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Ines Gollnick
Die Beharrliche: Rita Pawelski
Parlamentarisches Profil
Neue Gefühle können manchmal
gewöhnungsbedürftig, gelegentlich verwirrend sein. Das
erlebt zur Zeit auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Rita Pawelski.
Denn in der neuen Legislaturperiode bekommt nun immer häufiger
der frühere politische Gegner Applaus. Ein politisches Leben
lang hat sie sich kritisch mit ihm auseinandergesetzt, denn sie
saß auch schon drei Legislaturperioden im
Niedersächsischen Landtag. Jetzt sind die Kolleginnen und
Kollegen der SPD durch Wählerwillen zum politischen
Mitstreiter geworden. Verkehrte Welt ist das für sie nicht,
sondern die "Herausforderung" der gerade geschmiedeten Großen
Koalition. "Da muss man sich mental umstellen", sagt sie.
Eingespielte Rituale lassen sich nicht per Knopfdruck
verändern. Es kommt vor, dass sie ihren Nachbarn im Plenum
auch schon mal anstößt und zum Beifall ermuntert.
Die erste normale Sitzungswoche mit dem neuen Gefühl und
der neuen Kanzlerin liegt hinter ihr. Nur kurz haben sich die
Ausschüsse zur Konstituierung zusammengefunden. Auch dort sei
das neue Klima "fühlbar", so die Abgeordnete aus Hannover.
Eine große Mannschaft der Regierungsfraktion sitzt einer
relativ kleinen Opposition gegenüber. Highlight der Woche:
Angela Merkels erste Regierungserklärung. Die zentralen
Botschaften der "Chefin" sind für Rita Pawelski mehr
Demokratie und mehr Freiheit wagen und den Menschen mehr
Eigenverantwortung zutrauen und zusprechen. "Es wurde und wird viel
vom Staat abgenommen. Die Menschen müssen wieder stärker
eigenverantwortlich ihr Leben bestimmen", meint auch Pawelski. Vor
allem hat es die leidenschaftliche Familienpolitikerin gefreut,
dass in der Regierungserklärung und bei nachfolgenden Rednern
in der Aussprache die Familienpolitik so hoch im Kurs stand. "Das
war nicht immer so." Auch wenn Pawelski nun in den
Wirtschaftsausschuss wechselt und dem Familienausschuss nicht mehr
angehört, bleibt sie und versteht sie sich weiter als
Familienpolitikerin. "Ich kann da nicht aus meiner Haut. Es
wäre auch ein Stück Unehrlichkeit. Ich habe
Familienpolitik nicht aus Jux und Dollerei gemacht, sondern weil
ich gesehen habe, dass es da wirkliche Defizite gibt." Die
verheiratete ehemalige Sparkassenangestellte ist Mutter von zwei
Töchtern.
Ein weiteres, ganz wichtiges Signal, das für sie von der
Regierungserklärung ausgeht, heißt: Arbeit, Arbeit,
Arbeit. Unumgänglich sei der Bürokratieabbau, um
Arbeitsplätze zu schaffen. Und die Löhne müssten
günstiger werden. Neue Wege will sie auch bei den
Arbeitsmarktinstrumenten gehen. Thema Personalserviceagenturen:
"Alle, die ich kenne, sind ein Flop. Hannover ist da eine ziemliche
Katastrophe. Wir müssen die Arbeitsagenturen so
umstrukturieren, dass sie näher am Menschen sind." Ihr
Idealmodell sei in Stockholm umgesetzt. "Dort gibt es ganz, ganz
viele kleine Nebenstellen der Agenturen. Die arbeiten in einem
Hochhaus oder einer Wohnung mit zwei oder drei Leuten, also dort,
wo die Arbeitslosen zu Hause sind." So sei sowohl eine
persönliche Beratung als auch eine persönliche Kontrolle
da. Man kenne die Klientel, und die Arbeitslosen seien nicht
einfach nur eine Nummer.
Pawelski fand es gut, dass Angela Merkel zu mehr Mut aufgerufen
hat und dazu, positiv in die Zukunft zu schauen. Das passt auch zur
Philosophie der Niedersächsin. "Geht nicht, gibt's nicht!"
lautet ihr Lebensmotto. Beharrlichkeit in der Sache zeigen, eben
nicht schnell aufzugeben, dabei fair mit Kollegen und Kolleginnen
im Beruf umzugehen und glaubwürdig an der Basis zu sein, alles
Einstellungen, die ihr wichtig sind und die sie umzusetzen
versucht.
