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Das Parlament
Nr. 49 / 05.12.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Sabine Quenot

Bitte nicht ansprechen

Öffentlichkeitsarbeit für Europa in der Fußgängerzone

Der europäische Bürger deutscher Nationalität ist ein ernsthafter Mensch, und er möchte vor allem eins: ernst genommen werden - gerade wenn es um politische Inhalte geht. Angela Joosten weiß das aus ihren vielen Aktionen auf Deutschlands Marktplätzen. "Europa-ist-toll-Veranstaltungen kommen in Deutschland überhaupt nicht an", sagt sie. Seit 15 Jahren arbeitet Joosten im Sinne Europas, zunächst in der Öffentlichkeitsarbeit bei der Europäischen Kommission, dann als Gründerin einer PR-Agentur mit Schwerpunkt Europa und Sitz in Berlin. Beauftragt von der Kommission oder der Bundesregierung konzipiert ihre Agentur Bürgeraktionen und betreut sie auch bei der Umsetzung.

Die heute 42-Jährige war schon dabei, als es um die Vermittlung des Binnenmarktes ging, tourte dann ein paar Jahre mit dem Euro-Zelt durch 100 Städte. Den Europa-Bus stoppte sie 35 Mal, um die Menschen zum Dialog über die Europäische Verfassung einzuladen. Daraus ist aber aufgrund der negativen nationalen Referenden schnell eine Aktion zur EU-Erweiterung geworden. Der Arbeit suchende Pole, diesseits der Oder als Konkurrenz gefürchtet, ist für die Menschen viel konkreter als das abstrakte Verfassungswerk.

Dennoch bleibt es eine Herausforderung, dem Bürger das auch zu vermitteln. Joosten ist gegen zentrale Aktionen aus Brüssel, die für alle Länder ein Einheitskonzept anbieten. "Dann haben Sie die Leute schon verloren". Italiener sprächen eben auf anderes an als Franzosen und Deutsche. Denn "Europa" bedeutet in jedem Land etwas anderes. Sogar die Animositäten gegenüber der EU sind ganz unterschiedlich.

Italiener, Briten und Ungarn schimpfen am schlimmsten über Europa, Holländer und Türken am wenigsten. Europa ist für Europas Bürger weit weg. Das ergab eine Gallup-Umfrage per E-Mail mit dem Titel "Can EU Hear Me" im Jahr 2004. Demnach kommt es noch schlimmer: Auch unfreundlich, bürokratisch, kompliziert, unverständlich, gar mysteriös seien die Institutionen. Die knapp 800 ausgefüllten Antworten aus allen Ländern Europas erheben allerdings kaum Anspruch auf Repräsentativität. Das "Non" und "Nee" oder das "Not now" der Kerneuropäer zur Verfassung zählen dagegen umso mehr. Umfragen in Deutschland kommen meistens zu dem gleichen Ergebnis wie die von Forsa im Juni 2005. Das Meinungsforschungsinstitut ermittelte unter den Befragten 83 Prozent, die meinen, in der EU würden zu viele Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen. Doch wie es scheint, ist die EU manchmal tatsächlich ein bisschen schwerhörig.

Mit dem "Plan D" aus Brüssel soll nun alles besser werden. Wie das Vorhaben mit Leben erfüllt werden kann, steht noch in den zwölf goldenen Sternen. Bisher, so Joosten, haperte es oft an der Umsetzung bei den Vorhaben. Im "Plan D" sieht sie den richtigen Ansatz nach dem "bottom up"-Prinzip - der direkten Kommunikation mit den Menschen vor Ort. Nur im direkten Dialog mit den Menschen sei mehr Akzeptanz zu erreichen und die Erkenntnis, dass Europa tatsächlich was mit jedem zu tun hat.

