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Arnold Hottingers "Islamische Welt"
Kurz notiert
Den bald 80-jährigen Arnold Hottinger darf man mit Fug und
Recht als Doyen der deutschsprachigen Nahost-Journalisten
bezeichnen. Über Jahrzehnte hat er für die "Neue
Zürcher Zeitung" aus der Region zwischen Marokko und
Afghanistan berichtet, und er wusste, dass seine kenntnisreichen
Texte mit genauer Information und sicherem abgewogenem Urteil in
vielen europäischen Ministerien und Staatskanzleien
Pflichtlektüre waren. Hottinger hat viele große
Bücher über die Araber und über einzelne Länder
geschrieben; dieses jetzt mag er wohl als eine Art sehr
persönliches Summary verfasst haben, denn mit einem Ausblick
greift es weit - und vergleichsweise pessimistisch (oder
realistisch?) - voraus.
Hottinger hat sich der arabischen Welt und ihrer großen
Kultur bei aller Kritik an Einzelheiten stets besonders verbunden
gefühlt. Die Politik der arabischen Staaten hat er denn auch
immer mit Rückbesinnung auf historische Wurzeln befragt. In
drei Teile hat er dieses Buch untergliedert: Zunächst
lässt er sich faszinieren vom Alltag arabischen Lebens, wobei
er weit in die 50er-Jahre zurückgeht. Der zweite Teil ist ein
fast thrillerhafter Rückblick auf Krisen und Kriege, der mit
einer stupenden Personen- und Sachkenntnis damalige Erlebnisse und
heutige Analyse verbindet.
Der dritte, der düsterste, Teil ist ein Blick auf die
arabische Welt aus der Ferne, als Hottinger aus Madrid und
später aus Zypern berichtete. Er kannte die Rivalitäten
zwischen den einzelnen Staaten, sah in Ägypten die zentrale
Macht, der auch nach dem kurzen Boykott wegen des
Botschafteraustauschs mit Israel eine Schlüsselrolle zufiel
und zufällt, und er berichtet über die Revolution im Iran
und dessen mörderischen Krieg mit dem Irak. Zwei letzte
Kapitel behandeln dann die zunehmend dominierende Rolle der USA in
der Golfregion. Hottinger kommt zu einem skeptischen Urteil, was
Amerikas Versuch einer Demokratisierung betrifft, und zu einem fast
elegischen Schluss, ob und wie sich der Islam in der globalisierten
Welt behaupten kann. Man muss nicht alle Urteile teilen; zwingende
Zeitanalysen sind es allemal.
Arnold Hottinger
Islamische Welt. Der Nahe Osten: Erfahrungen, Begegnungen,
Analysen.
Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2004; 750 S.,
49,90 Euro
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