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Roland Löffler
Versöhnung statt Provokation
Die Ausstellung "Flucht, Vertreibung,
Integration" im Haus der Geschichte
Ein Kleid aus Mullbinden, ein Feldbett mit einer Wolldecke, dazu
eine Broschüre, warum die Dänen die Deutschen nicht immer
freundlich behandelten - das waren die Rahmenbedingungen, mit der
eine aus den alten deutschen Ostgebieten über die Ostsee nach
Dänemark geflüchtete Familie die Kommunion ihrer Tochter
beging. Im "Jahrhundert der Vertreibungen" musste nach der Flucht
der Alltag weitergehen - wenn auch unter noch so primitiven
Bedingungen.
Die neue Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" des
Bonner Hauses der Geschichte hat sich diesem noch immer belasteten
Thema mit einer Mischung aus wissenschaftlicher Nüchernheit
und darstellerischer Emotionalität angenähert: Ausgehend
von den ethnischen Nationalstaatskonzepten und politisch
motivierten, gewaltsamen Migrationsprozessen des frühen 20.
Jahrhunderts wird die Vertreibung von 12 bis 14 Millionen Deutschen
in einen weiteren historischen Kontext gerückt. Gleichzeitig
wird durch Interviews, literarische oder filmische
Rezeptionsbeispiele das individuelle Schicksal von Zeitzeugen
nachgezeichnet. Stärker als die durch die NS-Volksraum- und
Kriegspolitik mitverursachte Flucht und Vertreibung steht die
Integration der Vertriebenen im Zentrum der Ausstellung.
Die Eingliederung der Flüchtlinge verlief in Ost- und
Westdeutschland unterschiedlich. Nach offizieller Diktion der
SBZ/DDR, in der rund vier Millionen Menschen eine neue Heimat
fanden, gab es keine Vertriebenen, sondern nur "Umsiedler". Mit der
Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze im Görlitzer Vertrag
von 1950 und der damit verbundenen außenpolitischen
Rücksichtnahme auf die Verbündeten im Warschauer Pakt
wurde den Neuankömmlingen die Hoffnung auf eine Rückkehr
frühzeitig genommen. Innenpolitisch wurde versucht, die
Umsiedler mit wirt- schaftlichen Anreizen für den Aufbau der
neuen sozialistischen Gesellschaft zu gewinnen. Ein Plakat warb
nicht ohne Grund für "Junker-Land in Bauernhand", denn im Zuge
der Bodenreform 1946 gingen 41 Prozent der enteigneten
Ländereien an die Neuankömmlinge. Das hatte
natürlich seinen Preis: Landsmannschaften wurden verboten,
Vertriebenentreffen bespitzelt oder aufgelöst, die Erinnerung
zwangsprivatisiert.
In der Bundesrepublik ging es so schnell und "einfach" nicht.
Das Foto eines Fastnachtsumzugs im badischen Lahr Ende der
40er-Jahre zeigt ein Plakat mit der Aufschrift "Badens
schrecklichster Schreck: der Flüchtlingstreck." Das war nicht
nur Karnevalsironie, sondern veranschaulicht, dass die Aufnahme der
rund acht Millionen Vertriebenen keineswegs spannungsfrei ablief.
Es ist ein Verdienst der Ausstellung, keine Schönfärberei
zu betreiben und die Integration als Erfolgsgeschichte der
Bundesrepublik zu modellieren. Gleichwohl ist das Bemühen
erkennbar, gelungene Eingliederungsbeispiele zu zeigen - wie etwa
das eines Sanitär-Familienbetriebs aus Breslau, der im
niedersächischen Ahaus bei Null anfängt und zum
Unternehmen mit Millionenumsatz aufsteigt.
Auch wenn das Thema Vertreibung nach dem Zusammenbruch des
Sozialismus, der Regelung der deutschen Ostgrenze im Zuge der
Wiedervereinigung an emotionaler Belastung verlor, ist es
keineswegs zu einer vernachlässigbaren Größe
geworden. Mit den Benes-Dekreten und möglichen
Entschädigungszahlungen lässt sich weiter Stimmung
machen. Für Projektleiter Hans-Joachim Westholt stehen
publizistische Provokationen jedoch in einem eklatanten Gegensatz
zu den vielen Versöhnungsinitiativen.
Vertreibung und Integration bleiben Themen mit politischem
Sprengstoff. Die Ausstellung hält sich deshalb mit
zugespitzten Thesen zurück. Sie bietet aber die Chance zum
generationsübergreifenden und internationalen Dialog. Ob die
Ausstellung zu einem Ersatz für das umstrittene "Zentrum gegen
Vertreibung", so der SPD-Politiker Markus Meckel, wird, bleibt eine
offene Frage. Für den Präsidenten der Stiftung Haus der
Geschichte, Hermann Schäfer ist sie aber "ein sichtbares und
emotionales Angebot", "der erste Versuch und nicht das letzte Wort
zu diesem Thema."
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