Kommunikativer Dreiklang
Interview mit EU-Kommissarin Margot
Wallström
Nicht erst seit dem Nein der Franzosen und der
Niederländer ist die Europäische
Öffentlichkeitsarbeit ins Fadenkreuz der Kritik geraten.
Kommissionspräsident Barroso richtete dafür 2004 sogar
eine eigene Generaldirektion ein. Margot Wallström,
Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und
Kommissarin für Institutionelle Beziehungen und
Kommunikationsstrategie bemüht sich seitdem vor allem um eins:
das Gespräch mit den Menschen vor Ort. Vergangene Woche kam
die Schwedin nach Berlin, um bei Politikern und Bürgern
für ihr Konzept zu werben. Zuhören, Kommunizieren und
Kontakte auf lokaler Ebene herstellen sind die Hauptpunkte ihres
"Plans D".
Das Parlament: Frau
Vizepräsidentin Wallström, Sie haben sich mit ihrem "Plan
D" zum Ziel gesetzt, so ein Zitat von Ihnen, "die Meinung der
Menschen über Europa zu ändern". Was ist das neue an
Ihrem Plan?
Margot Wallström: Der Unterschied
ist, dass wir wirklich versprechen, zuzuhören und der EU
sozusagen Ohren verleihen möchten. Früher nannte man das
Information und es ging darum, eine Botschaft an den Mann oder die
Frau zu bringen. Aber ich verstehe Kommunikation in einem viel
weiteren Sinne, und zwar als ein Ziel: Das ist
Demokratie.
Das Parlament: Wer sind dabei Ihre
Verbündeten - die Mitgliedstaaten?
Margot Wallström: Unser
wichtigster Partner sind die Zivilgesellschaften, aber
natürlich auch die nationalen Parlamente und das
Europaparlament. Denn nur gemeinsam kommen wir weiter, indem wir
den Menschen in Diskussionen politische Inhalte vermitteln. Und
dabei müssen aber auch die Regierungen mitziehen.
Das Parlament: Woran denken Sie
dabei?
Margot Wallström: Es sind die
ganz konkreten Probleme, die für die Menschen wichtig sind:
Die Tatsache, dass es zum Beispiel 20 Millionen Arbeitslose in
Europa gibt oder auch unsere Umweltprobleme, die keine nationalen
Grenzen kennen und vieles mehr. All das sind Probleme, auf die
unsere Bürger von der Europäischen Union eine Antwort
erwarten. Nur wenn wir darüber reden und die Menschen
einbinden, können wir auch Legitimität
erreichen.
Das Parlament: Darum dürfte es
auch in Ihrem Buch mit dem Titel "Warum ist es so hart, Europa zu
lieben?" gehen. Hat sich Ihre Antwort auf diese Frage seit Ihrer
Ernennung als Kommissarin für Kommunikation
verändert?
Margot Wallström: Im Grunde gibt
es zwei Ansichten zu Europa: Entweder man denkt, Europa ist
riesengroß und sitzt in jedem Winkel. Dann wird es von den
Menschen als bedrohlich empfunden. Oder es heißt, Europa
kümmere sich selbst um die kleinsten Dinge, die die Menschen
betreffen. Das ist die berühmte Gurke oder Erdbeere, an der
rumgedocktert wird. Und dann wird Europa lächerlich. Selten
wird aber gesagt, was Europa und die EU eigentlich wirklich tun und
das ist ein entscheidender Teil des Problems. Durch diese
Fehleinschätzung und falsche Wahrnehmung ist es sehr schwierig
zu verstehen, wie Europa wirklich funktioniert. Was oft passiert,
ist, dass die Menschen sich unheimlich weit entfernt fühlen
und den Eindruck bekommen, die EU sei das, was Politker irgendwo
abwickeln.
Das Parlament: Was sich auch im
Ergebnis der Referenden zum Europäischen Verfassungvertrag in
den Niederlanden und in Frankreich niedergeschlagen hat. Jetzt
wurde erstmal eine Denkpause verordnet. Worin sehen Sie Ihre
konkrete Aufgabe?
