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Juli 02/1998
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Geduldete Flüchtlinge erhalten weiterhin Sozialhilfe

(ge) Das Asylbewerberleistungsgesetz wird dahin gehend geändert, daß Personen, "die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder bei denen aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können", Leistungen nur noch erhalten, soweit dies "im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist". Das beschloß der Bundestag, als er am 25. Juni auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses (13/11173) den Entwurf des Bundesrates für ein zweites Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (13/10155) in geänderter Fassung annahm. Von 605 abgegebenen Stimmen entfielen 471 auf ja, 107 auf nein; 27 Abgeordnete enthielten sich.
Die ursprüngliche Fassung der Länderkammer sah noch vor, daß auch die Personen weniger Leistung erhalten sollen, die nicht freiwillig ausreisen, obwohl ihre Ausreise in den Herkunftsstaat oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staat keine rechtliche oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen.

Experten gegen Entwurf

Bei einer Anhörung im April war vor allem dieser Passus auf einhellige Ablehnung bei Kirchenvertretern, Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen gestoßen, da davon auch die rund 200.000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien sowie etwa 50.000 Kosovo-Albaner und ehemalige Asylbewerber aus allen anderen Herkunftsländern, die legal geduldet werden, betroffen gewesen wären.
Im Gesundheitsausschuß hatten die Fraktionen am 23. Juni betont, man habe diesen Passus aus dem Gesetz herausgenommen, da das Ziel der Novelle sei, Mißbrauch in "zweifelsfreien Fällen" zu verhindern. Dem Bundesrat warf die Koalition vor, bei der Erarbeitung seines Entwurfs "schlampig" vorgegangen zu sein. Der Bundestag habe nun versucht, die Lücken zu füllen.
Betroffen von der Gesetzesänderung sind die Ausländer, die nur in die Bundesrepublik kamen, um Sozialleistungen zu erhalten und die ausreisepflichtigen Ausländer, die zum Beispiel ihre Ausweispapiere vernichten oder falsche Angaben zu ihrer Identität machen, um eine Abschiebung in ihre Heimat zu verhindern.
Von der Novelle unberührt bleibt die medizinische Hilfe. Die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Leistungen bei akuter Erkrankung und Schmerzzuständen gehöre stets zu der unabweisbar gebotenen Hilfe, heißt es in der Beschlußempfehlung.

Einsparung offen

Zum finanziellen Teil hatte der Bundesrat erklärt, die Novelle sei unmittelbar mit Einsparungen verbunden, deren Höhe jedoch wegen "fehlender Berechnungsgrundlage" nicht beziffert werden könne. Das Gesetz, dessen geänderter Fassung der Bundesrat noch zustimmen muß, soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Auch in der Plenardebatte hob Wolfgang Lohmann für die CDU/CSU-Fraktion noch einmal hervor, Ziel der Gesetzesänderung sei es, den "Mißbrauch und die Erschleichung von Sozialleistungen" zu erschweren. Treffen wolle man diejenigen, die - "meist durch Schlepperbanden organisiert" - gezielt nach Deutschland einreisten und ausschließlich Sozialleistungen beziehen. Man glaube, daß eine Lösung in einer "unmittelbaren Verbindung zwischen Ausländerrecht und Sozialrecht" liegen könnte. Kritikern hielt Lohmann entgegen, die Novelle solle nicht an der Quantität der Betroffenen, sondern an seiner "Signalwirkung" gemessen werden. Es solle signalisieren, daß "Mißbrauch und Erschleichung von Sozialleistungen" sanktioniert werden können.
Für die SPD betonte Brigitte Lange, ihre Fraktion könne nicht zufrieden, aber doch
erleichtert sein, weil man ein wichtiges Ziel
erreicht habe. Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete Flüchtlinge, deren Schutzbedürftigkeit im Gesetz verbrieft seien, müßten nicht erneut Leistungseinschränkungen hinnehmen. Das große Grundsatzproblem des "Spannungsverhältnisses zwischen Sozialrecht und Ausländerrecht" bleibe aber bestehen. Und darin liege "sozialer Sprengstoff".
Andrea Fischer von Bündnis 90/Die Grünen erklärte, die Rede der Kollegin Lange sei ein "trauriger Höhepunkt in dem Doppelspiel", daß die SPD seit Monaten mit den Asylbewerbern treibe. Sie sei sehr dankbar dafür, so Fischer, daß es wie die letzten Wochen gezeigt hätten, in unserem Land offensichtlich sehr viel Solidarität mit Flüchtlingen gebe. Erleichtert sei man, daß aus dem Gesetzentwurf Dank dieser Solidaritätsbewegung "das Schlimmste" herausgenommen worden sei. Dennoch sei er nicht gut genug und werde von den Bündnisgrünen abgelehnt.
Erreicht werde nun, daß Sozialämter darüber entscheiden, wer mutwillig dafür verantwortlich ist, daß er seine Identität nicht nachweisen kann. Dies sei aber ein "höchst kompliziertes Feld", indem es auch darum gehe, wie sich die Behörde des Herkunftslandes verhalten, ob es also überhaupt möglich ist, sich einen Paß zu verschaffen.

"Erträglicher Kompromiß"

Der F.D P. Politiker Uwe Lühr betonte, der Erhalt der Menschenwürde bedeute nicht nur Gewährung von Essen und Trinken, sondern bestimme sich "in unserem Land nach unseren Standards". Auch gegenüber Ausländern bestehe diese Verpflichtung. Den Entwurf des Bundesrates, der "hart am rechtsstaatlichen Konsens vorbeischrammte" habe man auf einen "erträglichen Kompromiß" zurückgestutzt. Das Asylbewerberleistungsgesetz beinhalte eine "kritische Ausnahmeregelung" nach der die Leistungen deutlich unter die Standards des Bundessozialhilfegesetzes abgesenkt werden. Die beabsichtigte Wirkung sei zu vermuten, ein Bilanz dazu stehe allerdings aus.
Ebenso wie die Bündnisgrünen lehnte die PDS den Gesetzentwurf ab. Dr. Heidi Knake-Werner erklärte für die Gruppe, seit seiner Verabschiedung sehe sich das Asylbewerberleistungsgesetz massiven Änderungswünschen ausgesetzt, die alle nur ein Ziel hätten: "möglichst vielen Flüchtlingen möglichst wenig Leistungen zu gewähren".
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802029
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