"Da sitzt kein Stimmvieh"
"Urgestein" Andreas Schmidt
Der Rechtsanwalt Andreas Schmidt ist seit 1990
Mitglied des Bundestags - und kennt sich mittlerweile mit den
Abläufen der parlamentarischen Arbeit bestens aus. Seit 2002
ist der CDU-Abgeordente Vorsitzender des Rechtsausschusses.
Das Parlament: Sie sind in der
vergangenen Wahlperiode Vorsitzender des Rechtsausschusses gewesen
und werden dieses Amt auch künftig inne haben. Wie wird man
Ausschussvorsitzender?
Andreas Schmidt: Man kann sich nicht
schriftlich darum bewerben, die Stelle wird ja nicht in der Zeitung
ausgeschrieben. Am Anfang der Legislatur wird zwischen den
Fraktionen verhandelt, welche Fraktion in welchem Ausschuss den
Vorsitz übernimmt. Die Fraktionsführung weiß in
aller Regel, wer in welchem Bereich was kann und entsprechend wird
dann bei dem jeweiligen Abgeordneten angefragt, ob er sich
vorstellen kann, den Vorsitz zu übernehmen. Die Union hat auch
dieses Mal den Vorsitz im Rechtsausschuss - und da ich den Posten
schon einmal inne hatte und die Arbeit wohl auch ganz gut gemacht
habe, lag es nahe, dass ich die Chance erhalten würde, die
Sache fortzuführen.
Das Parlament: Was macht die Arbeit
eines Ausschussvorsitzenden aus?
Andreas Schmidt: Auch ein guter
Ausschussvorsitzender ist natürlich nie neutral - er
gehört ja einer politischen Fraktion an. Aber er zeichnet sich
dadurch aus, dass er die Ausschussarbeit überparteilich
leitet. Er darf nicht kleinkariert politisch agieren, sondern muss
schon ein bisschen über den Fraktionen stehen,
selbstverständlich ohne dabei seine eigene Meinung
aufzugeben.
Das Parlament: Wie wichtig ist es
für die Fraktionen, welche Ausschüsse sie
besetzen?
Andreas Schmidt: Das ist nicht
unbedeutend. Der Rechtsausschuss etwa hat auch eine
Repräsentationsfunktion innerhalb des juristischen Umfelds,
also in der Anwaltschaft, der Richterschaft und auch in der Presse.
Der Vorsitzende steht in dieser Position für den Bundestag -
aber er repräsentiert auch die eigene Fraktion. Das heißt
nicht, dass man die Rechtspolitik so in eine bestimmte Richtung
bringen kann. Das kann nur die Mehrheit des Ausschusses.
Das Parlament: Wie frei sind die
Abgeordneten in ihren Entscheidungen im Ausschuss? Wie stark wirkt
hier die Fraktionsdisziplin?
Andreas Schmidt: Die Abgeordneten sind
eher frei. Es gibt immer eine Arbeitsgruppe innerhalb der Fraktion,
die sich zu Besprechungen trifft und die Linie festlegt.
Natürlich gibt es bei brisanten Fragen Abstimmungsbedarf mit
der Fraktionsführung, damit die Fraktion ein einheitliches
Bild abgibt.
Das Parlament: Bestätigt das
nicht das Vorurteil, dass die wirklich wichtigen Entscheidungen
lange vor den Beratungen im Ausschuss gefällt werden und die
Ausschüsse nur noch Theater sind, wie es einige Ihrer Kollegen
ja auch selbst sagen?
Andreas Schmidt: Diese Aussage
wäre wirklich falsch. So etwas kann nur jemand behaupten, der
noch keine Erfahrungen im Ausschuss gemacht hat. Dort beraten wir
hunderte von Vorlagen - damit kann sich eine Fraktionsführung
doch im Einzelnen gar nicht befassen. Bei den vielen Detailfragen,
die es zu klären gilt, ist jedes Ausschussmitglied gefordert,
sich zu positionieren und seine Erfahrungen einzubringen. Da sitzt
kein Stimmvieh, das nur abnickt, was schon längst entschieden
ist.
Das Parlament: Was unterscheidet die
Beratungen im Ausschuss von den Debatten im Plenum?
Andreas Schmidt: Ein hoher Prozentsatz
der Entscheidungen fällt einvernehmlich. Das sind einfach
Sachfragen, die nach Vernunftsgesichtspunkten entschieden werden.
Da kommt es oft vor, dass alle zustimmen. Im Allgemeinen geht es im
Ausschuss sachlicher und kollegialer zu als im Plenum - auch, weil
die Kameras nicht dabei sind. Hier sollen Chancen für
Einigungen ausgelotet werden. Ohne Öffentlichkeit ist ein
Politiker viel weniger versucht, sich zu profilieren. Während
sich die Abgeordneten in den Auschüssen durch Diskussionen
oder durch die Anhörung von externen Experten überzeugen
lassen und bereit sind, ihre Meinung eventuell zu revidieren, gibt
es im Parlament keine Änderungen mehr. Damit will ich die
Debatten, die öffentlich übertragen werden, nicht
kleinreden. Die sind für die Bevölkerung: Die Leute
sollen ja die unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen
Fraktionen in der Plenardebatte erkennen.
Die Interviews führte Susanne Kailitz
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