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Ernst Schumacher
Im Visier: Der "Schurkenstaat" vor der
Haustür
Eine Studie über die spannungsreichen
Beziehungen der USA zu Kuba
Ende Februar 2005 bezichtigte der Präsident der Republik
Venezuela, Hugo Chavez, den Präsidenten der USA, er hege gegen
ihn, Chavez, Mordpläne und lasse dazu in Florida Söldner
ausbilden. Was sich auf den ersten Blick als antiamerikanische
"Verschwörungstheorie" einer linkssozialistischen Regierung
darstellt, gewinnt nach der Lektüre von Schäfers
Recherche leider an Glaubwürdigkeit.
Am Beispiel der Beziehungen zwischen den USA und Kuba belegt
Schäfer vornehmlich an Originaldokumenten aus Archiven der
CIA, des State Departments und des Weißen Hauses (nach 30
Jahren, wenn auch mit vielen Einschwärzungen, freigegeben),
dass politischer Mord durchaus zur Theorie und Praxis der CIA
zumindest gehörte. In den 70er- und 80er-Jahren als
ADN-Korrespondent in Washington akkreditiert, nahm Schäfer
1975 an den Anhörungen des Untersuchungsausschusses des Senats
(Church-Ausschuss) über die geplante Ermordung
ausländischer Führer teil. In der Einleitung zu diesem
gemeinhin als "Mord-report" gekennzeichneten Bericht (Alleged
Assassination Plots Involving Foreign Leaders, US-Government
Printing Office, 1975) wurde festgestellt: "Die Beweise lassen
keinen Zeifel zu, daß die Vereinigten Staaten in mehrere
Mord-Komplotte verwickelt waren."
Genannt wurden die Namen von Fidel und Raul
Castro, Che Guevara, Patrice Lumumba, Rafale Trujillo, Ngo Dinh
Diem und René Schneider. Die Legitimation dazu stellte die von
1955 bis 1970 gültige Direktive NSC 541/2 des Nationalen
Sicherheitsrates der USA dar, mit der die CIA beauftragt wurde,
"den internationalen Kommunismus zu bekämpfen, zu reduzieren
und zu diskreditieren". Beweise, dass die Präsidenten
Eisenhower (1953 - 1961), Kennedy (1961 - 1963), Johnson (1963 -
1969) und Nixon (1969 - 1974) diese Mordpläne an
ausländischen Führern autorisierten, konnte der Ausschuss
nicht erbringen. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass nach dem
Prinzip des "glaubhaften Dementis" (plausible denial) verfahren
wurde, wonach ein Präsident über bestimmte Verbrechen
nicht informiert sein muss, um sie glaubhaft abstreiten zu
können.
Kuba geriet ins Fadenkreuz der CIA, als Fidel Castro Ende 1958
an die Macht kam und daran ging, bestimmte Wirtschaftsbereiche zu
nationalisieren, die seit der Beendigung des spanischen
Kolonialregimes 1898 fest in den Händen von US-Konzernen
waren. In Washington wuchs die Furcht, das Beispiel Kubas
könne auf ganz Lateinamerika ausstrahlen. Dementsprechend
wurde vor keinem Mittel zurückgeschreckt, um das kubanische
Führungstrio Castro, seinen Bruder Raul und Che Guevara zu
beseitigen.
Erzfeind bis heute
Im Church-Report von 1975 ist darüber zu lesen: "Wir haben
konkrete Beweise für mindestens acht Anschläge gefunden,
in die die CIA verwickelt war und die darauf zielten, Fidel Castro
zwischen 1960 und 1965 zu ermorden." Die Mittel dazu waren
Gifttabletten, Federhalter, Spezialgewehre, tödliche
bakteriologische Puder und "andere Dinge, die jede
Vorstellungskraft übersteigen". Gleichzeitig wurden
militärische Aktionen vorbereitet, darunter ein Unternehmen,
das im April 1961 mit dem Schweinebucht-Desaster endete.
Die Anti-Kuba-Politik der USA sieht Schäfer bis heute vom
Prinzip "Strangulieren - mit oder ohne Gesetz" bestimmt. Die seit
1960 verhängte Wrtschaftsblockade Kubas wurde 1996 durch das
von Präsident Clinton verkündete Helms-Burton-Gesetz auch
anderen Staaten aufoktroyiert, denen Strafen angedroht wurden, wenn
sie direkt oder über dritte Staaten mit Kuba Handel betreiben.
Das Gesetz bleibt weiterhin gültig, auch wenn es die
UN-Generalversammlung im Oktober 2004 mit überwältigender
Mehrheit als unumgänglich bezeichnete, die vier Jahrzehnte
andauernde Wirtschafts-, Handels- und Finanz-Blockade der USA gegen
Kuba zu beenden.
Unter der Bush-Administration wurden dann die Zuwendungen
für die Regierungs-Agenturen NED (Nationale Stiftung für
Demokratie) und für Internationale Entwicklung (USAID), deren
Hauptaufgabe die Entwicklung einer Opposition in Kuba ist, um ein
vielfaches aufgestockt. Kuba gilt als einer der "Schurkenstaaten",
gegen die auch ein "preemptive war" gerechtfertigt ist. Wenn
Verteidigungsminister Rumsfeld 2004 die Möglichkeit nicht
ausschloss, dass Kuba "Massenvernichtungsmittel hat oder
entwickelt", macht nach dem Beispiel Irak erklärlich, warum
die Zeitung "Las Vegas Mercury" im Sommer 2004 fragte: "Ist Kuba
als nächstes dran?"
Schäfer bietet im Anhang seiner Recherche Faksimiles von
Dokumenten, auf die er sich stützt. Zu den politischen
Analysten, denen er ebenfalls das Wort gibt, gehört der
Artikel "Warum die USA Kuba fürchten" von Seumas Milne in der
britischen Zeitung "The Guardian" vom 31. Juli 2003. Milne kommt
zum Schluss: "Die US-Feindschaft gegen Kuba kommt nicht von seinen
Mängeln auf dem Gebiet der Menschenrechte, sondern von seinen
sozialen und politischen Erfolgen sowie der Herausforderung, die
seine unbeugsame Unabhängigkeit den anderen Satellitenstaaten
der USA und des Westens demonstriert."
Wer Schäfers Recherche einseitig findet, muss freilich auch
die Fakten widerlegen, auf die sie sich stützt. Was die
eingangs erwähnte Anschuldigung von Präsident Chavez
betrifft: Das 1975 vom Church-Ausschuss eingebrachte Gesetz, das
bereits Vorbereitungen zur Ermordung eines ausländischen
Staatsmanns unter Strafe stellt, wurde nie verwirklicht.
Horst Schäfer
Im Fadenkreuz: Kuba.
Der lange Krieg gegen die Perle der Antillen.
Edition Zeitgeschichte, Band 18.
Kai Homilius Verlag, Berlin 2004; 350 S., 18,- Euro
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