Dieter H. Michel
Ein Ärgernis für Zarin Katharina die
Große
Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt
Die CDU/FDP-geführte Landesregierung will ab 1. Juli 2007
ihr Territorium neu gliedern. Dabei soll die Zahl der Kreise im
Land von gegenwärtig 21 auf elf verringert werden. Der Krach
im Land zwischen Arendsee und Zeitz ist vorprogrammiert.
Unterschriftenaktionen für und gegen die Planungen wurden
gestartet. Lebte Katharina II. - genannt die Grosse - noch, in ihr
wäre wohl angesichts der Planungen sachsen-anhaltischer
Politiker eine Welt zusammengebrochen. Die 1729 geborene Sophie
Auguste Friederike, Prinzessin von Anhalt-Zerbst und spätere
mächtige Zarin von Rußland, wäre sicher
entrüstet, dass allein ihr Reich Anhalt-Zerbst, hervorgegangen
aus dem Stammbesitz der Askanier, künftig zerrissen werden
soll.
Freilich ist das letzte Wort nicht gesprochen, aber der Kreis
Anhalt-Zerbst wird wohl als einziger im Land aufgeteilt werden. Der
nördliche Teil soll künftig in den bestehenden Kreis
Jerichower Land wechseln und mit ihm zu Anhalt-Jerichow werden,
während der südliche Teil dem Kreis Wittenberg, der
Heimat Martin Luthers zwischen 1508 und bis kurz vor seinem Tode
1546, zugeordnet werden soll. Gerade diesen Teil der Reform zur
Neugliederung der Kreise kritisiert der Landkreistag.
Geschäftsführer Lothar Theel nennt das Vorhaben der
beabsichtigten Zersplitterung "den stärksten Eingriff in die
Selbstverwaltungsrechte des Kreises".
Eine Alternative gebe es dennoch: Experten meinen, das auch
künftig als kreisfreie Stadt vorgesehene Dessau könnte
auf seine Kreisfreiheit verzichten und Mittelpunkt eines
Großkreises Anhalt werden. Die umliegenden Kreise Zerbst,
Köthen, Wittenberg und Bitterfeld würden damit dem
historischen Anhalt noch mehr entsprechen als das bisher der Fall
war.
Für die meisten der künftigen Großkreise ist das
Problem einfacher als im Anhaltischen. Sie werden durch Fusionen
zweier oder dreier bestehender Kreise gebildet. So fusionieren im
Süden des Landes der Burgenlandkreis und Weißenfels, in
der Börde sind es Ohre- und Bördekreis. Auch für die
drei Kreise Schönebeck, Bernburg und
Aschersleben-Staßfurt soll es einen Zusammenschluß zu
einem Großkreis "Salzland" geben.
Im Harz sollen künftig die drei Kreise Wernigerode,
Quedlinburg und Halberstadt zum "Harzkreis" verschmolzen werden.
Dass aber Halberstadt, eigentlich das "Tor zum Harz" und 20
Kilometer nördlich des Harzes gelegen, nach der
Regierungsmeinung den Kreissitz bekommen soll, ist nicht nur
für die Menschen in Wernigerode unverständlich. "Bei der
Entscheidung über den Kreissitz müssen auch
Wirtschaftsentwicklung, Bürgernähe und Identifikation
berücksichtigt werden", fordert Wernigerodes Landrat Michael
Ermrich (CDU).
Ein Harzkreis müsse auch eine Kreisstadt im Harz haben.
Daniel Trutwin, Gesellschafter der Metallveredlung Wernigerode,
bringt seine Meinung auf den Punkt: "Halberstadt zum Kreissitz zu
machen wäre politisch das falsche Zeichen, weil Wernigerode
das Symbol schlechthin für den Neuanfang der vergangenen Jahre
und für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung der Harzregion
sein wird". Selbst im benachbarten Niedersachsen wird gegen den
Namen "Harzkreis" für den künftigen Großkreis der
drei Kreise im Osten des Mittelgebirges opponiert und protestiert.
Immerhin lägen auch im Westharz mit Goslar und Osterode
große Kreise, die ein Anrecht auf diesen Namen hätten,
argumentiert man. Lediglich in der Altmark bleibt man bei der
ganzen Debatte gelassen: Hier ändert sich nichts, die
dünn besiedelten Kreise Salzwedel und Stendal bleiben
bestehen. Ebenso die kreisfreien Großstädte Magdeburg und
Halle.
