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Ferhad Ibrahim
Ein verlässlicher Verbündeter des
Westens
Jordanien im regionalen und internationalen
Spannungsfeld
Es ist unklar, ob es die Außenpolitik war, die den kranken
König Hussein zwei Wochen vor seinem Tod veranlasste, die
Thronfolge auf seinen Sohn Abdullah zu übertragen und den
erfahrenen Bruder Prinz Hassan zu entmachten. Fest steht, dass
Abdallah II., sieben Jahre nachdem er die Verantwortung
übernommen hat, die Linie des Vaters in einem wesentlichen
Aspekt unbeirrt weiter verfolgt: Die Außenpolitik bleibt die
wichtigste Stütze der Haschemiten-Monarchie.
Dem jungen König ist es mit der Aufrechterhaltung der
innenpolitischen Strukturen gelungen, sein Land als reformfreudig
zu präsentieren. US-Präsident Bush führt, nachdem er
seine Doktrin der Demokratisierung des Nahen Ostens verkündet
hat, Jordanien als Beispiel für einen nahöstlichen Staat
an, der konsequent Liberalisierung und Modernisierung
implementiert. Jordanien ist im Vergleich etwa zu Ägypten
nicht nur reformfreudig, sondern auch ein verlässlicher
Verbündeter des Westens. Reformfreudigkeit und
"Bündnistreue" haben jedoch Grenzen. Sie dürfen die
Stabilität des Systems nicht gefährden und das Land nicht
in die Isolation treiben. Diese politische Formel erklärt,
warum Jordanien keine spektakulären Veränderungen
wagt.
Kein Vorgänger Abdallahs II. in der über
80-jährigen Geschichte der jordanischen Haschemiten-Herrschaft
hat so viele Konzepte präsentiert. Auf der politischen Ebene
versucht der König mit der Parole "Jordan first" die nationale
Identität zu festigen. Es geht nicht nur darum, dass die
Palästinenser, die über die Hälfte der
Bevölkerung ausmachen, sich mit dem Land identifizieren,
sondern auch die übrigen Bürger. Die panarabische
Identität hat das politische System Jordaniens immer wieder in
Turbulenzen gestürzt. Die Machthaber mussten nicht selten
Entscheidungen treffen, die nicht unbedingt im Interesse des
kleinen und ökonomisch schwachen Landes waren. Dies wurde
zumal in der Kuwait-Krise 1990/91 deutlich. König Hussein war,
anders als Hafis al-Assad in Syrien, in seinen Entscheidungen nicht
frei. Er musste die Öffentlichkeit berücksichtigen.
Abdallah hingegen gelang es, den Mobilisierungsversuchen Saddam
Husseins entgegenzuwirken. Jordanien äußerte sich zwar
kritisch zum Irak-Krieg, unterstützte Saddam aber nicht. Weder
während der kriegerischen Handlungen 2003 noch später
bestanden Zweifel daran, dass es zumindest logistisch mit der
Anti-Saddam-Koalition zusammenarbeitete.
Dennoch gehen die Reformen nur in einem zähen Tempo voran.
Es ist dem König nicht gelungen, die Wahlbezirke so zu
gestalten, dass die Bürger die gleichen Chancen erhalten.
Wahlbezirke von 200.000 Wählern oder von 20.000 dürfen
die gleiche Anzahl von Abgeordneten ins Parlament schicken. Die
Palästinenser sind bei diesem System eindeutig im Nachteil. Es
muss aber eingeräumt werden, dass die politische Kultur und
der Klientelismus in Jordanien sich als ein Hindernis für die
Demokratisierung erweisen. So weigerte sich eine oppositionelle
Gruppe seit Ernennung Adnan Badrans zum neuen
Ministerpräsidenten, das Programm der Regierung zu bewilligen.
Nach Meinung dieser Gruppe, die, um sie von der islamistischen und
linken Opposition zu unterscheiden, "New Opposition" genannt wird,
wurden bei Ernennung der Minister die Interessen des Südens
nicht genügend berücksichtigt. Der Finanzminister Bassim
Awadallah, Hauptziel der Kritik, musste vor der Abstimmung
zurücktreten und Abdallah angesichts des Drucks der "New
Opposition" - traditionell eine Stütze der Mo-narchie - Badran
veranlassen, seine Regierung umzubilden.
