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Robert Luchs
Wenn das Operationsbesteck Rost ansetzt
Ein deutscher Arzt arbeitet unter
ungewöhnlichen Umständen im tansanischen Tanga
Die Schere ist vor wenigen Tagen zerbrochen, die Instrumente
sind stumpf und das restliche Operationsbesteck setzt zunehmend
Rost an. Die Bedingungen, unter denen Dr. Peter Hellmold operiert,
sind katastrophal. Ein deutsches Krankenhaus könnte unter
diesen Umständen nicht einen Tag länger betrieben werden,
doch was dem Besucher aus Deutschland schier unfassbar erscheint,
ist Alltag in Tanga, etwa 300 Kilometer nördlich von Tansanias
Metropole Daressalam gelegen. Die Zustände im
Bombo-Krankenhaus sind dabei noch nicht einmal symptomatisch
für das ostafrikanische Land - in vielen Regionen sieht es
noch viel schlimmer aus.
Der deutsche Chirurg Peter Hellmold hält durch, nicht wegen
seines zweijährigen Vertrages, sondern weil er hier eine
Aufgabe hat. Eine Aufgabe, die ihn Tag für Tag, Nacht für
Nacht vor größte Herausforderungen stellt. Aber Hellmold
hat sichtbare und greifbare Erfolge, trotz des unvorstellbaren
Elends, der haarsträubenden hygienischen Bedingungen und der
Not, die ihm tagtäglich begegnet. Seine Patienten haben oft
mehrere Tage der Anreise hinter sich, sie kommen voller Hoffnung
und Vertrauen in die Kunst der Ärzte im Bombo-Hospital. Es
sind Ärzte, die zum Teil selbstständig, zum Teil auch
unter Anleitung des deutschen "Daktari" tätig sind.
Wenn tropischer Regen fällt, dann dringt das Wasser durch
die Decke in den OP-Raum. Es tropft in die Lampen, auf deren Licht
der Chirurg angewiesen ist, es rinnt auf die Instrumente und
durchnässt die Patienten. Das tropische Klima hat Decken und
Wände feucht und schimmelig werden lassen, der
Operations-tisch widersetzt sich allen Versuchen, nach oben oder
unten gefahren zu werden - er ist endgültig blockiert, so dass
die Chirurgen in immer gleicher Position ihre schweirige Arbeit
verrichten müssen.
Die Bettenzimmer - schmucklose Räume - sind nur mit dem
Allernotwendigsten ausgestattet. Immerhin liegt jeder Patient in
seinem eigenen Bett, nicht so wie in manchen Hospitälern
Afrikas, wo sich bis zu drei Kranke ein Bett teilen müssen und
die Mahlzeiten auf dem Boden eingenommen werden. Verwandte der
Patienten, die für das Essen sorgen - die Hospitalküche
ist vor einiger Zeit geschlossen worden -, sitzen auf den Betten.
Das Essen besteht oft aus eintönigem, nährstoffarmem
Maisbrei, dem so genannten "Ugali".
Die gesamte Region Tanga mit über einer Million Einwohnern
gehört zum Einzugsgebiet des Kranken-hauses, das leider nicht
die breite Palette von Gesundheitsdienstleistungen anbietet, die es
anbieten sollte. Mitarbeiter sprechen respektvoll vom "deutschen
Krankenhaus", und in der Tat war es das erste von der deutschen
Kolonialverwaltung vor rund 110 Jahren errichtete Hospital in
Afrika. Dieses später "Cliff Block" genannte Gebäude
wurde noch bis vor wenigen Jahren genutzt.
Ob das baufällige Gebäude restauriert wird, ist vor
allem eine Kostenfrage, und Mitarbeiter, denen in erster Linie das
Wohl der Patienten am Herzen liegt, fragen sich, ob die für
die eine gründliche Sanierung des Gebäudes erforderlichen
Mittel in Millionenhöhe nicht sinnvoller ausgegeben werden
sollten. Zumal nicht geklärt ist, wer für die Erhaltung
des Gebäudes nach einer Restaurierung aufkommen
würde.
