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Thomas Veser
"Endlich gehörte das Land uns"
In Südafrika sollen mehr Schwarze
Landbesitzer werden
Im Schatten einer steilen Felswand kauern die
bescheidenen Wohngebäude von Phiring, einer typischen
Landgemeinde im Norden der Provinz Mpumalunga. "Platz, an dem die
Sonne aufgeht", lautet die deutsche Übersetzung dieses
Begriffes aus der Swazi-Sprache; er bezieht sich auf einen der
fruchtbarsten und regenreichsten Landstriche im Osten
Südafrikas. Während im höher gelegenen Highveld
vornehmlich Getreide angebaut wird, kultiviert man im subtropischen
Lowveld Gemüse und Obst. Rund ein Drittel der
südafrikanischen Orangenproduktion stammt aus Mpumalanga, wo
knapp drei Millionen Menschen leben.
Während ihres Zuges vom Kap in Richtung
Norden ließen sich dort im 19. Jahrhundert weiße
Landwirte nieder, sie tauften die Landschaft Ost-Transvaal und
gründeten Städte mit Namen wie Ohrigstad, Burgersfort
oder Machadodorp. Die weiße Minderheit brachte allmählich
riesige Agrarflächen in ihren Besitz; die ursprünglich
dort lebenden Schwarzen wurden zwangsumgesiedelt.
Seit dem Ende der Apartheid ändern sich
die Besitzverhältnisse langsam. So sind die 411 Familien der
Gemeinde Phiring vor sieben Jahren Eigentümer des Landes
geworden, auf dem sie sich bis zu diesem Zeitpunkt als Farmarbeiter
eines weißen Besitzers verdingt hatten. Dieser hatte sich auf
Antrag der Regierung bereit erklärt, seinen Besitz zu
verkaufen. Auf 320 Hektar Acker- und Weideland bauen sie nun
Weizen, Mais, Bohnen und die Futterpflanze Luzerne an und betreiben
Viehzucht.
Den Preis für den Erwerb der Farm
konnten die Kaufwilligen dank eines staatlichen Zuschusses
begleichen, dann gründeten sie zur gemeinsamen Verwaltung ein
Treuhandkomitee, den Noko Development Trust.
Sarel Mokoena ist Direktor des Komitees,
selbstbewusst zeigt er dem Besucher die ausgedehnten
Ländereien. "Endlich gehörte das Land uns", erinnert sich
der hochgewachsene Mann mit den kräftigen Händen an die
Landübernahme. "Allerdings fehlte das Geld. Wir versuchten
unser Glück mit dem Anbau von Paprika, wofür man keine
großen Summen braucht." Dann setzte das Kollektiv auf die
Futterpflanze Luzerne und erschloss einen regionalen Markt. Als der
ersehnte Geldregen dennoch ausblieb, "wurden die Farmer
unzufrieden, sie warfen dem Trust Unfähigkeit vor und wollten
ihn absetzen", erzählt Mokoena.
Mittlerweile haben sich die Wogen
geglättet, die Einnahmen steigen seit Jahren moderat an,
selbst einen neuen Traktor konnte man sich leisten. Die ganze
Bewirtschaftungsfläche wird nun genutzt, jetzt können die
Landwirte endlich ihre Wohnhäuser erweitern. Heute gilt die
Stachelschweinfarm, so die deutsche Übersetzung, als
Vorzeigebeispiel für die gelungene Umverteilung von Farmland
aus weißem Besitz an schwarze Landwirte.
An der Erfolgsstory von Phiring haben die
Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation "The Rural Action
Commitee Mpumalunga" (TRAC) einige Kapitel mitgeschrieben. TRAC
wurde während der Apartheid als Hilfsorganisation für die
auf dem Land lebenden Opfer der Rassenausgrenzung gegründet
und wird durch die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH)
unterstützt.
Heute berät TRAC schwarze Pächter
und Farmer, die sich über den Landerwerb selbständig
machen wollen, verschafft ihnen Zugang zu Krediten und vor allem zu
Weiterbildung. "Denn diese Menschen waren seit jeher daran
gewöhnt, für einen Chef zu arbeiten; wie eine Farm
betriebswirtschaftlich geführt wird und dass man als Besitzer
vielfältige Verantwortung zu übernehmen hat, müssen
sie erst erlernen", bekräftigt TRAC-Mitarbeiter Emile de Kock.
Zwar habe die Regierung 1994 ein ehrgeiziges Landreformprogramm
gestartet; nach dem Landerwerb "lässt die Regierung die neuen
Besitzer jedoch im Regen stehen", fügt de Kock
hinzu.
Deswegen platzt der Traum von der schwarzen
Selbstständigkeit, dem "Black economic empowerment" (BEE), oft
nach wenigen Monaten wie eine Seifenblase. "Schlechtes Management
und Missernten wirken entmutigend und lassen den Schuldenberg
wachsen, am Schluss droht der Konkursverwalter", erläutert de
Kock.