Der König hat die Regierung al-Fayizs im Mai entlassen,
weil sie die Reformen nicht zügig genug realisieren konnte.
Eine dynamische Gruppe von Technokraten ist seiner Meinung nach
eher in der Lage, die politischen und verwaltungstechnischen
Reformen durchzuführen. Um deren Notwendigkeit zu
unterstreichen, wurden ein Ministerium für politische
Entwicklung und ein Rat für eine Orientierung der nationalen
Agenda berufen. Der König geriet jedoch mit den loyalen
Parteien der Mitte, die die Stämme repräsentieren, in
einen Konflikt, denn diese eigentlich loyalen Parteien haben kein
Interesse an einer raschen Umbildung des Staates. Ihre eigenen
Interessen könnten dadurch tangiert werden. Der Begriff
"Digital Ministers", der in traditionellen Kreisen die Runde macht,
zeigte eine deutliche Dichotomie der Gesellschaft. Die
Cyber-Gesellschaft prallt mit der Stammeskultur zusammen. Die
Lösung des Dilemmas wird über die Zukunft des Landes
entscheiden.
Auch die moderne Gesellschaft scheint nicht bereit zu sein, den
Reformkurs zu unterstützten. Das beste Beispiel ist das
Verhältnis zwischen den Berufsverbänden und dem Staat.
Der König hofft, dass die Zivilgesellschaft eine aktive Rolle
im vorsichtigen Regimewandel übernimmt. Aber die Mehrheit der
Berufsverbände wird von islamistischen und panarabischen
Parteien beeinflusst. Sie zeigen bisher bei allen Debatten eine
radikale, antiwestliche Position. Fast alle Verbände
solidarisierten sich bis heute mit Saddam Hussein. Ihre Haltung
gegenüber Israel ist eine verdeckte Kritik am
jordanisch-israelischen Friedensvertrag. Die He-rausforderung durch
die Verbände führte im Frühjahr zu einer
gefährlichen Konfrontation: Der damalige Innenminister Samir
Habashneh strebte ein Gesetz an, das die Berufsverbände
stärker unter Kontrolle des Staates bringen sollte.
Ägypten hatte Ende der 90er-Jahre das Beispiel ihrer
staatlichen Kontrolle vorgeführt, doch die jordanische
Regierung scheiterte mit dem Vorhaben und so wurde das Thema
vertagt.
Auch die notwendigen Verwaltungsreformen, vor allem das
Föderalisierungsvorhaben des Königs, das die
Gründung von drei großen Verwaltungseinheiten vorsieht,
finden keinen großen Anklang. Nach seinen Vorstellungen
würden diese Einheiten weitgehende wirtschaftspolitische und
regionale Kompetenzen haben. Jordaniens Reformpolitik steht demnach
auf tönernen Füßen, weil sie von den traditionellen
Kräften und den Panarabisten abgelehnt wird.
Die außenpolitische Orientierung war seit der Gründung
des Staates prowestlich. Die geopolitischen Bedingungen und der
Umstand, dass Jordanien auf finanzielle Hilfe des Westens
angewiesen war, sorgten für Kontinuität in dieser
Hinsicht. Unter Abdullah rückte Jordanien noch näher an
die USA heran, versucht aber ebenfalls erfolgreich, die Beziehungen
zu den EU-Staaten zu vertiefen. Die Führung versucht
gleichzeitig zu vermeiden, dass die engen bilateralen Beziehungen
zu Washington in der Region als strategisches Bündnis
erscheinen. Tatsächlich haben sie die Qualität einer
"special relationship" erhalten. Die USA belohnten dies mit einem
Freihandelsabkommen, das den US-Markt für jordanische Produkte
öffnete. Es ist angesichts der schwachen Wirtschaft
offensichtlich, dass Jordanien dieses Privileg nicht voll in
Anspruch nehmen kann. Das Exportvolumen in die USA lag in den
letzen drei Jahren unter 100 Millionen US-Dollar. Der Vertrag hat
dennoch starke symbolische Bedeutung. Die USA unterstützen
Jordanien seit dem Irak-Krieg mit circa 700 Millionen US-Dollar
jährlich. Im Gegensatz zu anderen regionalen Verbündeten
der USA zeigte es keine kritische Haltung zum Irak-Krieg. Im
Afghanistan-Krieg beteiligte es sich gar mit einer medizinischen
Einheit der Armee. Jordanien ist zudem der einzige arabische Staat,
der die neue irakische Polizei und Armee mit ausbildet. Oder
Jordaniens Haltung zu Iran: Im Dezember 2004 warnte der König
vor einem schiitischen Halbmond, der sich vom Iran bis in den
Libanon erstrecken könnte. Er plädierte im Frühjahr
gar für eine harte Politik gegenüber dem Iran.
