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Oktober 09/1999
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Neukonzeption der Lageberichte des Auswertigen Amtes begrüßt

(mr) Einmütig begrüßt hat der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am 29. September die Neukonzeption der Lageberichte des Auswärtigen Amtes. Erfreut zeigten sich die Abgeordneten auch über die Zusage der Bundesregierung, auf die Fachkenntnis der Abgeordneten bei zukünftigen Berichten zurückgreifen zu wollen.

In einem Informationspapier erläuterte das Auswärtige Amt (AA) dem Ausschuss Auftrag und Funktion der Lageberichte. Diese dienen den Angaben zufolge der Erfüllung der Pflicht des Amtes zur Rechts­ und Amtshilfe gegenüber Behörden und Berichten des Bundes und der Länder. Das Bundesverfassungsgericht habe 1996 mit Blick auf die sicheren Herkunftsstaaten entschieden, dass angesichts der Tatsache, dass die Verfassung dem Gesetzgeber die Einschätzung von Auslandssachverhalten aufgebe, gerade den Auslandsvertretungen eine Verantwortung zufalle, die sie zu besonderer Sorgfalt bei der Abfassung ihrer einschlägigen Berichte verpflichte, da diese sowohl für den Gesetzgeber wie für die Exekutive eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bildeten. Das Auswärtige Amt erstelle daher Lageberichte ausschließlich in eigener Verantwortung.

Entscheidungshilfen

Die Lageberichte sollen den Angaben zufolge vor allem dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten als Entscheidungshilfe in Asylverfahren dienen, aber auch den Innenbehörden der Länder bei ihrer Entscheidung über die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer. In ihnen stelle das Auswärtige Amt asyl­ und abschiebungsrelevante Tatsachen und Ereignisse dar. Rechtliche Wertungen und Schlussfolgerungen aus der tatsächlichen Lage seien Sache der zuständigen Behörden und Gerichte.

Wie das AA weiter darlegt, sind die deutschen Botschaften darauf angewiesen, sämtliche vor Ort zur Verfügung stehenden Erkenntnisse auszuwerten. Dies gelte insbesondere für Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen und vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen (NGO). Weitere Erkenntnisquellen seien Oppositionskreise, Rechtsanwälte, Botschaften westlicher Partnerstaaten, internationale Organisationen wie zum Beispiel der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), Regierungskreise sowie abgeschobene Personen. Darüber hinaus tausche das Amt vierteljährlich mit Vertretern der großen NGO und dem UNHCR Informationen über die Lage in einzelnen Herkunftsländern aus.

Die Einstufung der Lageberichte als "Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch" begründet das Auswärtige Amt damit, dass nur ein solches "restriktives Weitergabeverfahren" sicherstelle, dass die Berichte ohne Rücksichtnahme auf außenpolitische Interessen formuliert werden können. Die Schutzbedürftigkeit sei auch aus Gründen des Quellenschutzes und in Einzelfällen sogar im Interesse der persönlichen Sicherheit der Mitarbeiter des AA geboten.

Der Menschenrechtsausschuss diskutierte die Neukonzeption der Lageberichte am Beispiel der Türkei. Amnesty International (ai) hatte in seinem Papier an den Ausschuss zu dem neuen AA­Lagebericht zur Türkei vom 7. September 1999 begrüßt, dass dieses die Reform der Berichte über die asyl­ und abschiebungsrelevante Lage weitgehend umgesetzt habe. Der neue Lagebericht enthalte detaillierte Angaben über die Menschenrechtslage in der Türkei und stelle eine "solide Entscheidungsgrundlage" für die Behörden und Gerichte dar.

In einigen wichtigen Punkten weiche der Lagebericht allerdings weiterhin von den Erkenntnissen von ai ab. Er berücksichtige die Erkenntnisse anderer Quellen, die entgegen den bisherigen Gepflogenheiten offengelegt würden, was zu mehr Transparenz führe. Allerdings sei die "Geheimhaltungspolitik" des AA "nach wie vor" vollkommen unverständlich. Die Situation, dass NGO sowie der UNHCR zum Gespräch über die Lageberichte gebeten würden, ohne aber einen formellen Zugang zu diesen zu haben, sei "absurd".

Keine Gruppenverfolgung

Ebenso wie das AA kommt auch ai in seinem Papier nach den vorliegenden Informationen zu dem Schluss, es liege keine Gruppenverfolgung von Kurden allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit in der Türkei vor. Amnesty vertrete vielmehr die Ansicht, dass diejenigen Personen, die in irgendeiner Weise mit Aktivitäten zu Gunsten der kurdischen Sache in Verbindung gebracht werden, gefährdet seien, Opfer staatlicher Verfolgung zu werden. Im neuen Lagebericht zur Türkei werde dies ähnlich gesehen. Um so bedauerlicher sei es allerdings, dass das AA seine zuvor selbst getroffene Aussage zur Gefährdung bestimmter Personen relativiere, indem es erklärt, türkische Behörden seien vor allem "an Drahtziehern" von Auslandsaktivitäten interessiert. Amnesty erhalte wiederholt Berichte, denen zufolge auch Personen, die sich an nicht herausgehobener Stelle für die kurdische Sache einsetzen, politische Verfolgung zu befürchten hätten.

Von Amnesty positiv bewertet wird der Fakt, dass der Lagebericht eine Reihe von sogenannten Rückkehrerfällen aufgreife. Im Vergleich zu vorangegangenen Berichten zur Türkei sei es ein "erheblicher Fortschritt", dass das Auswärtige Amt in einigen Fällen eingestehe, dass es nach der Abschiebung der genannten Personen zur Anwendung von Folter und zu Misshandlungen gekommen sein könnte.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9909/9909047a
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