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Konrad Ege
Mit Gott und der Bibel auf dem Weg ins
Parlament
USA: Der Vormarsch der christlichen
Rechten
Der bittere Streit um das Schicksal der Wachkoma-Patientin Terri
Schiavo hat in den USA ein Schlaglicht auf den Einfluss jenes
Bevölkerungskreises geworfen, den man gemeinhin als
"christliche Rechte" oder "die Fundamentalisten" bezeichnet: Aus
Glaubensgründen konservativ orientierte christliche
Bürger, die Sturm liefen gegen die Entscheidung des - wie man
kopfschüttelnd vermerkte, inzwischen mit einer anderen Frau
zusammenlebenden - Ehemannes der Patientin, nach 15 Jahren deren
künstliche Ernährung einzustellen. Prominente
Republikaner, einschließlich des Präsidenten, beschlossen
daraufhin ein neues, letztendlich freilich wirkungsloses Lex
Schiavo, um seine Entscheidung rückgängig zu machen.
Man kann nicht in die Herzen der Politiker sehen. Bei einigen
besteht der Verdacht auf Scheinheiligkeit. So hatte Präsident
George W. Bush 1999 als Gouverneur von Texas ein Gesetz
unterschrieben, das Krankenhäusern erlaubte, bei Komapatienten
ohne Zustimmung der Angehörigen lebenserhaltende
Maßnahmen zu stoppen. Bemerkenswert ist, dass die Republikaner
bei Frau Schiavo die Wiederaufnahme der Ernährung erzwingen
wollten, obwohl die Mehrheit der US-Bevölkerung eine
Regierungsintervention ablehnte: Bush und Co. kümmerten sich
weniger um die Mehrheit; sie stellten sich auf Seiten derer, die zu
den verlässlichsten republikanischen Stimmengebern
zählen: die christlichen Rechten.
Zwei neue Bücher, Josef Bramls "Amerika, Gott und die Welt"
und Thomas Franks aus dem Amerikanischen übersetztes "Was ist
mit Kansas los?" bieten Orientierungshilfen, um dieses
rechtschristliche Phänomen besser verstehen zu können.
Barmls Buch wird auf der Rückseite als "eine geradezu
prophetische Studie" gelobt. Das mag etwas übertrieben sein -
"Amerika, Gott und die Welt" liefert den Lesern auf 159 Seiten aber
eine nützliche Übersicht, wer sie sind, diese
konservativen Verbände, die vorgeben, Amerika auf geradezu
prophetische Weise zu seinen angeblich christlichen Ursprüngen
zurückzuführen. Braml erläutert die Namen der in
Deutschland oft unbekannten Führer und Verbände, von der
"Christlichen Koalition" bis zu "Focus on the Family" und von Gary
Bauer bis Wendy Wright. Gelegentlich fällt der Autor freilich
Hochstaplern zum Opfer, etwa wenn er schreibt, die "Christliche
Koalition" habe "über 1.500 Zweigstellen".
Was als "Zweckehe" der Republikaner mit den gut organisierten
rechten Kirchen, Predigern und Verbänden begann, habe
inzwischen die Partei umgeformt und instrumentalisiert: Bei
sozialen Fragen, im "Kulturkrieg" und, wie Braml zu erklären
versucht, auch in der Außenpolitik. Für rechtschristliche
Verbände sei "Israels Wohlergehen" eine Frage der nationalen
Sicherheit und dazu noch biblisch gewollt. Das "politische Gewicht"
der christlichen Rechten begrenze "den Handlungssspielraum George
W. Bushs in zentralen außenpolitischen Feldern, vor allem in
der Nahostpolitik". Es sei zu befürchten, diese "Konstellation
amerikanischer Politik könnte den transatlantischen Graben
künftig noch weiter aufreißen".
Wer sich in Deutschland über den Erfolg der Republikaner in
den USA wundert, sollte unbedingt Thomas Franks "Was ist mit Kansas
los? Wie die Konservativen das Herz von Amerika eroberten" lesen.
Der Journalist Frank, selber aufgewachsen in diesem
landwirtschaftlich orientiertem Bundesstaat im geografischen
Zentrum der Nation, erklärt den Lesern, warum selbst
einkommensschwache US-Bürger Republikaner wählen und
gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen stimmen. In diesem
lebhaft und mit Witz geschriebenen Buch lernt man Menschen kennen,
deren Dörfer und Städte wegen des Wirtschaftsprogrammes
der Regierung und der Macht des Agro-Business zu Grunde gehen, und
die dennoch für diese Partei stimmen, die die Landwirtschaft
entreguliert.
In der Republikanischen Partei sind rechte Aktivisten an die
Macht gekommen, die sich als Bewegung verstehen. Die den
Bürgern - und in den USA spielt Religion für viele
Menschen eine wichtige Rolle - ein Gefühl der Gemeinschaft und
des gemeinsamen Glaubens anbieten, und die Widerstand leisten gegen
die wie auch immer geartete soziale und kulturelle "Elite". Unter
dem populistischen Deckmantel vertreten sie allerdings die
Interessen der wirtschaftlichen Elite. Verantwortlich für
diese Entwicklung sind nach Ansicht Franks nicht nur die gut
organisierten rechten Aktivisten und ihre Geldgeber. Versagt
hätten auch die Liberalen und die Demokratische Partei, die
nicht in der Lage seien, den Widerspruch zwischen volksnaher
Rhetorik und Wirtschaftspolitik zu Gunsten der Oberen Zehntausend
aufzudecken. Zum Beispiel lehnten etwa jene, die für Frau
Schiavo "kämpften", gleichzeitig eine staatliche
Krankenversicherung ab.
Führende Demokraten hätten ihre Partei vielmehr dazu
gedrängt, die "Blue Collar-Wähler" und deren
wirtschaftliche Belange zu vergessen und sich "stattdessen um die
wohlhabenden White collar-Wähler zu bemühen, die in
gesellschaftlichen Fragen liberal eingestellt sind". Die Partei hat
die "Arbeiterklasse", ihre Stammwähler, auf das Abstellgleis
gestellt. Hoffnung auf eine Trendwende weckt "Was ist mit Kansas
los" nicht sehr, oder eigentlich überhaupt nicht.
Josef Braml
Amerika, Gott und die Welt.
Matthes &Seitz, Berlin 2005;159 S., 14,90 Euro
Thomas Frank
Was ist mit Kansas los? Wie die Konservativen das Herz von
Amerika eroberten.
Berlin Verlag, Berlin 2005; 302 S., 19,90 Euro
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