Allerdings steht die Renovierung, so sie denn kom-men wird,
nicht im Zusammenhang mit dem kürzlich gestarteten
Rehabilitationsprogramm für das Bombo Hospital sowie
Gesundheitszentren und kleinere Hospitäler in den sechs
Distrikten der Region, die von der in Frankfurt ansässigen
Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert wird. Das Programm
umfasst insgesamt einen Betrag von 5 Millionen Euro, davon geht
eine Million an das Bombo-Hospital.
Hellmold, über die Organisation CIM (Centrum für
Internationale Migration und Entwicklung) nach Tanga entsandt,
operiert, bildet aber auch seine tansanischen Kollegen aus und ist
darum bemüht, effizientere Arbeitsabläufe im Krankenhaus
einzuführen. Die HIV/Aids-Epidemie, die bereits sieben Prozent
der 36 Millionen Tansanier erfasst hat, stellt das Team von
Hellmold in jüngster Zeit vor wachsende Herausforderungen. Es
sind ja nicht nur immer mehr aidskranke Patienten, die versorgt
werden müssen, sondern zunehmend auch das erkrankte Personal.
Dabei ist es ein Segen, dass die Stadt Tanga über eine intakte
Wasserversorgung und vor allem sauberes Trinkwasser verfügt.
Denn auf dem Land lassen sich Kranke um so schlechter versorgen, je
unzureichender die sanitären Verhältnisse sind.
1999 wurden in Tansania 670.000 Kinder gezählt, die durch
Aids zu Waisen wurden. Nuru ist einer von ihnen. Der
18-Jährige lebt mit seinen beiden jüngeren Geschwistern
bei seiner Großmutter. Er hat das Leiden seiner Eltern
miterlebt und weiß, was diese Krankheit bedeutet. Daher ist es
wichtig, dass sich die Menschen einem HIV-Test unterziehen. Dieser
Meinung ist auch Naghenjwa. Sie hat sich bei ihrem Mann angesteckt.
"Er wollte nicht glauben, dass er diese Krankheit hatte. Meine
Schwiegereltern sind bis heute der Meinung, dass ich meinen Ehemann
verflucht und seinen Tod verursacht habe", stellt sie traurig fest.
Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie erfuhr, dass ihre beiden
Kinder HIV-negativ sind. Trotzdem treibt sie die Sorge um, wer
für ihre Kinder sorgen wird, wenn sie nicht mehr da sein
wird.
So katastrophal Aids für Tansania, seine Menschen und seine
wirtschaftliche Prosperität auch ist, so schieben sich andere
Krankheiten wieder in den Vordergrund; zum Beispiel die
überwunden geglaubte Tuberkulose. Und gerade bei den Armen in
ihren Hütten ist die Malaria eine der größten
Gefahren, werden die Menschen doch nachts oft mehrere hundert Male
gestochen, wodurch die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, viel
höher ist als bei jenen, die in festen Häusern wohnen und
Moskitonetze besitzen.
Durch die Globalisierung sei das sozio-ökonomische
Gefälle auch in Tansania deutlich größer geworden,
diagnostiziert der deutsche Arzt: "Die marginalisierten
Bevölkerungsgruppen leiden im Grunde immer noch an den
Krankheiten, an denen sie schon immer gelitten haben",
unterstreicht Hellmold. Die Gesamtlast der Krankheiten der armen
Bevölkerungsteile sei ver-mutlich nicht gesunken.
Prävention allein werde die Probleme nicht lösen, daher
sei es falsch, wenn Heil-behandlungen und der rehabilitative
Bereich des Ge-sundheitssektors als zu teuer angesehen würden.
Hellmolds Fazit: "Wir sollten nicht von den
Entwicklungsländern verlangen, was wir im Westen nicht in der
Lage sind, zu erreichen."
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