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Ines Gollnick
"Es ist schön, ein Christ zu sein"
XX. Weltjugendtag 2005 in Köln - eine klare
Botschaft
Köln im Ausnahmezustand: Mehr als 400.000
registrierte Pilger und Pilgerinnen beim XX. Weltjugendtag sorgten
für eine internationale Atmosphäre in der Stadt -
zuweilen auch für stimmungsvolles Durcheinander - und für
Bilder, die faszinierten und denen man sich kaum entziehen
konnte.
Die Begeisterung steckte an. "La Ola", die
Welle, die man eigentlich nur von Sportgroßereignissen kennt
und "Be-ne-detto"-Rufe bereits am Flughafen bei der Ankunft und der
Begrüßung von Papst Benedikt XVI. durch
Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzler Gerhard
Schröder; Pilger, die nicht nur auf den Rheinwiesen, sondern
sogar meterweit im Wasser standen, als der Papst gemeinsam mit
Jugendlichen aus aller Welt seine Rheinfahrt zum Dom antrat und
eine Ansprache hielt; Menschenansammlungen auf großen und
kleinen Plätzen der Stadt in der Hoffnung, den Papst zu sehen
und zu hören, etwas von seiner Aura zu spüren und seine
Botschaft live zu empfangen und - das dürfte mit das
wichtigste Signal nach außen sein - alles lief friedlich ab.
Diese harmonischen Bilder gingen rund um den Globus. Sie sind ein
Frieden stiftendes Signal in eine Welt, die die nachwachsende
Generation mit gestalten möchte, eine Generation, deren
Vertreter in der Weltjugendtagswoche eine besondere Art der
Völkerverständigung erleben konnte.
"Willkommen in der Heimat, willkommen in
Deutschland!" rief Bundespräsident Horst Köhler dem Gast
bei seiner Ankunft zu. Es sei "ein großer Tag für uns
alle". Der Bundespräsident nannte den Weltjugendtag "einen
ganz wunderbaren Anlass" für den Besuch von Benedikt XVI. in
seiner Heimat. Ein außergewöhnliches Ereignis im
religiösen und politischen Sinn war der Besuch des Papstes bei
der jüdischen Gemeinde in Köln. Zum ersten Mal betrat
damit ein Oberhaupt der katholischen Kirche eine deutsche Synagoge,
zum zweiten Mal überhaupt ein Papst ein jüdisches
Gotteshaus, nachdem Johannes Paul II. 1986 die Synagoge in Rom
besucht hatte. Dass er dies als Deutscher tat, der zur
"Flakhelfergeneration" gehört, wie es auch der
Bundespräsident bei der Begrüßung betonte,
verdeutlicht, wie viel schwerer dieser Gang gewesen ist, als der
Besuch des vorherigen Papstes in den 80er-Jahren. Der Papst wurde
von der jüdischen Gemeinde als "Brückenbauer" zwischen
Katholizismus und Judentum willkommen geheißen. Die Begegnung
war ein wichtiger Schritt für den interreligiösen Dialog
und ein Symbol für mehr Toleranz zwischen den Religionen. Ein
ökumenisches Treffen im Erzbischöfliches Haus und ein
Gespräch mit Vertretern der Muslime waren ebenso Teil des
Papstbesuches. Im Mittelpunkt aber stand die Begegnung mit den
jungen Menschen.
DDie Erwartung darauf, wie sich Papst
Benedikt XVI. - von Hause aus Wissenschaftler und ein eher
zurückgezogener "Arbeiter" - in seine neue Rolle hineinfinden
würde, wenn er mit so vielen Jugendlichen kommunizieren und
sie motivieren müsste, war groß. Ein Fernsehreporter
formulierte treffend: Die Zuneigung der Jugendlichen trägt ihn
durch die Straßen. Jubel wie für einen Popstar. Er
verließ sein "Papamobil" früher als geplant, als er nach
der Flussfahrt das Festland erreichte und sich in das "Goldene
Buch" der Stadt eingetragen hatte, er nannte die Jugendlichen
mehrfach "Freunde". Von Anfang an hatte er deutlich gemacht, dass
er keine Begegnung unter einer "Käseglocke" wollte. Das hat
Papst Benedikt wahr gemacht. Diese Reise zu und mit den jungen
Pilgern, eine Art Bewährungsprobe, hat er wohl bestanden. Der
Pontifex wirkte offen und gelöst, und er schien auch umgekehrt
von den Jugendlichen etwas zu empfangen. Seine Rede vor dem Dom war
von großer Zuneigung zur Metropole im Westen Deutschlands
gekennzeichnet. Er ließ die lange Geschichte der katholischen
Kirche in der Stadt in wenigen Ausschnitten Revue passieren. Es war
eine kleine Hommage an Köln. Doch es gab auch kritische
Stimmen, weil er die große schwule und lesbische Gemeinde, die
dort lebt und für die die Stadt auch steht, mit keiner Silbe
erwähnte.
