Eckhard Stengel
Letzte Rettung Karlsruhe
Bremen klagt erneut gegen
Finanzausgleich
Monatelang stand sie als Drohung im Raum, jetzt soll sie
tatsächlich auf den Weg gebracht werden: eine erneute
Verfassungsklage, mit der das extrem verschuldete Bremen weitere
Sanierungsbeihilfen des Bundes und mehr Geld aus dem
Länderfinanzausgleich erstreiten will. So hat es der Senat in
seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Noch ist die Klageschrift
nicht formuliert, aber die Vorbereitungen dafür laufen jetzt
auf Hochtouren.
Schon mehrfach hat die Hansestadt in Karlsruhe zumindest
teilweise Recht bekommen: 1986 kippte das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) Teile des damaligen Länderfinanzausgleichs, und 1992
bestätigten die Richter, dass Bremen - wie auch das Saarland -
in einer extremen Haushaltsnotlage stecke und deshalb Anspruch auf
Sanierungsbeihilfen habe. Außerdem traten die Hanseaten 1999
vor dem BVerfG halbwegs erfolgreich als Gegenspieler der reicheren
Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auf, die den
Finanzausgleich beschränken wollten; das Verfahren endete mit
einer Entscheidung, die beiden Seiten gerecht wurde.
Als Folge des BVerfG-Urteils von 1992 erhielt Bremen,
ähnlich wie das Saarland, von 1994 bis Ende 2004 insgesamt 8,5
Milliarden Euro Sanierungsgelder vom Bund. Obwohl Bremens
große Koalition einen strengen Sparkurs einschlug und damit
nach eigener Einschätzung "sämtliche Sanierungsauflagen
in allen Punkten erfüllt" hat, wuchs in diesem Zeitraum
dennoch der Schuldenberg von neun auf zwölf Milliarden Euro -
angeblich vor allem wegen "massiver und unerwarteter
Einnahmeausfälle".
"Es hat nicht gereicht", sagt Innensenator Thomas Röwekamp
(CDU) über die Sanierungsbeihilfen. Deshalb soll jetzt ein
Nachschlag her. Mit Verhandlungen ist nichts mehr zu erreichen: Der
Finanzplanungsrat von Bund und Ländern ließ die Bremer
Ende Juni abblitzen. Auch eine weitere Hoffnung zerplatzte wie eine
Seifenblase: Die rot-schwarzen Hanseaten hatten im Bundesrat Mitte
2000 der rot-grünen Steuerreform zugestimmt; im Gegenzug
stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder ihnen in Aussicht,
etwaige reformbedingte Einnahmeverluste auszugleichen. Doch
mittlerweile steht fest, dass der Bund keine neuen Dauerbeihilfen
zahlt, sondern nur einzelne Sonderzuschüsse, zum Beispiel
für den Straßenbau.
Nun also als letztes Mittel die Klage. Mit dem "abstrakten
Normenkontrollantrag" will der Stadtstaat nicht nur weitere
Sanierungsgelder samt Teilentschuldung fordern, sondern auch den
Länderfinanzausgleich erneut auf den Prüfstand stellen.
Zum Beispiel will Bremen die Kosten seiner Häfen stärker
angerechnet bekommen, weil dort Waren aus ganz Deutschland
verschifft würden. Allerdings könnten mit demselben
Argument andere Länder auch die Kosten ihrer
Großflughäfen geltend machen.
Insgesamt soll bei der Klage eine "stadtstaatengemäße
aufgabengerechte Finanzausstattung" herauskommen. Eigentlich, so
die Argumentation des Senats, liege Bremens Wirtschaftskraft um 36
Prozent über dem Bundesschnitt, auch dank der vielen
Einpendler. Doch indem die Lohn- und Einkommenssteuer nicht dem
Arbeits-, sondern dem Wohnort und seinem Bundesland zufließe,
werde Bremen künstlich arm gerechnet. Der Finanzausgleich
solle dies anschließend kompensieren, tue das aber nur
unzureichend.
Noch etwas soll die Klage bewirken: Bremen möchte mehr
gesetzgeberische "Landesautonomie". Was heißt das genau? "Da
sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt", antwortet der SPD-nahe
Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Er kann sich zum Beispiel
vorstellen, dass Bremen bestimmte Genehmigungsverfahren
verkürzt oder dass Unternehmen befristet von Steuern entlastet
werden, wenn sie neue Arbeitsplätze schaffen. Nußbaum:
"Wir sind bereit, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen,
wenn wir auch die Instrumente dafür an die Hand bekommen."
Damit die Hansestadt nicht als Querulant abgetan wird, hat sie
sich bereits einen Bündnispartner gesucht: Das Saarland, das
ebenfalls eine Verfassungsklage einreichen will. Am Dienstag dieser
Woche treffen sich beide Landesregierungen zu einer gemeinsamen
Kabinettssitzung in Saarbrücken, um über ihr weiteres
Vorgehen zu beraten. Wegen abweichender Argumentationsschwerpunkte
wollen sie aber getrennt nach Karlsruhe ziehen. Eine weitere
Verfassungsklage mit wiederum anderer Begründung wurde bereits
vom Land Berlin eingereicht.
Viel zu tun also für die Karlsruher Richter. Dass sie zum
wiederholten Mal gerade den Bremern mehr Geld bescheren, darf
allerdings bezweifelt werden. Denn inzwischen stecken mehrere
Länder und auch der Bund selber in solchen Finanznöten,
dass neuerliche Hilfen für den Stadtstaat besonders gut
begründet werden müssten.
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