Das größte TRAC-Projekt ist die
Coromandel-Farm, einst im Besitz eines weißen
Multimillionärs, der den 5.852 Hektar umfassenden Betrieb an
seine ehemaligen Arbeiter veräußert hat. Allerdings war
der Preis so hoch ausgefallen, dass sich der Staatszuschuss als zu
gering erwies, "wir mussten einen Bankkredit aufnehmen", klagt
Trustleiter Brian Phokane. Chronischer Geldmangel vereitelt seither
alle Pläne, neue Produktionsmittel anzuschaffen, "wir
können noch nicht einmal das ganze Gebiet voll bewirtschaften,
um Güter anzubauen, nach denen große Nachfrage herrscht,
etwa Blaubeeren, die nach Übersee exportiert werden",
fügt Phokane betrübt hinzu. Mittlerweile sei man schon
froh, wenn das Betriebsjahr mit ausgeglichenen Ergebnissen
abschließe.
Am Rand der Provinzhauptstadt Nelspruit, im
Dorf Cairns trauert Verkaufsmanagerin Mary Nkosi der
Aufbruchstimmung nach dem Erwerb einer 17 Hektar großen
Anbaufläche für Zitrusfrüchte nach. Die Euphorie
habe sich gelegt, als die Landwirte festellen mussten, dass ihnen
der Trust die versprochenen Monatsgehälter in Höhe von
umgerechnet 100 Euro pro Arbeiter nur mit Verspätung und nicht
in erwarteter Höhe auszahlte, erzählt sie.
Dabei hatte das Besitzerkollektiv Coca-Cola
als Abnehmer gewonnen. Mary Nkosi Worten zufolge liefern die
Landwirte ihre Ernte zunächst an eine lokale Fabrik zur
Weiterverarbeitung, diese wiederum versorgt Coca-Cola. Das
Getränkeunternehmen begleicht die ausstehende Rechnung
wiederum direkt bei der regionalen Zitrusfrucht-Kooperative - und
die denkt gar nicht daran, die der Fabrik und den Farmern
zustehenden Beträge zu überweisen. Denn sowohl das
Landwirtekollektiv als auch die Fabrikationsstätte sind bei
der Kooperative seit Jahren bis über beide Ohren verschuldet,
weswegen die eingehenden Beträge als Sicherheit behalten
werden. "Immerhin bietet uns die Kooperative hochverzinsliche
Kredite an", meint Mary Nkosi mit Galgenhumor, "damit wir unsere
Gehälter wenigstens ab und zu bezahlen
können."
Während die frustrierten Zitrusanbauern
von Cairns einer ungewissen Zukunft entgegenblicken, haben die
schwarzen Besitzer der Ebukoshini-Farm die Hoffnung schon fast
aufgegeben. Gegenwärtig ist der Betrieb so hoch verschuldet,
dass er vor dem Konkurs steht. Über Umverteilung waren die 111
Bauern in den Jahren 1996 bis 1997 an 638 Hektar Land gelangt, es
gehörte bis dahin dem weißen Farmer und Tierarzt Pieter
Kieviet (63), der für seinen Besitz als Kaufpreis umgerechnet
etwa 200.000 Euro erhalten hatte. Kieviet, dessen Familie 1936 aus
den Niederlanden nach Südafrika eingewandert war, beteiligte
sich als Angehöriger des daraufhin gegründeten Trust an
der Verwaltung seines ehemaligen Besitzes, dann drehte sich der
Wind. Ein Hochwasser verursachte im Jahr 2000 große
Schäden, das Geld wurde knapp. "Plötzlich war ich der
Prügelknabe, für alles sollte ich verantwortlich sein",
klagt Kieviet. "Die schwarzen Trustangehörigen haben mir
vorgeworfen, ich hätte ihr Geld gestohlen, 2003 haben sie mich
aus dem Trust geworfen", fügt er hinzu.
Man sieht ihm seine Enttäuschung
über das misslungene Experiment deutlich an: "Sie wollten
nicht akzeptieren, dass sie als Besitzer jetzt verantwortlich sind,
und Buschbrände auch um drei Uhr morgens selber löschen,
Zäune flicken und Wasserleitungen wieder instand setzen
müssen", erinnert sich Kieviet, "das sollte alles ich für
sie übernehmen".
Inzwischen hat sich der resignierte Farmer
auch von seiner zweiten Farm getrennt; auf der "Engelsedraai"
(Engelsschlaufe), für die seit 2003 ein Rückgabeantrag
läuft, hat Kieviet bisher 760 Hektar Fläche mit
Blumenzwiebeln, Tomaten, Mais und Soja bewirtschaftet. "Ich wollte
die Farm ja freiwillig zurückgeben, da haben immer Schwarze
gelebt, auf weiteren Streit hatte ich keine Lust", bekennt der
Farmer. Wann die Rückgabe stattfindet, steht jedoch in den
Sternen; da Pieter Kieviet von der zuständigen Behörde
seit zwei Jahren nichts mehr gehört hat, bleibt er in der
"Engelsschlaufe" weiterhin Besitzer auf Zeit.
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