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09/2001
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Streitgespräch

Dialog

Mit Steuererhöhungen die innere Sicherheit finanzieren?

Mit der Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer will die Bundesregierung den verstärkten Kampf gegen den Terrorismus finanzieren. Drei Milliarden Mark jährlich sollen künftig zusätzlich in die Kasse von Finanzminister Hans Eichel fließen und vor allem für die innere Sicherheit ausgegeben werden. Aber: Passt das, was angesichts der terroristischen Bedrohung sinnvoll erscheint, auch in die wirtschaftliche und konjunkturelle Lage? Darüber führte BLICKPUNKT BUNDESTAG ein Streitgespräch mit der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Gerda Hasselfeldt und dem finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Jörg-Otto Spiller.

Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU, ...
Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU, ...

Blickpunkt Bundestag: Besteht Einigkeit zwischen Ihnen, dass für die innere und äußere Sicherheit mehr Geld ausgegeben werden muss?

Gerda Hasselfeldt: Ja, ich denke darüber besteht Konsens, dass die Bekämpfung des Terrorismus ein neuer Schwerpunkt der Politik sein muss.

Jörg-Otto Spiller: Dass Koalition und Opposition hier zusammenstehen, gehört zu den wenigen erfreulichen Aspekten der neuen Sicherheitslage.

Jörg-Otto Spiller, SPD.
Jörg-Otto Spiller, SPD.

Blickpunkt: Warum aber die zusätzliche Finanzierung der inneren Sicherheit über Steuererhöhungen? Hätten die drei Milliarden Mark – das sind gerade mal 0,6 Prozent des Bundesetats in Höhe von 485 Milliarden Mark – nicht auch durch Umschichtungen im Haushalt finanziert werden können?

Spiller: Theoretisch lässt sich das leicht sagen. Wenn man aber drei Milliarden Mark tatsächlich an anderer Stelle einsparen will, wird es schon sehr viel schwieriger. Bislang habe ich jedenfalls keine sehr überzeugenden Vorschläge vernommen.

Hasselfeldt: Es wäre aber die Aufgabe der Regierung, vernünftige und effektive Vorschläge zu machen. Drei Milliarden Mark sind doch durch Umschichtungen und neue Prioritätensetzungen aus dem Etat herauszuschneiden! Die Union hat mehrfach angeregt, im konsumptiven Bereich, insbesondere bei der Arbeitsmarktpolitik und im Sozialbereich, anzusetzen. Aber dazu gehört Mut. Und den hat die Regierung nicht gehabt. Das ist ein Armutszeugnis.

Spiller: Es gehört auch Zeit dazu. Es kam uns auf eine rasche Entscheidung an, da die Sicherheitslage sich jetzt entscheidend verändert hat und notwendige Ausgaben jetzt erforderlich sind. Es gibt nur wenige Steuern, über die der Bundestag allein entscheiden kann. Dazu gehören die Mineralölsteuern...

Hasselfeldt: ... da haben Sie mit der Ökosteuer ja schon kräftig zugelangt.

Spiller: ... und die Tabaksteuer. Im Gegensatz zur Union, die beim Golfkrieg die Mineralölsteuer um bis zu 25 Pfennige pro Liter erhöht hat, haben wir uns für eine moderate Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer entschieden.

Im Gespräch: Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU, ...
Im Gespräch: Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU, ...

Blickpunkt: Rauchen für die Sicherheit – ist das die Lösung?

Spiller: Natürlich machen höhere Steuern nicht überall Freude. Aber ich glaube doch, dass es sich um eine zumutbare Erhöhung handelt und die meisten Verbraucher Verständnis dafür zeigen, dass die innere und äußere Sicherheit sauber finanziert werden müssen.

Blickpunkt: Passen Steuererhöhungen zum Konjunkturabschwung und den dramatischen Arbeitslosenzahlen?

Hasselfeldt: Nein, sie passen überhaupt nicht in die wirtschaftliche Landschaft. Sie sind im Gegenteil das völlig falsche wirtschaftspolitische Signal. Zumal ja weit über das Ziel hinausgeschossen wird, weil Hans Eichel nicht drei, sondern auf Dauer fünf bis sechs Milliarden Mark jährlich kassiert. Das heißt, hier wird unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung munter in die Taschen der Steuerbürger gegriffen. Dabei bräuchten wir Steuersenkungen statt Steuererhöhungen.