Es war ein Glaubensfest der Extreme, nicht
nur was die Zahlen, sondern auch was die Art und Weise betrifft,
Glauben zu leben. Extrovertiertheit im öffentlichen Raum bis
hin zu den Eröffnungsgottesdiensten unter freiem Himmel in
drei Städten, Introvertiertheit bei den Katechesen, den
Unterweisungen in Glaubensfragen und christlicher Lebensweise an
248 Orten in 30 Sprachen. Die Bischöfe referierten, jeder
konnte für sich alleine nachdenken, aber auch Fragen
stellen.
Suche nach Integrationsfigur
Auch die Domwallfahrt vorbei am Schrein der
Heiligen Drei Könige, die allen Pilgern und Pilgerinnen
möglich war, zählte zu den Katechesen. Der Glaube auf
diesem Jugendtreffen mit Teilnehmern aus aller Welt unter dem Thema
"Wir sind gekommen, um IHN anzubeten" zeigte sich in ganz
verschiedenen Ausdrucks- und Verhaltensformen. Wie stark dieser
unter den jungen Menschen wirklich verankert ist, lässt sich
daran allerdings nicht ablesen. Was dieser Weltjugendtag aber
vermittelt hat, ist die Suche und die Sehnsucht junger Menschen
nach einer Integrationsfigur, aber vor allem nach Gemeinschaft und
Solidarität. Offenbar gibt es einen stärkeren Zuspruch
zum Glauben als noch vor zehn Jahren. Glaube und Nähe zur
Kirche sind bei den Jugendlichen jedoch nicht dasselbe. Und da
junge Leute natürlich Fragen zur Sexualität stark
beschäftigen, gibt es sicher auch hier widerstreitende
Positionen. Karl Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, scheute das Thema nicht. Die Kirche laufe
Gefahr, in diesem Bereich nicht mehr gehört zu werden und
damit abgemeldet zu sein. Dieses Thema ist wichtig, allerdings
nicht immer vordergründig.
Viel entscheidender war, was der Papst den
Jugendlichen auf ihrer spirituellen Reise mit auf den Weg geben
würde. Ganz grundsätzlich, so hatte er schon im Vorfeld
formuliert, wünschte er sich von den Feiern "einen Impuls
für einen alten Kontinent".
Dass er auf dem Rheinschiff seine Rede in
fünf Sprachen hielt, beförderte sicher die Aufmerksamkeit
der jungen Zuhörer. Papst Benedikt forderte die Jugend auf,
sich auf christliche Werte zu besinnen. "Reißt Euer Herz weit
auf für Gott, lasst Euch von Christus überraschen", rief
das Oberhaupt der katholischen Kirche Hunderttausenden am Ufer
Versammelten zu. "Wer Christus in sein Leben eintreten lässt,
verliert nichts - absolut nichts von dem, was das Leben frei,
schön und groß macht. Nein, nur in dieser Freundschaft
erschließen sich wirklich die großen Möglichkeiten
des Menschsein", betonte der Papst. Er lud die Jugendlichen ein,
sich "rückhaltlos dem Dienst Christi zu widmen, koste es, was
es wolle".
Er machte deutlich, dass es "schön ist,
ein Christ zu sein" und nicht "etwas Mühseliges und
Belastendes". Ausdrücklich begrüßte der Papst in
seiner Rede auch diejenigen unter den Zuhörern, die nicht
getauft und in der Kirche nicht zu Hause seien. Er erinnerte daran,
das Johannes Paul II. gerade an diese Menschen eine besondere
Einladung gerichtet hatte. Denn das Miteinander auf dem
Weltjugendtag biete die Möglichkeit, die Kirche als einen Ort
der Barmherzigkeit und der Freude zu erfahren. Von dieser Freude
und dem Völker verbindenden Charakter der Veranstaltung war
sehr viel zu spüren in Köln.
Eine wichtige Botschaft dieses 20.
Weltjugendtages wird auf jeden Fall bleiben. Bundespräsident
Horst Köhler brachte sie bei der Begrüßung so auf
den Punkt: " Gerade in diesen Zeiten, in denen viele Menschen Angst
haben vor Terror und vor Gewalt, die aus angeblich religiösen
Motiven verübt wird, ist es gut, Glaube und Religion als Wege
zu Frieden und Menschlichkeit zu erfahren."
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