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Oktober 09/1999
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"Ansteckende Lebensfreude"

Annemarie Renger feierte ihren 80. Geburtstag

Hunderte von Gratulanten kamen ins Opernpalais, noch einmal etwa 50 fanden sich zum festlichen Abendessen ein, unter ihnen Bundespräsident Johannes Rau. Nur der grippegeschwächte Bundeskanzler Gerhard Schröder musste passen, als die frühere Bundestagspräsidentin Annemarie Renger am 7. Oktober in Berlin ihren 80. Geburtstag feierte. Schröders Amtsvorgänger Helmut Kohl lobte die über Parteigrenzen hinaus respektierte und geschätzte Sozialdemokratin: "Heute bin ich gerne hier. Nehmen Sie das, so wie ich das sage, als eine Art Liebeserklärung."

Gratulanten zu Annemarie Rengers 80. Geburtstag: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (rechts) und Altbundeskanzler Helmut Kohl
Gratulanten zu Annemarie Rengers 80. Geburtstag: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (rechts) und Altbundeskanzler Helmut Kohl.

In imposanter Haltung begrüßte Annemarie Renger ihre Gäste. Besonders herzlich fiel ihr Willkommen für den inzwischen 83-jährigen Richard Stücklen (CSU) aus, einen ihrer Nachfolger auf dem Präsidentenstuhl. Der jetzige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse rühmte die "ansteckende Lebensfreude" seiner Parteifreundin und erinnerte an ihr jahrzehntelanges engagiertes Eintreten für die deutsche Einheit.

Zum Abendessen hatten Wolfgang Thierse sowie die Vorsitzenden der SPD und ihrer Bundestagsfraktion, Gerhard Schröder und Peter Struck, in den gerade wieder hergerichteten Kaisersaal des Reichstagspräsidentenpalais eingeladen, das nun die Parlamentarische Gesellschaft nutzt. Es war das erste große Festessen in dem wieder im alten Glanz strahlenden Saal, und die Gastgeber ehrten Annemarie Renger in launigen, sehr persönlich gehaltenen Reden.

"Ich bin ein Stück Sozialdemokratie", hat die "Große Dame" der SPD im Rückblick über ihren Lebensweg gesagt. Auch zehn Jahre nach ihrem Rückzug aus der aktiven Politik ist sie immer noch populär. Als leidenschaftliche Parlamentarierin, die "Fasziniert von Politik" war, so der Titel ihrer Erinnerungen, war sie über Jahrzehnte eine Institution in Bonn.

So hoch wie Annemarie Renger ist bislang keine andere Sozialdemokratin gekommen. Erste Präsidentin des Bundestages (1972-1976), langjährige Vize-Präsidentin und SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten waren die wichtigsten Stationen.

Der Aufstieg fiel der gebürtigen Leipzigerin, die als Einjährige mit ihren Eltern nach Berlin zog, nicht in den Schoß. Die Tochter eines Tischlers stammt aus dem klassischen sozialdemokratischen Milieu. Der Vater war Mitbegründer der Arbeitersportbewegung. Nach dem Krieg wurde die junge Kriegerwitwe - zunächst in Hannover, dann in Bonn - enge Vertraute und Mitarbeiterin von Kurt Schumacher. Nach dem frühen Tod des Wiederbegründers der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Annemarie Renger 1953 selbst Abgeordnete im Bundestag. Politisch fühlte sie sich stets als Hüterin der Ideale im Sinne Schumachers. Dazu gehörte die entschiedene Ablehnung der Zusammenarbeit mit den Kommunisten und das Einstehen für die deutsche Einheit. Ihr besonderes Engagement gilt bis heute der Aussöhnung mit Israel.

"Vielleicht kann die Tatsache, dass einer Frau zum ersten Mal in der deutschen Geschichte das Amt des Parlamentspräsidenten übertragen worden ist, dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, die einer unbefangenen Beurteilung der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft noch immer entgegenstehen", sagte Annemarie Renger nach ihrer Wahl am 13. Dezember 1972. Am Ende ihrer Amtszeit, vier Jahre später, zog sie zufrieden Bilanz: "Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann."

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9909/9909070
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