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Sabine Quenot
Bitte nicht ansprechen
Öffentlichkeitsarbeit für Europa in
der Fußgängerzone
Der europäische Bürger deutscher Nationalität ist
ein ernsthafter Mensch, und er möchte vor allem eins: ernst
genommen werden - gerade wenn es um politische Inhalte geht. Angela
Joosten weiß das aus ihren vielen Aktionen auf Deutschlands
Marktplätzen. "Europa-ist-toll-Veranstaltungen kommen in
Deutschland überhaupt nicht an", sagt sie. Seit 15 Jahren
arbeitet Joosten im Sinne Europas, zunächst in der
Öffentlichkeitsarbeit bei der Europäischen Kommission,
dann als Gründerin einer PR-Agentur mit Schwerpunkt Europa und
Sitz in Berlin. Beauftragt von der Kommission oder der
Bundesregierung konzipiert ihre Agentur Bürgeraktionen und
betreut sie auch bei der Umsetzung.
Die heute 42-Jährige war schon dabei, als es um die
Vermittlung des Binnenmarktes ging, tourte dann ein paar Jahre mit
dem Euro-Zelt durch 100 Städte. Den Europa-Bus stoppte sie 35
Mal, um die Menschen zum Dialog über die Europäische
Verfassung einzuladen. Daraus ist aber aufgrund der negativen
nationalen Referenden schnell eine Aktion zur EU-Erweiterung
geworden. Der Arbeit suchende Pole, diesseits der Oder als
Konkurrenz gefürchtet, ist für die Menschen viel
konkreter als das abstrakte Verfassungswerk.
Dennoch bleibt es eine Herausforderung, dem Bürger das auch
zu vermitteln. Joosten ist gegen zentrale Aktionen aus
Brüssel, die für alle Länder ein Einheitskonzept
anbieten. "Dann haben Sie die Leute schon verloren". Italiener
sprächen eben auf anderes an als Franzosen und Deutsche. Denn
"Europa" bedeutet in jedem Land etwas anderes. Sogar die
Animositäten gegenüber der EU sind ganz
unterschiedlich.
Italiener, Briten und Ungarn schimpfen am schlimmsten über
Europa, Holländer und Türken am wenigsten. Europa ist
für Europas Bürger weit weg. Das ergab eine
Gallup-Umfrage per E-Mail mit dem Titel "Can EU Hear Me" im Jahr
2004. Demnach kommt es noch schlimmer: Auch unfreundlich,
bürokratisch, kompliziert, unverständlich, gar
mysteriös seien die Institutionen. Die knapp 800
ausgefüllten Antworten aus allen Ländern Europas erheben
allerdings kaum Anspruch auf Repräsentativität. Das "Non"
und "Nee" oder das "Not now" der Kerneuropäer zur Verfassung
zählen dagegen umso mehr. Umfragen in Deutschland kommen
meistens zu dem gleichen Ergebnis wie die von Forsa im Juni 2005.
Das Meinungsforschungsinstitut ermittelte unter den Befragten 83
Prozent, die meinen, in der EU würden zu viele Entscheidungen
über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen. Doch wie
es scheint, ist die EU manchmal tatsächlich ein bisschen
schwerhörig.
Mit dem "Plan D" aus Brüssel soll nun alles besser werden.
Wie das Vorhaben mit Leben erfüllt werden kann, steht noch in
den zwölf goldenen Sternen. Bisher, so Joosten, haperte es oft
an der Umsetzung bei den Vorhaben. Im "Plan D" sieht sie den
richtigen Ansatz nach dem "bottom up"-Prinzip - der direkten
Kommunikation mit den Menschen vor Ort. Nur im direkten Dialog mit
den Menschen sei mehr Akzeptanz zu erreichen und die Erkenntnis,
dass Europa tatsächlich was mit jedem zu tun hat.
Bei der Euro-Einführung konnte das noch gelingen, da es um
Geld ging und das Interesse für die Münzen groß war.