Bei der Euro-Einführung konnte das noch gelingen, da es um Geld ging und das Interesse für die Münzen groß war. Beim Thema Verfassung ist es schon schwieriger, den Menschen klar zu machen, was das für sie konkret bedeutet. Deshalb hofft Angela Joosten, dass der neue Plan nicht wieder ein Papier von vielen sein wird. Wichtig bei allen Aktionen sei es, dass der Bürger, so Joosten, das Gefühl habe, dass er gehört und seine Meinung auch weiter getragen werde. Schließlich nimmt er sich die Zeit, geht beispielsweise statt in die Kneipe zu einer Veranstaltung "Mitreden über Europa" und trifft dort auf Leute, die wirklich was mit Europa zu tun haben. "Auf bunte Werbeaktionen spricht der Bürger auf der Straße nicht an, sie wollen auch keine Sticker mitnehmen und laufen vorbei." Mit Sympathie oder über Emotionen zu versuchen, Menschen anzusprechen, indem man junge Leute in einheitlichen T-Shirts mit bunten Prospekten losschicke, funktioniere ebenso wenig in Deutschland. Die Erfahrung zeigt aber, dass Menschen in Grenzregionen aufgeschlossener seien und weniger Ängste hätten als man vermutet. So wird die neue EU-Konkurrenz aus dem Osten in Halle mehr gefürchtet als in Frankfurt/Oder.

Und ihre wichtigste Erfahrung: Der Bürger in der Stadt möchte nicht angesprochen werden. "Aber nur da stehen, geht auch nicht!" Um den richtigen Köder auszuwerfen, greift Joosten in die Trickkiste des Marketing: Blickfänge wie Fahnen, Aktionen mit Kindern oder ein Quiz. "Wir machen Angebote mit niedriger Hemmschwelle; am erfolgreichsten waren die offenen Zelte", so Joosten.

Wenn man auf der Straße steht, werde man aber schnell Ansprechpartner für alles mögliche, auch für Politikverdrossenheit, so Joosten. Beschimpfungen kommen auch mal vor, gerade wenn die Bild-Zeitung tagesaktuell über Brüssel wettert. Aber sobald man mit den Menschen darüber redet, wendet sich oftmals das Blatt. "Wenn jemand erst mal von sich aus stehen bleibt, ist es ein interessierter Mensch, gerade wenn es um politische Themen geht." Dann heißt es, Europa aufzuschlüsseln. Dazu organisieren Joosten und ihr Team Begegnungen vor Ort mit "Berufseuropäern", die sozusagen den Kopf hinhalten: EU-Beauftragte der Stadt, Vertreter von EU-Netzwerken, von Hochschulen, EURES-Mitarbeiter vom Arbeitsamt oder Abgeordnete aus dem Europäischen Parlament. Am größten ist das Interesse für "Mobilitätsthemen" wie Reisen, Arbeiten oder Lernen im Ausland. Das Interesse für ein gemeinsames Europa bestehe, so Joosten, nur die Strukturen und Institutionen seien den Menschen nicht ganz geheuer. "Den großen Stimmungsumschwung kann man mit Straßenaktionen nicht erreichen", sagt Joosten. Doch wenn es gelingt, die Lokalzeitung und das Fernsehen erfolgreich einzubinden, weil sie wirklich was zum Berichten haben, dann erreichen sie am Ende doch eine ganze Stadt oder Region.

Anders als bei den Passanten auf dem Marktplatz spielt die konkrete Information über die EU für die kleinen und mittleren Unternehmer eine große Rolle. Diejenigen, die sich an eines der "Euro Info Center" (EIC) wenden, fragen konkrete Dienstleistungen nach. Dieses Netzwerk mit über 300 Stellen in 40 Ländern berät Firmen über den europäischen Markt, Kooperationen und Fördermittel. "Es geht dabei vor allem darum, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen und Hilfe bei den Anträgen zu erhalten", berichtet Hussein Sattaf, in Brüssel für das Netzwerk EIC zuständig. "Denn das ist oft ein komplizierter Wust." Damit wird eine doppelte Funktion erfüllt: Zum einen werden die Bürger informiert. Zum anderen erleben die Menschen in den Informationszentren ganz persönlich, dass Europa ihnen nützt. Eine Erfahrung, die sich durch Luftballons und bunte Prospekte in der Fußgängerzone nicht ersetzen lässt.

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