Margot Wallström: Entscheidend
ist, dass in dieser Denkpause das Feedback abgewartet wird. Die
Entscheidungsträger müssen auf die von den Menschen
vorgetragenen oder geäußerten Probleme reagieren. Das ist
die wirkliche Herausforderung. Wenn Du den Menschen zuhörst,
musst Du auch wissen, wie Du mit dem, was Du hörst, nachher
umgehst.
Das Parlament: Als frühere
Umweltkommissarin waren Sie mit ganz konkreten
Gesetzgebungsprojekten befasst. Welche Erfahrungen können Sie
davon auf Ihre Arbeit als Kommissarin für Kommunikation
übertragen, zum Beispiel für die Vermittlung der
Chemikalienrichtlinie REACH?
Margot Wallström: Ich denke, dass
REACH immer noch als eine sehr technische oder juristische Frage
angesehen wird. Aber als ich einen öffentlichen Bluttest
gemacht habe, konnte ich zeigen, dass dieses Thema jeden von uns
etwas angeht, dass all das Gift in unserem Körper zum Alltag
gehört. Das ist für mich eben die Hauptaufgabe: zu
beschreiben, warum europäische Entscheidungen uns alle
betreffen.
Das Parlament: All das kostet nicht
nur Überzeugungskraft, sondern auch Geld. Steht Ihr Budget im
Verhältnis zu Ihrer Aufgabe?
Margot Wallström: Zunächst
muss einmal entschieden werden, dass Geld in entsprechende
Strukturen investiert wird. Strukturen, die erforderlich sind, um
professionell arbeiten zu können. Das bedeutet, wir brauchen
Geld und wir brauchen Stellen. Aber wir brauchen nicht nur mehr
Geld, sondern wir brauchen auch das Verständnis dafür,
dass die Kommunikation in unsere Entscheidungsfindung integriert
werden muss.
Das Parlament: Und ist Ihr Budget denn
konkret erhöht worden?
Margot Wallström: Wir haben 50
Stellen geschaffen und das ist wirklich ein guter Start. Und wir
setzen uns auch beim Europäischen Parlament dafür ein,
dass wir mehr Geld bekommen.
Das Parlament: Sie kümmern sich
nicht nur um die externe, sondern auch um die interne
Kommunikation. Wo sehen Sie hier Ihre Hauptaufgaben?
Margot Wallström: Wir wollen
dafür sorgen, dass jede Generaldirektion auch über die
Kommunikation nachdenkt und sie von Anfang an als Teil ihrer Arbeit
begreift. Wenn wir einen neuen Vorschlag erarbeiten, egal ob
für Steuern, Transport oder auch Umwelt, müssen wir
gleichzeitig darüber nachdenken, ob und wie dieser Vorschlag
verstanden wird. Das heißt, wie können wir den Vorschlag
so präsentieren, dass die Menschen wissen, was es damit auf
sich hat.
Das Parlament: Die Europagemeinde
spricht ja oft eine eigene Sprache...
Margot Wallström: Wir sollten
nicht länger vom Lissabon-Prozess oder den Kopenhagener
Kriterien sprechen. Die Leute denken ja, wir wären ein
Reisebüro und nicht eine politische Gemeinschaft. Daher
sollten wir immer, wenn wir anfangen, über etwas nachzudenken,
auch sofort bedenken, wie wir es kommunizieren
können.
Das Parlament: Gibt es nicht manchmal
Konkurrenz innerhalb der Verwaltung, denn Kommunkation bedeutet
doch auch Macht?
Margot Wallström: Ja, das hat es
auch mal gegeben, aber ich denke, wir haben das inzwischen
überwunden.
Das Parlament: Oftmals wird der
Vorwurf erhoben, unter dem Deck-mantel der Kommunikation
würden Tatsachen verschönt dargestellt.
Margot Wallström: Ich sehe
Kommunikation als ein Menschenrecht an, es ist eine Verpflichtung
gegenüber dem Bürger und ich glaube, die Menschen sind zu
klug, um auf Propaganda hereinzufallen.
Das Interview führte Annette Sach
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