleibt atemberaubend, wie Konflikte solchen Ausmaßes von der
Weltgemeinschaft hingenommen werden. Dabei ist die Methode der
Janjaweed - Überfälle und Plünderung nach Art
apokalyptischer Reiter, Vergewaltigung und Menschenraub an Frauen
und Kindern, Niederbrennen der Hütten und Töten der
Männer - ob mit oder ohne Duldung Khartums seit langem
bekannt: aus dem amerikanischen Wilden Westen ebenso wie vom
vergleichbaren Terror Khartums gegen die Stämme der Nuba in
den gleichnamigen Bergen.
Zurück zur Übersicht
|