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Erik Spemann
Stoiber will wieder Tritt fassen
Bayern: Umbildung des Kabinetts
vollzogen
Mit einer teilweise veränderten Regierungsmannschaft
versucht Bayerns angeschlagener Ministerpräsident Edmund
Stoiber wieder Tritt zu fassen. Die CSU-Fraktion stellte sich -
nach ihren scharfen Attacken gegen Stoibers überraschende
Kehrtwende von Berlin zurück nach Bayern - dabei einmütig
hinter ihn und stimmte der Kabinettsumbildung zu. Die Opposition
dagegen streute Salz in die Wunden des erstmals seit langem
geschwächten politischen Gegners.
Vor dem Plenum begründete Stoiber das Revirement mit dem
Wechsel von Otto Wiesheu in den Vorstand der Deutschen Bahn AG nach
15 Jahren im Bayern-Kabinett. Wiesheu, als "bester
Wirtschaftsminister Deutschlands" apostrophiert und von Wirtschaft,
Mittelstand und Handwerk wie auch von den Gewerkschaften
gleichermaßen hoch gelobt, erhielt für seine Leistung
lang anhaltenden Beifall. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige
Minister der Staatskanzlei Erwin Huber (59) ernannt, der seine
Zuständigkeit für "Angelegenheiten der Ansiedlungspolitik
und des Standortmarketings für die Medienwirtschaft" ins
Wirtschaftsministerium mitnimmt.
Als Europaministerin ersetzt die bisherige
Umweltstaatssekretärin Emilia Müller (54) Eberhard Sinner
(61), der wiederum Hubers alte Position als Staatskanzlei-Minister
übernimmt. Neu im Kabinett ist der bisherige CSU-Fraktionsvize
Otmar Bernhard (59) als Umweltstaatssekretär. Stoiber, der
über die Umbildung ursprünglich erst im Januar
entscheiden wollte und dem Vernehmen nach auch teils andere
personelle Vorstellungen hatte, hatte auf Einwände der
CSU-Fraktion die Operation in dieser Form dann vorgezogen, jedoch
größere Veränderungen noch vor der nächsten
Bayernwahl 2008 indirekt angekündigt.
SPD-Fraktionschef Franz Maget verlangte einen landespolitischen
Kurswechsel in zentralen Bereichen und sah in der
Kabinettsumbildung nur eine Notoperation, die die Krise nicht
einmal ansatzweise löse. Sie sei das Ergebnis "der
Schwäche und des dramatischen Machtverlustes" Stoibers, der
auf Druck seiner Fraktion weder den Zeitpunkt der Umbildung, noch
den Umfang und nicht einmal die Personen habe selbst bestimmen
können. Stoiber "agiert und regiert nicht, er reagiert und
laviert", so der Sozialdemokrat.
Maget zufolge haben jüngste schlechte Umfrage-Ergebnisse
für die CSU - laut Infratest im Auftrag des Bayerischen
Fernsehens liegt sie nur noch bei 45 Prozent - ihre Ursache in der
Enttäuschung vieler Bürger über eklatante
Fehlentscheidungen. Maget listete unter anderem auf: eine
Verwaltungsreform über die Köpfe der Betroffenen hinweg,
den Abbau wichtiger sozialer Leistungen und Dienste, die
überstürzte Einführung des G8-Gymnasiums auf dem
Rücken der Kinder, Lehrermangel und riesiger
Unterrichtsausfall, dazu die Einführung eines
Büchergeldes.
Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr sagte, Bayern brauche
einen Neuanfang, aber dafür fehlten Stoiber Kraft, Konzepte
und Köpfe. Hier stehe ein "Kabinett mit Verfallsdatum",
nachdem Stoiber ja eine weitere Umbildung bereits angekündigt
habe. Auch Stoiber selbst, so Dürr unter Bezug auf
Äußerungen in der CSU, sei ein Ministerpräsident,
"dessen Verfallsdatum bald abläuft", und der vor einem
Scherbenhaufen stehe, den er selbst angerichtet habe. "Ihr Renommee
ist weg, weil Sie nicht nur sich selbst lächerlich gemacht
haben, sondern weil Sie Bayern blamiert haben", so Dürr. Die
Menschen in Bayern hätten kein Vertrauen mehr zu Stoiber.
CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann konterte, die Bürger
wüssten Leistungen und Erfolg des Ministerpräsidenten zu
schätzen, es sei nirgends zu hören, dass diese
Staatsregierung schlecht arbeiten würde. Der Opposition, die
bereits eine Machtübernahme nahe gesehen hatte, rief er zu:
"Wissen sie, was eine Fata Morgana ist?" Dazu brauche man viel
heiße Luft über der Wüste. Je näher die
Bayernwahl 2008 rücke, in desto weitere Entfernung werde
für SPD und Grüne eine Machtübernahme rücken.
Herrmann unterstrich, dass seine Fraktion "nicht den geringsten
Anlass" für einen Kurswechsel der "erfolgreichen Politik"
sehe.
Hinter den Kulissen wird freilich darüber spekuliert, wie
lange sich Stoiber wohl noch halten kann, wenn es ihm nicht
gelingt, einen Stimmungsumschwung beim Wähler
herbeizuführen. Nach der vom Bayerischen Fernsehen in Auftrag
gegebenen Umfrage hatten zwei Drittel der Bürger eine erneute
Kandidatur Stoibers als Ministerpräsident abgelehnt, lediglich
27 Prozent waren dafür. Sogar beim CSU-Anhang waren die
Befürworter mit 45 gegen 48 Prozent in der Minderheit.
Der Passauer Politikprofessor Heinrich Oberreuter
äußerte im Bayerischen Rundfunk, derzeit könne nicht
vorhergesagt werden, ob Stoiber das verlorene Vertrauen wieder
zurückgewinnen könne. Trotz der Kabinettsumbildung habe
er mit einem "tiefen, beispiellosen Vertrauenseinbruch" zu
kämpfen.
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