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Günter Pursch
Die Würfel sind gefallen - aber für
wen?
Bundestagswahl 2005: Keine Mehrheit für
Rot-Grün oder Schwarz-Gelb - Linke.PDS in
Totalopposition
Deutschland hat gewählt. Mit der von
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) herbeigeführten
vorgezogenen Neuwahl am 18. September verliert die rot-grüne
Koalition die parlamentarische Mehrheit im Bundestag. Schwarz-Gelb
- also CDU/CSU und FDP - kann die über Wochen vorher von den
Meinungsforschungsinstituten prognostizierte Regierungsmehrheit
nicht erreichen. Die Linkspartei - die in den neuen
Bundesländern den Zusatz PDS führt - kann dagegen in
Fraktionsstärke wieder in den Bundestag einziehen, aus dem sie
2002 wegen des deutlichen Nichterreichens der
Fünf-Prozent-Hürde herausgefallen war. Während SPD
und Union ziemlich herbe und Grüne geringe Stimmenverluste
hinnehmen müssen, können FDP und Linkpartei.PDS
beträchtliche Zugewinne verzeichnen.
Nach dem vorläufigen amtlichen
Endergebnis entfielen auf die CDU/CSU 35,2 Prozent (2002: 38,5
Prozent). Für die SPD stimmten 34,3 Prozent (38,5). Ihr
bisheriger Koalitionspartner, die Grünen, kamen auf 8,1
Prozent (8,6). Die FDP verbesserte sich stark auf 9,8 Prozent
(7,4). Die Linkspartei.PDS mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine und
Gregor Gysi erreichte 8,7 Prozent (2002 PDS: 4,0). Die
Wahlbeteiligung lag bei 77,7 Prozent (2002: 79,1). Im Wahlkreis 160
(Dresden) muss wegen des Todes einer Direktkandidatin am 2. Oktober
nachgewählt werden. Im neuen Bundestag werden 613 Abgeordnete
arbeiten: Die CDU/CSU stellt mit 225 Mandaten (davon 149 direkt)
nach 1998 wieder die stärkste Fraktion. Die SPD folgt knapp
mit 222 (145) Mandaten auf Platz zwei. Die FDP erreicht mit 61
Abgeordneten den dritten Rang. Die Linkspartei überholt mit 54
Sitzen (3) die Grünen, die mit 51 (1) Abgeordneten in das
Parlament einziehen. Die 15 Überhangmandate verteilen sich mit
neun auf die SPD - 1 in Hamburg, 3 in Brandenburg, 4 in
Sachsen-Anhalt und 1 im Saarland - und sechs auf die Union - je 3
in Sachsen und Baden-Württemberg. Es ist nach 1949 das erste
Mal, dass kein politisches Lager im Deutschen Bundestag eine
Mehrheit gewinnen konnte.
Deutschland hat mehrheitlich links
gewählt. Aber mit diesem Ergebnis haben die Wähler die im
Bundestag vertretenen Parteien vor nur schwer zu lösende
Probleme gestellt. Die Lager von Rot-Grün und von Schwarz-Gelb
haben jeweils keine Mehrheit. Mit der Linkspartei.PDS will keine
andere Partei im Bundestag zusammenarbeiten. Wie sie auch selbst
nach Aussagen führender PDS-Politiker mit einer anderen
Formation im Parlament weder koalieren noch sie tolerieren will.
Totalopposition ist von den Linsksozialisten angesagt.
Trotz des schlechten Abschneidens der
Sozialdemokraten fühlte sich Bundeskanzler Schröder noch
am Wahlabend "bestätigt, für unser Land dafür zu
sorgen, dass es auch in den nächsten vier Jahren eine stabile
Regierung unter meiner Führung geben wird". Niemand außer
ihm selbst sei "in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden",
erklärte er dem staunenden Fernsehpublikum. Aber wie soll das
geschehen?
Als Mehrheitsbeschaffer können für
SPD und Union nur FDP und Grüne gemeinsam dienen. Der
FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hatte jedoch bereits im Wahlkampf
immer betont, dass eine Ampel - also Rot, Gelb und Grün - mit
seiner Partei keinesfalls in Betracht kommt. Diese Linie wird von
den Liberalen auch nach der Wahl strikt verfolgt. Sie lehnen selbst
Sonderungsgespräche mit den Sozialdemokraten ab.
