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Die zweite und die dritte Lesung

Nachdem der Ausschuss seine Arbeit getan hat, müssen erneut die Fraktionen entscheiden, wie sie zu der nun entstandenen Gesetzesvorlage stehen. Die Fachleute der Fraktionen kennen sie zwar genau, aber nun geht es darum, dass alle Mitglieder sich eine Meinung zu dem Entwurf bilden können. Also wird, gegebenenfalls nach nochmaligen Überlegungen in den zuständigen Arbeitskreisen oder -gruppen und nach Information des Fraktionsvorstandes, in einer Vollversammlung jeder Fraktion dieses Thema mit auf die Tagesordnung gesetzt, um durch Beschluss zu entscheiden, ob die Fraktion dieser Fassung zustimmen, ob und welche Änderungsanträge sie stellen und wen sie als Redner für die Aussprache benennen soll.

Im Ältestenrat vereinbaren die Fraktionen dann den Termin für die zweite Beratung des Entwurfs. Er erscheint auf der Tagesordnung der vorgesehenen Plenarsitzung und wird entsprechend der Tagesordnung vom sitzungsleitenden Präsidenten aufgerufen. Der Präsident gibt, wenn es gewünscht wird, zunächst dem oder den Berichterstattern die Möglichkeit, den schriftlichen Bericht zu ergänzen. Dann beginnt die allgemeine Aussprache, und es folgt entweder eine Einzelberatung, in der alle Bestimmungen aufgerufen und zur Abstimmung gestellt werden, oder es wird - insbesondere wenn keine Änderungsanträge gestellt werden - über alle Teile des Gesetzentwurfs gemeinsam abgestimmt. Änderungsanträge können in der zweiten Lesung nicht nur von Fraktionen oder antragsberechtigten Gruppen, sondern von jedem einzelnen Abgeordneten gestellt werden. Das ist wichtig für Abgeordnete, die keiner Fraktion angehören; derzeit gibt es zwei fraktionslose Abgeordnete im Bundestag. Praktisch bedeutsam ist es vor allem aber auch deshalb, weil die Möglichkeit, als einzelner Änderungsanträge zu stellen, die Fraktionen zwingt, Bedenken und abweichende Vorstellungen ihrer Mitglieder ernst zu nehmen und im Laufe der Beratungen entweder zu berücksichtigen oder diese Bedenken zu zerstreuen. Denn würde eine Fraktion versuchen, die Auffassungen von an dem Entwurf interessierten Mitgliedern einfach zu übergehen, müsste sie gewärtigen, dass diese ihre abweichende Meinung in öffentlicher Sitzung des Bundestages durch Änderungsanträge und vielleicht durch abweichendes Abstimmungsverhalten deutlich machen, was dieser Fraktion in der Öffentlichkeit als Zerstrittenheit oder Entscheidungsschwäche angekreidet würde. Weil die Fraktionen dies beachten, sind in der Praxis Änderungsanträge einzelner Abgeordneter in der zweiten Beratung eher selten. Häufiger kommt es schon vor, dass die Opposition, wenn sie dem betreffenden Entwurf nicht zustimmen will, ihre abweichenden Vorstellungen insgesamt in der Form eines oder mehrerer Änderungsanträge zur Debatte und zur Abstimmung stellt.

* Beispiel für die zweite und dritte Lesung

Aus dem Stenographischen Protokoll ergibt sich, dass zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts in der zweiten Beratung von der Fraktion der PDS zwei Änderungsanträge gestellt wurden. Über diese Änderungsanträge wurde zuerst abgestimmt, so dass die weitere Abstimmung in der zweiten Beratung vereinfacht durchgeführt werden konnte: Es wurde nicht über jeden Paragraphen oder nach Abschnitten, sondern über den gesamten Gesetzestext in einem Votum abgestimmt. Das Protokoll zeigt auch, wie dies geschieht, nämlich durch Handzeichen. Es zeigt weiter, dass ein Abgeordneter eine - schriftliche - Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung abgegeben hat, die in einer Anlage zum Protokoll abgedruckt wurde. Schriftliche oder mündliche Erklärungen zur Abstimmung dienen der Begründung des persönlichen Abstimmungsverhaltens eines Abgeordneten, insbesondere, wenn er von der Linie seiner Fraktion abweicht.

Wird ein Gesetzentwurf, wie in unserem Beispiel, in zweiter Lesung unverändert angenommen, so kann die dritte Beratung unmittelbar angeschlossen werden. In dieser Schlussabstimmung erheben sich die Abgeordneten auf die Frage des Präsidenten nach Zustimmung, Gegenstimmen und Enthaltungen von den Plätzen. In der Praxis wird im Bundestag häufig auch dann unmittelbar nach Abschluss der zweiten in die dritte Lesung eingetreten, wenn Änderungsanträge angenommen worden sind. Voraussetzung dafür ist aber, dass zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestages dem zustimmen. Diese Zustimmung wird in der Regel erteilt. Wird sie nicht gegeben, kann die dritte Lesung erst am zweiten Tage nach Verteilung der Drucksache mit den in zweiter Lesung beschlossenen Änderungen erfolgen.

Das Stenografische Protokoll zeigt im Übrigen, dass hier keine weitere Aussprache in der dritten Beratung stattgefunden hat. Dies geschieht nur, wenn es von einer Fraktion oder mindestens 5 vom Hundert der Abgeordneten verlangt wird. Auch Änderungsanträge sind in der dritten Lesung nicht mehr von einzelnen Abgeordneten, sondern nur noch von Fraktionen oder einer Anzahl von Abgeordneten in Fraktionsstärke zulässig.

Entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses wurden schließlich noch eine Entschließung des Bundestages zum neuen Waffenrecht angenommen und der im Gesetzgebungsverfahren mit behandelte Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Waffengesetzes in zweiter Beratung abgelehnt. Dieser Gesetzentwurf war damit endgültig abgelehnt.

Eine besondere Gruppe von Gesetzen, durch die Verträge mit auswärtigen Staaten angenommen oder abgelehnt werden (Ratifikationsgesetze), wird nur in zwei Lesungen behandelt. Der Bundestag hat in diesen Fällen nur die Möglichkeit, im Ganzen zuzustimmen oder abzulehnen, weil der Vertrag in seinem endgültigen Text mit dem auswärtigen Partner durch die Bundesregierung ausgehandelt wurde und nicht noch in Einzelheiten vom Bundestag einseitig geändert werden kann. In diesem Verfahren hat der Bundestag auch über den Einigungsvertrag mit der damaligen DDR beschlossen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/gesgeb/13lesung2
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