Kein Geld bei Verlust des Kreissitzes
Für die Bauhaus-Stadt Dessau könnten lediglich die
Debatten um den eingangs erwähnten Großkreis Anhalt
Veränderungen bringen. Ansonsten soll der bisherige Status der
kreisfreien Stadt erhalten bleiben. Dessau selbst hat allerdings
bereits eigene Ziele abgesteckt und seine dramatisch gesunkene
Einwohnerzahl durch eine Fusion mit der Nachbarstadt Roßlau
auf der anderen Elbseite positiv korrigieren können.
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sieht das jedoch
noch nicht als Dogma an: "Es gibt keine Vorgabe, dass
Sachsen-Anhalt aus elf Kreisen bestehen muss. Wenn wir bei zehn
oder neun ankommen, würde das überhaupt nichts
ändern".
Die Opposition im Landtag aus Sozialdemokraten und
Linkssozialisten hat für eine Gebietsreform ganz andere
Vorstellungen. Die SPD favorisiert seit langem nur noch fünf
Großkreise für das Land. "Wir halten daran fest, haben
doch aber dafür gegenwärtig keine Mehrheit", resignierte
Norbert Bischoff, Parlamentarischer Geschäftsführer der
SPD-Landtagsfraktion. Auch die PDS hätte die Zahl der
Landkreise weiter drastisch verkleinert. Zum Vorschlag der
Landesregierung meint PDS-Fraktionschef Wulf Gallert: "Diese
Kommunalreform ist inkonsequent und nicht zukunftfsfähig."
Schon das Konzept sei falsch. Seiner Meinung nach würde durch
die neuen Kreisgrenzen eine "völlig unproduktive Konkurrenz"
einzelner Städte geschaffen. Und der SPD-Landtagsabgeordnete
Willi Polte, Ex-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt
Magdeburg, prophezeit der Landesregierung speziell für die
Lösung der Stadt-Umlandprobleme den Misserfolg mit den Worten:
"Das ist ein tot geborenes Kind".
Schon 1994 hatte sich die Landkarte des knapp 2,6 Millionen
Einwohner zählenden Bundeslandes grundlegend verändert.
Aus 37 Landkreisen wurden vor elf Jahren die jetzt bestehenden 21
geschaffen. Auch damals prallten die Meinungen hart aufeinander.
Doch mit einem damals versöhnlich stimmenden Unterschied: "Die
Landesregierung will denjenigen 16 Städten, die ihre Funktion
als Kreisstadt verlieren, über einen längeren Zeitraum
einen finanziellen Ausgleich zukommen lassen", hieß es damals
aus dem CDU-Innenministerium.
Heute dämpft Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU) die
Hoffnungen der Bürgermeister in den unterlegenen
Kreisstädten auf kräftige Finanzspritzen: "Angesichts
unserer knappen Haushaltslage ist es nicht möglich, einen
finanziellen Ausgleich für den Verlust des Kreisstadtsitzes zu
leisten". PDS-Fraktionschef Wulf Gallert sieht das anders und
schlägt statt dessen für die "Verliererstädte" eine
Umschichtung des Finanzausgleichs vor. Bis 2010 würden dadurch
etwa eine Million Euro pro Jahr den ehemaligen Kreisstädten zu
Gute kommen.
Für Städte wie Bitterfeld, Weißenfels, Eisleben
oder Quedlinburg könnte das hilfreich sein, nach
Regierungsmeinung gehen sie aber erst einmal leer aus. Auch die
beiden Orte, die sich nur durch den ersten Buchstaben ihres Namens
unterscheiden, Aschersleben und Oschersleben, verlieren
künftig ihren Kreisstadt-Status. Gleichermaßen gilt das
auch für Zerbst, wo man bis heute die Erinnerung an die
berühmte Zarin Katharina II. wach hält.
Doch bis im Oktober der Landtag die Grenzen der Kreise und deren
Kreisstädte als Zentren endgültig verabschiedet, wird am
gegenwärtigen Entwurf der Landesregierung noch viel diskutiert
werden.
Zurück zur
Übersicht
|