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Johanna Metz
"Wie haben sie dir zugerichtet!"
Der Alexanderplatz wird 200: Eine Ausstellung
zeigt jetzt seine Geschichte
Alexanderplatz, teurer Alex, wie haben sie dir zugerichtet ...
Die Berolina haben sie dir geklaut, schön grün war?s in
der Mitte, jetzt gibt's nur Bauzäune und Löcher." Als
Alfred Döblin, Autor des legendären Romans "Berlin
Alexanderplatz", im Januar 1929 diese Zeilen in einer Berliner
Tageszeitung verfasst, steht am Alex kein Stein mehr auf dem
anderen: Riesige Dampframmen wuchten Schienen für die neuen
U-Bahnlinien in die Erde, gleich neben dem Kaufhaus Tietz entstehen
zwei neue Gebäude, acht Geschosse hoch. Wo einst das Pflaster
war, liegen jetzt Holzbretter, auf denen sich die
Fußgänger von Baugrube zu Baugrube schlängeln.
Das sieht heute, 75 Jahre nach dem großen Umbau, kaum
anders aus: Gerade wird das Kaufhaus entkernt und erweitert, die
Behrensbauten werden saniert. Bis zur Fußball-WM 2006 soll der
Platz neu gepflastert und beleuchtet werden. Der Alex bekommt ein
neues Gesicht - wieder einmal. "Der Alexanderplatz hatte immer
einen sehr kantigen Charakter", beschreibt der Historiker Alexander
Schug die spezielle Atmosphäre. "Er war immer im Werden, nie
glamourös. Vor allem aber war und ist er ein Platz des
Volkes."
Weil der im November diesen Jahres sein 200-jähriges
Jubiläum als "Alexanderplatz" feiert, hat Schug gemeinsam mit
vier Geschichtsstudenten der Humboldt-Universität Berlin die
wechselvolle Geschichte des Platzes aufgearbeitet - auf 20
großen Plakaten, die die Studenten zusammen mit einer
Werbeagentur entworfen haben. In großen Glasvitrinen sind sie
jetzt in einer Art "Open-Air-Galerie" auf dem Alexanderplatz
ausgestellt. Die Motive im Stil von Werbetafeln haben die Fünf
ganz bewusst ausgewählt: "Die Plakate sollen ein Eye-Catcher
sein. Deshalb haben wir uns für die werberische Gestaltung
entschieden. Die Texte sind kurz und sollen den Vorbeigehenden
Anreize geben, sich weiter zu informieren."
Doch schon so erfährt man auf den Plakaten eine ganze Menge
über die Geschichte des Platzes. Die nämlich beginnt im
17. Jahrhundert mit einem Viehmarkt. Damals heißt der Platz
noch "Ochsenplatz" und beherbergt unter anderem die wichtigste
Wollmesse Preußens. Erst 1805, nach dem Berlin-Besuch des
russischen Zaren Alexander I., wird er umbenannt in
"Alexanderplatz". Knapp 80 Jahre später entwickelt sich der
Alex zum Handels- und Verkehrszentrum und wird durch den Bau des
Stadtbahnhofs Berlins Umsteigeplatz Nummer Eins. 1913 wird die
erste U-Bahnlinie eingeweiht. Doch allem Aufschwung zum Trotz
herrscht im angrenzenden Viertel bitterste Armut: 50.000 Menschen
leben hier unter katastrophalen Bedingungen in nasskalten
Mietskasernen. Während sich am Ku'damm in den Goldenen
Zwanzigern das Bürgertum in Tanzrevues vergnügt, machen
sich auf dem Alex Prostitution und Organisierte Kriminalität
breit. In der Not dient im Krieg die Grünfläche in seiner
Mitte als Anbaufläche für Rüben.
1945 wird ein Großteil des Platzes zerstört und erst
1967 wieder aufgebaut. Fernsehturm, Weltzeituhr, das Interhotel
Berlin und der Brunnen der Völkerfreundschaft - von den
Berlinern "Nuttenbrosche" genannt"- entstehen, der Alex wird zum
beliebten Treffpunkt und zum Wahrzeichen der Hauptstadt der DDR.
Während ihres Niedergangs aber wird der Platz einmal mehr zum
Schauplatz der Geschichte: Am 4. November 1989 findet hier die
größte Demo der deutschen Nachkriegsgeschichte statt.
Tausende protestieren friedlich gegen die Regierung der DDR.
Verändert hat sich die Optik des Platzes seither nicht mehr
so sehr. Geht es aber nach den Plänen des Berliner Senats,
wird der Starchitekt Hans Kollhoff hier in den nächsten Jahren
eine moderne Skyline errichten. Für Geschichtsstudent Robert
Liebscher eine traurige Vorstellung: "Es ist ja schön, wenn
der Platz sich weiterentwickelt, aber hier will man ein Stück
Ost-Identität einfach so wegmachen. Wenn davon in zehn,
fünfzehn Jahren nichts mehr zu erkennen sein soll, wäre
das wirklich schade".
Die Ausstellung der Studenten ist noch bis 2. November auf dem
Berliner Alexanderplatz zu sehen.
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