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Barbara Lich
Politik und Presse sind wie Katz und Maus
Jugendmedien-Workshop im Bundestag
Jörg Hüttner zieht seine Brille auf
und die Stirn kraus. Mit dem Stuhl rutscht er etwas näher an
den Computer. "Geschichten aus dem Bundestag", prangt da als
Überschrift auf dem Bildschirm vor ihm. Der 17-Jährige
liest die Eintragungen in einem Weblog. Neben dem Monitor liegt
sein Din-A5-Block: aufgeschlagen, voll geschrieben. Der
Schüler sitzt im Internetcafé des Jakob-Kaiser-Hauses und
recherchiert für einen Artikel. Um Mythen soll es gehen, um
alles, was vielleicht mal oder vielleicht auch nie im Bundestag
passiert ist.
Jörg Hüttner gehört zu den 40
Nachwuchsjournalisten des Jugendmedien-Workshops im Deutschen
Bundestag. Zum dritten Mal hatten der Bundestag, die Bundeszentrale
für politische Bildung (bpb) und die Jugendpresse Deutschland
zu der Werkstatt für junge Medienmacher eingeladen. "Ich
wusste vorher gar nicht, dass die Gebäude hier alle
unterirdisch miteinander verbunden sind", sagt Nora Jakob, 17 Jahre
alt, überrascht. Überhaupt: "Ich finde die Architektur
interessant", fügt sie an, "irgendwie modern". Eine Woche lang
- vom 28. November bis 2. Dezember - taten die Jugendlichen genau
das, was sie später einmal beruflich machen wollen: neugierig
hinter die Kulissen schauen.
Gespräche mit Abgeordneten aus dem
eigenen Wahlkreis und Treffen mit Spitzenpolitikern, Hospitanzen in
Redaktionen von Print, Radio und Fernsehen, Diskussionen mit
Hauptstadtkorrespondenten und Kommunikationswissenschaftlern, ein
Besuch im Bundeskanzleramt und eine Fernsehdiskussion unter anderem
mit Autor Jürgen Leinemann und der
Bundestagsvizepräsidentin und Workshop-Schirmherrin Susanne
Kastner (SPD) - all das ist nur ein kleiner Ausschnitt des voll
gepackten Programms. "Es ist schon anstrengend, von einem Termin
zum nächsten zu hetzen. Aber so lernt man den Alltag der
Politiker eben kennen", findet Nora Jakob.
"Die Jugendlichen sind motiviert, engagiert
und informiert", sagt Christina Beinke, als freie Mitarbeiterin des
Bundestages Koordinatorin der Veranstaltung. "Sie haben wirklich
Lust auf den Workshop." Das verwundert kaum, mussten die
Nachwuchsjournalisten im Vorfeld doch einen Artikel einreichen. Von
rund 150 Bewerbungen hat eine Jury die besten 40
ausgewählt.
Das Schwerpunktthema des
Jugendmedien-Work-shops hieß in diesem Jahr "Medien und
Demokratie - (K)eine Zukunft?" Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie
spielen Politik und Presse in der Hauptstadt zusammen? "Das ist ein
Katz-und-Maus-Spiel. Die brauchen sich gegenseitig und wollen doch
manchmal nichts miteinander zu tun haben", bilanziert Jörg
Hüttner. Teilnehmerin Nora Jakob pflichtet ihm bei: "Medien
können nicht ohne Politik und umgekehrt."
Wie das ganz praktisch aussieht, haben viele
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer während ihrer
Pressehospitation am vergangenen Mittwoch erlebt. Bei der ersten
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin war der eine oder
andere live dabei. Susanne Reinig zum Beispiel. Sie war mit Hartmut
Palmer vom "Spiegel" unterwegs. "Das war total interessant",
schwärmt die 20-jährige Studentin begeistert. Nicht
zuletzt, weil Palmer auch aus dem Nähkästchen plauderte
und ihr ein paar nette Bundestagsanekdoten
erzählte.
Keine Frage aber, dass die Jugendlichen nicht
nur den Profijournalisten bei der Arbeit zuschauten: Teil des
Workshops war auch die Produktion einer eigenen Eventzeitung, der
politikorange (po). "Wir sind unabhängig", sagt Andreas
Weiland, Mitglied der po-Chefredaktion von der Jugendpresse
Deutschland. Das heißt konkret: Themen und Genre wählen
sich die Jugendlichen selbst, Hilfestellung bekommen sie, wenn
nötig, von der fünfköpfigen Chefredaktion.
Entsprechend vielseitig ist die Artikelliste: Erfahrungsberichte
über die Pressehospitationen; Politikvermittlung; eine
Filmkritik zur Dokumentation "Im Rausch der Macht"; ein Interview
mit Kommunikationswissenschaftler Hans-Mathias Kepplinger; ein
Hintergrundbericht zum Wahl-O-Mat; die Story über
Bundestags-Mythen von Jörg Hüttner. "Hier können die
Jugendlichen ausprobieren, unter Zeitdruck Artikel zu schreiben",
sagt Andreas Weiland. Und wie immer kurz vor Redaktionsschluss: "Am
Ende wird's heiß."
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