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Karl Klebe
Angst, Frustration und enttäuschte
Hoffnungen
Fragen eines Kindes: Woher kommt der
Hass?
Der 11. September 2001 steht als schreckliches Fanal dafür,
dass es nach zwei Weltkriegen und nach dem Holocaust in unserer
durch technische Möglichkeiten so eng wie nie zusammen
gerückten Welt mehr offene und versteckte Brüche als wohl
je zuvor gibt. Die Vorstellung, die Globalisierung würde dazu
beitragen, mit den ethnischen, religiösen, kulturellen und
sozialen Unterschieden besser umzugehen, ist gescheitert.
An unzähligen Stellen der Welt lodert
flächenbrandartig ein unbändiger Hass auf. Ist noch eine
Umkehr möglich? Der in Marokko geborene, in Frankreich lebende
Schriftsteller Tahar Ben Jelloun versucht seit Jahren, darauf
Antworten zu finden. Für seinen Kinderbuchbestseller "Papa,
was ist ein Fremder?" erhielt er von der UNO den Global Tolerance
Award.
Nun hat er mit seinem neuen Buch einen weiteren Anlauf
unternommen, das Bewusstsein für ein tolerantes Miteinander zu
schärfen. Das Buch richtet sich ebenso an Erwachsene wie an
Jugendliche. In Frage und Antwort zwischen Tochter und Vater
bezieht Jelloun aus historischer Sicht Stellung zu Themen wie
Terrorismus, Fundamentalismus, Rassismus, Antisemitismus und
Unterdrückung von Minderheiten.
Verlust humaner Werte
Es zeichnet das reich illustrierte Buch aus, dass fast
lückenlos alle gegenwärtigen Formen von
Hassausbrüchen weltweit aufgespürt werden. "Wir leben in
einer Zeit großer Verwirrung." Dafür macht der Autor den
allgemeinen Verlust an humanen Werten verantwortlich. Er verurteilt
den auf Intoleranz basierenden Fanatismus islamistischer
Terrorgruppen, brandmarkt die unglaubwürdige Rolle der USA im
Irakkrieg und geißelt Rassismus, Antisemitismus, die
Unterdrückung islamischer Frauen und Homosexueller.
Für den dahinter stehenden Hass sieht Jelloun als Motive
enttäuschte Hoffnungen und Angst. Er will keine komplexen
Antworten zum Thema Hass geben. Dazu fehlt auf den wenigen Seiten
auch der Platz. Als Muslim ist ihm vorrangig daran gelegen,
Vorgänge zu erläutern, die mit der aggressiven Ideologie
des Islamismus zusammenhängen, der vom friedfertigen Islam oft
nicht unterschieden wird. Leider fehlt der vergleichende Blick auf
andere Religionen und Bewegungen. Auf der Strecke bleibt auch eine
klare Aussage dazu, dass der Heilige Krieg des Islam in seiner
Frühzeit durchaus auf Eroberung zielte. Ebenso bleibt
unbeantwortet, weshalb der Terrorismus vor allem ein muslimisches
Phänomen ist.
Unscharf gerät auch der Differenzierungsversuch zwischen
Selbstmordattentätern im Westen, deren Handeln er nicht
nachvollziehen kann, und der Haltung palästinensischer
Selbstmordattentäter, deren Motive er aus der oft starren
Haltung Israels für erklärbar hält. Obwohl die Welt
sichtbar aus den Fugen geraten ist, sieht Ben Jelloun sie noch
nicht verloren. So lautet denn auch sein Credo, dass die Menschen
bei gutem Willen doch zu einem friedlichen Miteinander in der Lage
sein werden.
Tahar Ben Jelloun
"Papa, woher kommt der Hass?"
Gespräch mit meiner Tochter.
Rowohlt Berlin, Berlin 2005; 160 S., 14,90 Euro
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