Beim Thema Verfassung ist es schon schwieriger, den Menschen klar
zu machen, was das für sie konkret bedeutet. Deshalb hofft
Angela Joosten, dass der neue Plan nicht wieder ein Papier von
vielen sein wird. Wichtig bei allen Aktionen sei es, dass der
Bürger, so Joosten, das Gefühl habe, dass er gehört
und seine Meinung auch weiter getragen werde. Schließlich
nimmt er sich die Zeit, geht beispielsweise statt in die Kneipe zu
einer Veranstaltung "Mitreden über Europa" und trifft dort auf
Leute, die wirklich was mit Europa zu tun haben. "Auf bunte
Werbeaktionen spricht der Bürger auf der Straße nicht an,
sie wollen auch keine Sticker mitnehmen und laufen vorbei." Mit
Sympathie oder über Emotionen zu versuchen, Menschen
anzusprechen, indem man junge Leute in einheitlichen T-Shirts mit
bunten Prospekten losschicke, funktioniere ebenso wenig in
Deutschland. Die Erfahrung zeigt aber, dass Menschen in
Grenzregionen aufgeschlossener seien und weniger Ängste
hätten als man vermutet. So wird die neue EU-Konkurrenz aus
dem Osten in Halle mehr gefürchtet als in Frankfurt/Oder.
Und ihre wichtigste Erfahrung: Der Bürger in der Stadt
möchte nicht angesprochen werden. "Aber nur da stehen, geht
auch nicht!" Um den richtigen Köder auszuwerfen, greift
Joosten in die Trickkiste des Marketing: Blickfänge wie
Fahnen, Aktionen mit Kindern oder ein Quiz. "Wir machen Angebote
mit niedriger Hemmschwelle; am erfolgreichsten waren die offenen
Zelte", so Joosten.
Wenn man auf der Straße steht, werde man aber schnell
Ansprechpartner für alles mögliche, auch für
Politikverdrossenheit, so Joosten. Beschimpfungen kommen auch mal
vor, gerade wenn die Bild-Zeitung tagesaktuell über
Brüssel wettert. Aber sobald man mit den Menschen darüber
redet, wendet sich oftmals das Blatt. "Wenn jemand erst mal von
sich aus stehen bleibt, ist es ein interessierter Mensch, gerade
wenn es um politische Themen geht." Dann heißt es, Europa
aufzuschlüsseln. Dazu organisieren Joosten und ihr Team
Begegnungen vor Ort mit "Berufseuropäern", die sozusagen den
Kopf hinhalten: EU-Beauftragte der Stadt, Vertreter von
EU-Netzwerken, von Hochschulen, EURES-Mitarbeiter vom Arbeitsamt
oder Abgeordnete aus dem Europäischen Parlament. Am
größten ist das Interesse für
"Mobilitätsthemen" wie Reisen, Arbeiten oder Lernen im
Ausland. Das Interesse für ein gemeinsames Europa bestehe, so
Joosten, nur die Strukturen und Institutionen seien den Menschen
nicht ganz geheuer. "Den großen Stimmungsumschwung kann man
mit Straßenaktionen nicht erreichen", sagt Joosten. Doch wenn
es gelingt, die Lokalzeitung und das Fernsehen erfolgreich
einzubinden, weil sie wirklich was zum Berichten haben, dann
erreichen sie am Ende doch eine ganze Stadt oder Region.
Anders als bei den Passanten auf dem Marktplatz spielt die
konkrete Information über die EU für die kleinen und
mittleren Unternehmer eine große Rolle. Diejenigen, die sich
an eines der "Euro Info Center" (EIC) wenden, fragen konkrete
Dienstleistungen nach. Dieses Netzwerk mit über 300 Stellen in
40 Ländern berät Firmen über den europäischen
Markt, Kooperationen und Fördermittel. "Es geht dabei vor
allem darum, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen und
Hilfe bei den Anträgen zu erhalten", berichtet Hussein Sattaf,
in Brüssel für das Netzwerk EIC zuständig. "Denn das
ist oft ein komplizierter Wust." Damit wird eine doppelte Funktion
erfüllt: Zum einen werden die Bürger informiert. Zum
anderen erleben die Menschen in den Informationszentren ganz
persönlich, dass Europa ihnen nützt. Eine Erfahrung, die
sich durch Luftballons und bunte Prospekte in der
Fußgängerzone nicht ersetzen lässt.
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