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Karl-Otto Sattler
Harter Kampf ums schwarze Gold
Saar-Regierung scheitert mit partiellem
Förderstopp vor Gericht
Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt. Fast schon
im Wochenrhythmus protestieren Hunderte aufgebrachte Bürger
gegen Erderschütterungen über Kohleförderzonen. Doch
auch die Gegenseite macht mobil: Ebenfalls zu Hunderten versammeln
sich Bergleute bei Mahnfeuern vor Zechen, Kraftwerken und
Zulieferbetrieben, um gegen die Vernichtung ihrer
Arbeitsplätze zu demonstrieren. Zudem steigt an der Saar auf
der politischen Ebene die Spannung, wobei vor allem
CDU-Ministerpräsident Peter Müller zusehends in die
Bredouille gerät: Bereits zweimal scheiterte die Regierung vor
Gericht mit dem Versuch, einen Flöz zwecks Verhinderung neuer
Beben stillzulegen. Und obendrein wird es mit dem von Müller
proklamierten "Auslaufbergbau" auf absehbare Zeit nichts, weil es
nicht zu einer schwarz-gelben Bundesregierung kam und die Union in
der Großen Koalition eine solche Strategie gegen die SPD nicht
durchsetzen kann.
Die Frontlinien beim Kampf ums "schwarze
Gold" sind nicht neu, noch nie war aber die Lage derart aufgeheizt
wie momentan. Im Saarland, wo einst 60.000 Kumpel ihr Geld unter
Tage verdienten, existiert unter dem bundesweiten Dach der
Deutschen Steinkohle AG (DSK) nur noch ein Bergwerk, das in der
Region Lebach an mehreren Stellen Kohle abbaut. Angesichts
geologischer Besonderheiten kam es seit April schon zu mehr als 30
teils recht massiven Erschütterungen. An nicht wenigen
Gebäuden entstehen Schäden, oft laufen Bewohner in Panik
ins Freie. Bürgerinitiativen fordern, unterstützt von
Grünen und FDP, das Ende des Bergbaus.
Allerdings ist die Kohle nach wie vor ein
enormer Wirtschaftsfaktor. Für 7.000 Arbeitsplätze beim
Bergwerk sowie 5.000 Jobs in angegliederten Branchen ist weit und
breit kein Ersatz in Sicht. Die DSK, die Bergbaugewerkschaft und
die SPD-Opposition lehnen denn auch einen Auslaufbergbau strikt ab.
Michael Riedel als DGB-Chef an der Saar droht Müller bereits
mit Massenprotesten, falls der CDU-Politiker nicht von seinem Kurs
abgeht: "Dann muss die Regierung mit mindestens 15.000
Demonstranten rechnen." Gebäudeschäden werden von der DSK
finanziell abgegolten.
Die von Bergbauschäden Betroffenen hier,
die Kumpel mit ihren Existenzsorgen dort: Der
Ministerpräsident spricht von einem "unauflösbaren
Widerspruch". Müllers Konzept, einen Auslaufbergbau ohne
betriebsbedingte Kündigungen in Verbindung mit einer
stärkeren Berücksichtigung der Belange der Bewohner zu
erreichen, erwies sich bislang als nicht sonderlich erfolgreich. So
scheiterten die Aufsichtsbehörden schon zweimal vor dem
Verwaltungsgericht mit dem Vorstoß, der DSK den Abbau
über einem besonders neuralgischen Flöz zu verbieten.
Justitias Begründung hat für die Regierung etwas
Blamables: Der Antrag auf Förderstopp sei "offensichtlich
rechtswidrig". So hatten die Behörden körperliche
Beschwerden bei Bürgern als Konsequenz der Beben mit den
Angaben einiger weniger Mediziner zu untermauern versucht - wobei
diese Erhebung auch noch vor Beginn der Serie von
Erschütterungen stattfand. Das Bergamt genehmigte der DSK
dieser Tage im Übrigen die Erschließung eines neuen
Abbaugebiets, für eine weitere Förderzone wurde eine
Umweltverträglichkeitsprüfung vereinbart.
Christoph Hartmann, FDP-Fraktionsvorsitzender
im Landtag, wirft der Regierung ein "Herumgeeiere" vor. Hubert
Ulrich, sein Kollege von den Grünen, hält Müller
vor, es durch seinen "Zickzackkurs" mit einem Ausstieg aus der
Kohle nicht ernst zu meinen.
Der Ministerpräsident setzt auf die
für 2006 vereinbarten Verhandlungen über die Zukunft des
"schwarzen Golds" in Deutschland, bei denen er erneut für
einen Auslaufbergbau eintreten will. Bei diesen Gesprächen
stehen sich die Kabinette in Düsseldorf und Saarbrücken
sowie der Unionsteil der Bundesregierung auf der einen und SPD, DSK
sowie die Gewerkschaft auf der anderen Seite gegenüber, wobei
dieses Lager auf Dauer einen Sockelbergbau in einem gewissen Umfang
erhalten will. Unter der alten Bundesregierung war vereinbart
worden, den Kohleabbau bundesweit von 26 Millionen Tonnen auf 16
Millionen Tonnen im Jahr 2012 zu reduzieren. Rechtsverbindlich sind
die Zusagen für die entsprechenden Subventionen bislang nur
bis 2008. Da die Weltmarktpreise steigen und der Staat lediglich
die Differenz zwischen diesen Preisen und den teureren heimischen
Förderkosten für die Kohle bezahlt, sinkt nun der
Zuschussbedarf: Dies macht die Position der
Ausstiegsbefürworter nicht einfacher. Wie die Verhandlungen
ausgehen werden, ist völlig offen.
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