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Johanna Metz
Eine umstrittene Mission
Damals ...vor zehn Jahren am 6. Dezember: Der
Bundestag stimmt mit großer Mehrheit für den
Bosnien-Einsatz
Es war eine ganz besondere Abstimmung: Nicht nur, dass sich der
Bundestag am 6. Dezember 1995 mit seinem Ja zum Bosnien-Einsatz
für den bislang größten und riskantesten
Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr aussprach -
überhaupt war es das erste Mal, dass deutsche Soldaten unter
Kriegsbedingungen in eine Krisenregion außerhalb des
NATO-Gebietes entsendet wurden. 4.000 bewaffnete Bundeswehrsoldaten
sollten die 60.000 Mann starke Friedenstruppe der NATO in Bosnien
unterstützen und die Umsetzung des zuvor geschlossenen
Friedensabkommens überwachen.
Die Zeit drängte: Mit dem Zerfall Jugoslawiens im Sommer
1991 war es auf dem Balkan immer wieder zu nationalistischen
Spannungen gekommen. Einzelne Republiken waren aus der
Föderation ausgetreten und hatten gegen den Willen der
Belgrader Führung unter Serbenführer Slobodan Milosevic
freie Wahlen abgehalten. Die jugoslawische Bundesarmee JNA
versuchte daraufhin, diese Unabhängigkeitsbestrebungen
militärisch zu zerschlagen. In der Folge kam es vor allem in
Bosnien und Kroatien zu blutigen Auseinandersetzungen mit
hundertausenden Opfern. Allein in Bosnien wurden rund 2,2 Millionen
Menschen vertrieben, bosnische Muslime systematisch verfolgt und
(nach neuesten Angaben) mehr als 100.000 Menschen getötet.
Beim Massaker von Srebrenica im Juli 1995 wurden 8.000
männliche Muslime von ihren Familien getrennt und
anschließend von Armee- und Polizeieinheiten in den
Wäldern erschossen.
Der Friedensvertrag von Dayton sollte diesen grausamen Krieg in
der Mitte Europas endlich beenden. Darauf hatten sich die
Präsidenten Bosniens, Kroatiens und Serbiens im November 1995
geeinigt. Ein einheitlicher und politisch unabhängiger
Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina entstand, aufgespaltet in zwei
ethnisch definierte Teilstaaten: die Föderation Bosnien und
Herzegowina und die Serbische Republik. Die NATO-geführte
Schutztruppe IFOR sollte nun dafür sorgen, dass die
kämpfenden Armeen auch tatsächlich abgerüstet
wurden, Flüchtlinge und Vertriebene in ihre Heimat
zurückkehren konnten und demokratische Institutionen
entstanden, die der ethnischen Zusammensetzung des Landes Rechnung
trugen.
Eine wichtige Mission - aber nicht unumstritten bei den
Parlamentariern. Insbesondere die Grünen haderten mit ihren
pazifistischen Vorstellungen und lieferten sich über Wochen
eine heftige Debatte über die Grundwerte der Partei.
Während Fraktionschef Joschka Fischer auf dem Parteitag in
Bremen eine flammende Rede für eine "Intervention bei
Völkermord" hielt, warf ihm Vorstandssprecher Jürgen
Trittin vor, er sei ein "Realo, der den Konsens grüner
Friedenspolitik aufkündigen" wolle. In der Halle protestierten
Demons- tranten gegen den "Kampfauftrag" und beschimpften Fischer
als "Kriegstreiber". Die Mehrheit der Delegierten lehnte den
Bosnien-Einsatz schließlich ab. Doch in der Fraktion sickerte
bald durch, dass die meisten grünen Abgeordneten im Bundestag
dem Antrag der Regierung durchaus zustimmen wollten. Und
tatsächlich: Im Bundestag lehnten nur einige wenige
Abgeordnete von SPD und Grünen den Einsatz ab. Lediglich die
PDS votierte geschlossen mit Nein. Insgesamt stimmten von 656
anwesenden Abgeordneten 543 mit Ja. Sowohl die Koalition als auch
die SPD-Opposition sprachen dabei von einer historischen
Entscheidung. Außenminister Klaus Kinkel verteidigte den
Einsatz als "moralisch gerechtfertigt", weil es darum gehe, den
"Frieden im geschundenen Bosnien zu sichern" und nicht etwa darum,
Krieg zu führen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping
betonte, der Krieg im ehemaligen Jugoslawien zeige mit "brutaler
Deutlichkeit", dass "gute Gesten und humanitäre Hilfe allein
diesen Völkermord nicht stoppen können".
Bei Gregor Gysi (PDS) allerdings löste "die
Selbstverständlichkeit", mit der die Entscheidung getroffen
wurde, "ein ungutes Gefühl" aus. Er habe den Eindruck, alles
werde auf das Militärische reduziert, so sein Einwand.
Da half auch der Hinweis von Bundesverteidigungsminister Volker
Rühe nichts, dass der Einsatz ausdrücklich um ein Jahr
begrenzt worden sei. Schließlich "könne der Frieden auf
Dauer nicht von Soldaten gesichert werden", so Rühe.
Heute wissen wir mehr: Zehn Jahre nach Abschluss des
Friedensvertrages von Dayton sind noch immer internationale
Friedenstruppen in Bosnien stationiert, darunter auch 1.100
deutsche Soldaten. Seit einem Jahr leitet aber nicht mehr die NATO,
sondern die EU die Mission. Auf Wunsch der Linksfraktion wird sich
der Bundestag in den kommenden Wochen erneut mit der
Verlängerung des EUFOR-Mandats befassen müssen.
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