Darüber hinaus machte er die EU für die unnachgiebige
Haltung Irans bei der Kontrolle der Nuklearanlagen verantwortlich.
Die Äußerungen Abdallahs zogen die Aufmerksamkeit der
arabischen Welt auf sich, nicht aber ein entsprechendes Echo in
Washington.
Im Libanon-Konflikt zeigte der König eine Haltung, die mit
den USA und Frankreich übereinstimmte. Abdallah forderte
Syrien auf, die Resolution 1514 des UN-Sicherheitsrates umzusetzen.
In der Vergangenheit hätte diese Haltung zu einer ernsthaften
Krise zwischen den Nachbarn geführt. Jordanien, das seit 1995
auch am so genannten Barcelona-Prozess mitwirkt, ist zudem Teil der
Euro-Med-Partnerschaft und wichtiger regionaler Partner der EU. Aus
dem Grund erhält es wirtschaftliche Unterstützung von den
EU-Staaten.
Die Beziehungen zu den Golfstaaten, die während der
Kuwait-Krise 1990/91 ihren Tiefpunkt erreichten, haben sich mit
Abdallah völlig normalisiert. Die Beziehungen zu Saudi-Arabien
sind wieder so eng, dass die Saudis verbilligtes Erdöl
liefern. Die zu Ägypten und den nordafrikanischen Staaten sind
problemlos, wenn der Nahost-Konflikt, der Jordanien wegen seiner
Bevölkerungsstruktur in erheblichem Maße tangiert, auch
weiter der Zankapfel gerade in den arabisch-arabischen Beziehungen
bleibt. Jordanien unterstützt offen die Roadmap. Aus diesem
Grund wollte es Anfang dieses Jahres den Vorschlag des damaligen
saudischen Kronprinzen Abdallah aus dem Jahre 2002 als Instrument
zur Reaktivierung der Roadmap einsetzen. König Abdallahs II.
Modifizierung des saudischen Vorschlages beinhaltete, dass die
Normalisierung mit Israel Hand in Hand mit Israels Abzug aus den
besetzten Gebieten gehen solle. Die arabischen Staaten lehnten
diese Vorschuss-Strategie auf dem Algier-Gipfeltreffen im März
dieses Jahres ab.
Jordaniens Außenpolitik ruht auf drei Säulen: den
engen Beziehungen zu den USA, dem Ausbau derer zu den
europäischen Staaten und dem Versuch, einen Konsens mit den
Arabern in der Israel-/Palästinafrage zu erreichen. Dies und
die inneren Reformversuche des Königs stoßen auf zwei
Hindernisse: zum einen die konservative Struktur der jordanischen
Gesellschaft und ihre politische Kultur, zum anderen den mangelhaft
ausgebildeten politischen Institutionen im Land. Der Staat wahrte
in der Vergangenheit die Interessen der traditionellen Gruppen, die
ihm gegenüber loyal waren. Abdallah möchte eine andere
Politik praktizieren, stößt jedoch auf Widerstand der
traditionellen Gesellschaft. Er gründete daher eine Fülle
von Kommissionen und beratenden Gremien. Diese Aktivitäten
sowie die für Jordanien typischen kurzlebigen Regierungen
vermitteln gar den Eindruck von Improvisation und Chaos. Die
Stabilität Jordaniens indes hängt vom Erfolg der Reformen
ab - und die Außenpolitik soll diese stützen. Der junge
König mit seiner Frau, einer Palästinenserin, möchte
eine Vorreiterrolle in der arabischen Welt spielen.
Professor Ferhad Ibrahim ist Politikwissenschaftler an der Freien
Universität Berlin.
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