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Günter Pursch
Diäten stehen auf dem Prüfstand
Eine Erhöhung von
Abgeordnetenentschädigungen kommt immer zu
früh
Eine Erhöhung von Abgeordnetendiäten
kommt immer zum falschen Zeitpunkt. Gerade in wirtschaftlich
schlechten Zeiten sollten sich die Parlamentarier bitte
zurückhalten. Das gilt dann gleichermaßen bei einem
Aufschwung. Da ist die Zeit noch nicht reif. So heißt es immer
wieder und so will es jedenfalls die veröffentlichte Meinung.
Eine rational-sachliche Diskussion ist kaum möglich. Vor allem
dann nicht, wenn gewisse Medien mit großen
Balken-Überschriften dies zum Anlass einer Art von
Neidkampagne nehmen.
Fakt ist, dass der Bundestagspräsident
verpflichtet ist, einen Vorschlag zur Diätenregelung und einer
möglichen Anhebung für die Mitglieder des "Hohen Hauses"
zu machen. Diesen Vorschlag muss der neue Präsident Norbert
Lammert bis Juni des kommenden Jahres vorlegen. Für den Fall,
dass der Bundestagspräsident höhere Diäten anregt,
müssen dann die Abgeordneten nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts selbst entscheiden, ob sie dem
Präsidenten folgen wollen.
Gerade dieses Verfahren wird in der
Öffentlichkeit immer wieder kritisiert. Von
"Selbstbedienungsladen" ist häufig die Rede. So hat Lammert
kurz nach seinem Amtsantritt angeregt, die Abgeordneten sollten in
Zukunft nicht mehr selbst über die Höhe ihrer Diäten
entscheiden. Gegenüber der "Berliner Zeitung" erklärte
er, durch eine externe Expertenkommission könnten die
Bundestagsmitglieder vom Verdacht der Selbstbegünstigung
befreit werden. "Ein Segen für den deutschen Parlamentarismus"
wäre es, so betonte er, wenn die Abgeordneten nicht selber
über die Höhe und Entwicklung ihrer Diäten
beschließen würden. Solange man selbst die Anhebungen
festlege, werde es diesen Verdacht der Selbstbegünstigung
geben. Außerdem würde jedes externe Gremium für die
Abgeordneten günstigere Regelungen beschließen, als es
sich der Bundestag selbst erlauben könnte. Er räumte
jedoch ein, dass Anläufe für eine solche Reform in der
Vergangenheit stets gescheitert seien. Einen neuen Versuch wollte
er jedoch nicht ausschließen.
Wohl vor diesem Hintergrund kündigten
die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD, Volker Kauder und
Peter Struck, eine entsprechende Inititiave zur Neuregelung der
Abgeordnetendiäten an. Gegenüber dem Magazin "Focus"
erklärte Struck, dass das jetzige System, "in dem Abgeordnete
hohe Altersbezüge erhalten, ohne vorher etwas eingezahlt zu
haben", schwer vermittelbar sei. Dies sah Kauder ähnlich. Nach
seiner Meinung könne Grundlage für eine Reform der
Diäten und der Abgeordnetenpensionen das "Düsseldorfer
Modell" sein. Zur Zeit erhalten Bundestagsabgeordnete monatliche
Diäten in Höhe von 7.009 Euro, die versteuert werden
müssen, sowie 3.589 Euro als steuerfreie
Kostenpauschale.
Auf Einladung des Bundestagspräsidenten
soll es bereits im Januar 2006 zu einem Allparteien-Gespräch
sowohl über die Reform der Bezahlung als auch über die
Altersversorgung der Abgeordneten kommen. Wie bereits das
Bundesverfassungsgericht 1977 in einem Urteil festlegte,
unterstrich Lammert, dass die Abgeordneten auch danach Anspruch auf
eine angemessene Entschädigung haben. Die geplanten
Änderungen dürften deshalb nicht nur unter dem Aspekt von
Einsparungen gesehen werden. Die Regelung kann nach Auffassung von
Struck bis Ende 2006 zu Stande kommen. Er räumte allerdings
ein, dass es nicht leicht sein werde, eine solche Reform
durchzusetzen. Die Diäten müssten "fast verdoppelt,
jedenfalls deutlich erhöht werden". Ob man jedoch angesichts
des öffentlichen Drucks die Kraft für eine solche
Initiative habe, könne angezweifelt werden.
Der Vorstoß von CDU/CSU und SPD
stieß bei der Opposition auf grundsätzliche Zustimmung.
Die Grünen und die Linkspartei forderten jedoch weitergehende
Regelungen. "Wir sollen vom Vorwurf der Selbstbedienung weg",
erklärte Jörg van Essen, Parlamentarischer
Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Für die
Linkspartei schlug die Abgeordnete Dagmar Enkelmann vor, dass
für die Parlamentarier die Mitgliedschaft in der gesetzlichen
Krankenkasse Pflicht werde. "Es ist höchste Zeit, dass auch
Abgeordnete ihren Beitrag zur Solidargemeinschaft leisten",
erklärte sie. Van Essen wandte sich gegen eine Koppelung der
Diäten mit der Besoldung eines Richters oder eines hohen
Beamten. "Abgeordnete sind keine Beamte", und verglich ihre Arbeit
mit der eines Freiberuflers. Er setzte sich wie Lammert für
die Einrichtung einer unabhängigen Kommission ein. Die FDP hat
mittlerweile eine Gesetzesinitiatve ergriffen.
Nach Meinung der Grünen-Vorsitzenden
Claudia Roth müsse in einem Gesamtkonzept auch die Besoldung
von Ministern und Parlamentarischen Staatssekretären, die auch
ein Bundestagsmandat haben, neu geregelt werden. Weiterhin ist sie
der Auffassung, dass auch die Regelungen über
Nebeneinkünfte von Politikern verschärft werden
müssten.
Zu diesem Thema stellte die in Karlsruhe
erscheinende Zeitung "Badische Neueste Nachrichten" fest: "Nicht
die Diäten der Abgeordneten sind das Problem, im Gegenteil.
Für das, was die Volksvertreter in ihren Wahlkreisen und im
Bundestag leisten für die Verantwortung, die sie haben, sind
sie schlicht unterbezahlt. In der freien Wirtschaft sind für
Führungskräfte ganz andere Summen üblich. Das wahre
Problem sind die üppigen Altersbezüge und das System der
Mehrfachversorgung. Hier muss dringend was geschehen."
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