Der Wirtschaftsauschuss war ihr Wunschausschuss, auch weil sich
hier für sie wieder der Kreis zur Familienpolitik
schließt. Dort müsse nämlich an der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf intensiv weitergearbeitet werden. Wenn die
Familienpolitiker das alleine machten, reiche das nicht. "Ich habe
so viel gelernt in den vergangenen Jahren. Ich weiß, dass wir
das ohne die Wirtschaft nicht umgesetzt bekommen." Stärker als
bisher will sie mit daran arbeiten, den Gedanken der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf in den Strukturen der Unternehmen zu
verfestigen. Diesen Ansatz kann sie nur im Wirtschaftsausschuss
umsetzen. Und sie wird auch ganz praktisch: Gerade hat sie in ihrem
Wahlkreis ein Unternehmen mit Informationen und Unterlagen versorgt
und besprochen, wie sich das Unternehmen familienfreundlich
durchstrukturieren kann. Die Politikerin also in der Rolle der
Consulterin. Zwar komme die Botschaft, sich stärker um die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu kümmern, bei den
Unternehmen in ihrem Wahlkreis immer besser an. Um so mehr freut es
sie, dass Unternehmen wie TUI damit angefangen haben,
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder von Mitarbeitern zu
schaffen. TUI wolle sogar einen Kindergarten bauen.
Und noch ein anderes Thema brennt ihr unter den Nägeln:
Säße sie mit 57 Jahren nicht im Deutschen Bundestag,
wäre sie sich nicht sicher, ob sie auf dem Arbeitsmarkt
überhaupt noch eine Chance hätte. "Es ist eine Schande,
dass wir nur noch in 39 Prozent aller Betriebe Menschen
beschäftigen, die älter als 50 Jahre sind. Und das vor
dem Hintergrund unserer demografischen Entwicklung." Es sei
dramatisch und unwürdig, was wir uns da leisteten. "Darum
müssen wir zusammen mit der Wirtschaft den Gedanken weiter
entwickeln und in den Köpfen verfestigen, dass ältere
Menschen genauso einsatzfähig und hoch motiviert sind, zudem
oft sorgenfreier und ohne familiäre Verpflichtungen mit
kleinen Kindern."
Rita Pawelski ist eine Abgeordnete mit einem großen
Begeisterungspotenzial. Es gelingt ihr, sich selbst zu motivieren.
Sie legt viel Wert auf ihr Erscheinungsbild. Denn sie weiß
natürlich, dass das Äußere ein Hinweis auf die
innere Befindlichkeit ist. Sie kleidet sich gern schick, aber das
auch schon vor ihrer Zeit im politischen Geschäft. Und da geht
es ihr nicht um plakative Accessoires, um die politische Position
zu untermauern. "Gepflegte Menschen, die außerdem noch
freundlich sind, finde ich nun mal sympathischer als schmuddelige
Muffelköpfe. Warum sollte es anderen anders gehen!" Sie kennt
aber auch Frust. Sie wünscht sich mehr Beschleunigung im
politischen Betrieb. Was von allen als notwendig eingestuft worden
sei, müsse schneller umgesetzt werden. Der Weg von der
Entscheidung im Bundestag bis zu seiner Umsetzung sei zu
bürokratisch. "Die Bürokratie lähmt unsere Arbeit
und die anderer. Klagen höre ich bei den Unternehmen, den
Ärzten, in Krankenhäusern und in Altenheimen." Es
müsse schneller gehen und mehr passieren. Da wirkt sie
ungeduldig.
Auf die Entwicklung der nächsten Wochen schauen nun alle
mit besonderer Spannung. Sie wird zeigen, ob und wie eine
Große Koalition entgegen mancher Beobachter-Meinung doch zu
einer effektiven, reformfreudigen Politik in der Lage ist. Diese
Zeit der Neuorientierung braucht auch Rita Pawelski, um wirklich zu
verinnerlichen, dass der frühere politische Konkurrent jetzt
neben ihr im Boot sitzt und gemeinsam gerudert werden muss. "Wir
fangen ja gerade erst an, aber wir lernen schnell."
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