In eine große Koalition will die SPD nur
unter der Führung Schröders eintreten. Denn - so sagen
führende Sozialdemokraten - schließlich sei sie als die
stärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen. CDU und CSU
müssten getrennt betrachtet werden. Koalitionsverhandlungen
führten die Parteien und nicht die Fraktionen. Ein
Bündnis mit der Union unter Führung von Angela Merkel als
Bundeskanzlerin schloss Schröder ausdrücklich aus. In
eine Koalition unter Führung von Schröder werde die CSU
nicht eintreten, erklärte wiederum deren Parteichef Edmund
Stoiber. Zu ersten Sondierungsgesprächen wollten die
Führungen von Union und Sozialdemokraten am 22. September -
nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe - zusammenkommen.
Seit dem Wahlabend macht jedoch eine neue
Wortschöpfung im politischen Berlin die Runde:
"Jamaika-Koalition". Nach den Farben der Landesflagge des
Karibik-Staates ist ein Bündnis von Schwarz, Gelb und
Grün gemeint. Gerade wegen heftiger Auseinandersetzungen
zwischen den Grünen und der FDP in der Vergangenheit und
insbesondere im zurückliegenden Bundestagswahlkampf sind
Gespräche zwischen diesen Parteien jedoch nicht eingeplant.
Die politischen Gegensätze sind einfach zu groß. Union
und Grüne wollen am 23. September "ernsthaft" miteinander
reden. Am Tag zuvor wird es Gespräche zwischen der Union und
der FDP geben. Es wird sicherlicher nicht einfach, die gerade
zwischen Union und FDP einerseits und Grünen andererseits
bestehenden Meinungsverschiedenheiten auf gemeinsame Nenner zu
bringen. Deshalb hält die Grünen-Spitze auch das
Zustandekommen eines "Jamaika-Bündnisses" für sehr
unwahrscheinlich.
In dieser doch recht unübersichtlichen
Situation formierten sich schneller als ursprünglich
vorgesehen die Fraktionsführungen von CDU/CSU und SPD, um
demonstrativ gestärkt in die bevorstehenden Gespräche und
Verhandlungen gehen zu können. Unions-Kanzlerkandidatin Angela
Merkel erhielt am 20. September trotz ihres schwachen Abschneidens
bei der Bundestagswahl überragende 98,6 Prozent ihrer
Fraktionskolleginnen und -kollegen. Sie erhielt 219 von 222
abgegebenen Stimmen.
Im Amt bestätigt wurde auch
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Auf ihn entfielen 39 (88,6
Prozent) von 44 Stimmen. Auch der SPD-Vorsitzende Franz
Müntefering wurde in seinem Amt als Fraktionsvorsitzender mit
95,2 Prozent deutlich bestätigt. 200 von 210 SPD-Abgeordneten
votierten für ihn.
Überraschend verzichtete der
Außenminister und Spitzenkandidat der Grünen, Joseph
Fischer, auf den Fraktionsvorsitz. Er wird sein Bundestagsmandat
jedoch annehmen. Für den Fraktionsvorsitz wollen die
bisherigen Amtsinhaber Katrin Göring-Eckhardt und Christa
Sager aber auch die Noch-Minister Renate Künast und
Jürgen Trittin sowie der Wahlkampfmanager der Partei, Fritz
Kuhn, kandidieren.
Im Streit um den Fraktionsvorsitz bei den
Freien Demokraten sprach sich FDP-Vize Andreas Pinkwart für
Parteichef Guido Westerwelle aus. Aus der FDP-Fraktion hieß es
dagegen, Wolfgang Gerhardt wolle selbst bestimmen, ob und wann er
das Amt abgebe.
Bundespräsident Horst Köhler
hält eine Regierungsbildung trotz der schwierigen
Ausgangsbedingungen für machbar. "Ich glaube, eine Lösung
ist möglich", sagte er am 21. September in Berlin. Jetzt seien
die Parteien am Zuge, sie sollten nachdenken. "Aber jetzt sollten
wir ihnen auch die Ruhe geben und die Zeit, dieses auszuarbeiten."
Zum Anspruch von Kanzler Gerhard Schröder, die Regierung zu
bilden, wollte sich Köhler nicht äußern: Man werde
"sicherlich nicht erwarten, dass ich das jetzt
kommentiere".
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