ÖFFENTLICHES GESPRÄCH DES EUROPAAUSSCHUSSES
Tschechischer Botschafter spricht von einem "heilsamen Schock"
(eu) Als einen "heilsamen Schock" hat es am 1. Dezember der Botschafter der Tschechischen Republik, František Černy, bezeichnet, dass die Europäische Kommission in ihrem Bericht über die Fortschritte des Landes auf dem Weg zu einem Beitritt zur Europäischen Union (EU) beträchtliche Verzögerungen moniert hat. Man habe sich lange Zeit quasi in der Rolle des Klassenbesten gesonnt, so Černy in einem öffentlichen Gespräch des Europaausschusses mit den Botschaftern jener zwölf Staaten, die sich um einen Beitritt zur EU bewerben, und darüber vergessen, die Bemühungen auf diesem Weg ernsthaft voranzutreiben.
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Die Botschafter jener mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Zyperns und Maltas, die sich um einen Beitritt zur Europäischen Union bewerben, waren am 1. Dezember zu Gast im Europaausschuss. Achter von links der Ausschussvorsitzende Friedbert Pflüger. |
Nachdem es in der Vergangenheit oft parteipolitische Streitigkeiten gegeben habe, die auf Kosten von Fortschritten auf dem Weg zu einer EUMitgliedschaft gegangen seien, herrsche mittlerweile Konsens in Prag, dass sich diese Entwicklung kontraproduktiv ausgewirkt habe. Als Konsequenz seien im Parlament jetzt 60 Gesetzesinitiativen als Antwort auf die Mängelliste der Kommission eingeleitet, die Černy zufolge bis Juni 2000 umgesetzt seien sollen, um im nächsten Bericht der Kommission besser dazustehen. Die Tschechische Republik strebe nach wie vor einen EUBeitritt zum Beginn des Jahres 2003 an.
Die Gesandte der Republik Polen, Urszula PaŁŁasz, verdeutlichte vor dem Ausschuss, ihr Land begrüße die Erweiterung der Beitrittsverhandlungen. Es gebe damit Hoffnung auf eine "neue Dynamik" für diesen Prozess. Polen wünsche in der nächsten Zukunft mehr Expertentreffen auf politischer Ebene, um über den reinen Informationsaustausch hinauszukommen.
Der Botschafter Ungarns, Péter Balázs, erklärte in seinem Statement, sein Land sei bereit, ohne Übergangsfristen bezüglich der Freizügigkeit in der EU beizutreten. Dieser mutige Schritt, wie er es nannte, sei möglich, da Ungarn eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit habe und eine Invasion von Arbeitssuchenden deshalb verkraften könne. Im Bereich Innen und Justizpolitik sei man bemüht, sich schnell dem so genannten acquis communautaire (dem gemeinschaftlichen Besitzstand) anzupassen und damit im Zusammenhang auch die künftigen Außengrenzen der Union zu bewachen. Es bedürfe aber einer klaren Aussage aus Brüssel, wo nach der ersten Aufnahmerunde diese Außengrenzen lägen.
Der Vertreter Lettlands, Botschafter Andris Teikmanis, machte deutlich, sein Land sei bereit, die "Überholspur zu nutzen", um bei den Beitrittsverhandlungen nach vorne zu kommen. Insofern sei Lettland in der Lage zu Verhandlungen gleich nach dem Europäischen Rat in diesem Monat in Helsinki.
Der Botschafter Estlands, Margus Laidre, betonte, der Bericht der Europäischen Kommission vom vergangenen Oktober habe die estnische Reformpolitik bestätigt. Im Übrigen habe man den Wunsch, einer starken und reformierten EU beizutreten. Deshalb biete es sich an, bereits bei der Regierungskonferenz zur Reform der Institutionen in der EU, die im Jahr 2000 beginnen soll, aktiv werden zu dürfen.
Auch der Botschafter Litauens, Zenonas Namavičius, erklärte, man sei bereit zu schnellen Verhandlungen mit der EU. Politisch gesehen sei Litauen bereits schon ein modernes europäisches Land. Dennoch gebe es Probleme bei der Rechtsangleichung, die allerdings in zwei Jahren zu lösen seien.
Der rumänische Botschafter, Tudor Gavil Dunca, verdeutlichte vor dem Ausschuss, seine Regierung sei sich der Dimensionen der noch zu bewältigenden Probleme auf dem Weg zu einem Beitritt bewusst. Erste Maßnahmen seien aufgrund des Berichtes der Kommission bereits eingeleitet. Dies gelte sowohl für Umstrukturierungsmaßnahmen in der Makroökonomie als auch mit Blick auf Verbesserungen beim Kinderschutz.