Spiller: Nun mal langsam. Es hat eine massive Steuersenkung gegeben in diesem Jahr.

Hasselfeldt:Die Leute haben es nur nicht gemerkt.

Spiller: Unsinn. Natürlich merken die Menschen, wenn mehr Geld im Portemonnaie bleibt. Denken Sie nur an die Kindergelderhöhung. Also: Bei der Gesamtbilanz brauchen wir uns überhaupt nicht zu verstecken. Im Übrigen: Wer Steuern senken will, geht schnell den Weg der weiteren Neuverschuldung. Und der ist völlig falsch.

Hasselfeldt: Auch wir wollen keine höhere Kreditaufnahme und Neuverschuldung. Nötig sind bessere Rahmenbedingungen für das Wirtschaften. Dadurch erhalten Sie mehr Wachstum und höhere Steuereinnahmen. Wir haben deshalb so viele Arbeitslose bei uns, weil die Koalition ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Hausaufgaben nicht gemacht hat.

... und Jörg-Otto Spiller, SPD.
... und Jörg-Otto Spiller, SPD.

Blickpunkt: Sind Steuererhöhungen nicht tatsächlich Gift für die Konjunktur und kontraproduktiv zum Ziel, die Arbeitslosenzahl auf unter 3,5 Millionen zu drücken?

Spiller: Wenn wir generell eine Steuererhöhungspolitik betrieben, hätten Sie Recht. Aber wir haben unterm Strich deutliche Entlastungen. Ich bleibe dabei: Die jetzigen moderaten Anhebungen für eine wichtige Sache sind zumutbar. Überdies wird das Mehraufkommen aus der Tabaksteuer anfangs nicht so hoch sein, weil der Verbrauch sinkt. Wie sich das auf Dauer entwickelt, wird man sehen. Aber ich glaube – leider – nicht, dass Ausgaben für äußere und innere Sicherheit bald wieder gesenkt werden können. Wir müssen uns wohl auf längere Sicht mit ihnen einrichten.

Hasselfeldt: Das bestärkt unsere Vermutung, dass die Regierung über die jetzt geplanten drastischen Steuererhöhungen schon an weitere denkt. Wir werden weder bei den jetzigen Steuererhöhungen noch bei künftigen mitmachen. Weil sie nicht notwendig und das falsche wirtschaftspolitische Signal sind. Das sehen Sie schon daran, dass die geplanten Steuererhöhungen zusammen mit der Ökosteuer bei der ohnehin schon hohen Inflationsrate mit 0,5 Prozent zu Buche schlagen.

Blickpunkt: Wie lange wird es die erhöhte Tabaksteuer geben?

Spiller: Ich bin nicht in der Lage zu sagen, dass sie nur auf ein oder zwei Jahre befristet sein wird. Ich hoffe sehr, dass die Sicherheitslage es erlaubt, bald wieder freier atmen zu können.

Hasselfeldt: Ich bin da nicht sehr hoffnungsfroh. Gerade weil die Gelder ja nicht nur für die Terrorismusbekämpfung, sondern in hohem Maße auch zum Stopfen vorhandener Haushaltslöcher verwendet werden, glaube ich nicht, dass die Regierung diese Steuererhöhungen in den nächsten Jahren wieder zurücknimmt.

Blickpunkt: Müssten statt Steuererhöhungen nicht Konjunkturspritzen die Devise sein?

Spiller: Von Milliardenspritzen halte ich nicht viel. Das sind oft Strohfeuer, die dauerhaft wenig Wirkung zeigen und den Konsolidierungskurs von Hans Eichel gefährden würden. Überdies sind wir wirtschaftlich so eng mit unseren Nachbarn verflochten, dass Alleingänge wenig sinnvoll sind.

Hasselfeldt: Was schnelle Konjunkturprogramme anbetrifft, haben Sie Recht. Aber zeigen Sie nicht immer auf andere. Wir sind am unteren Ende der Wachstumsskala der europäischen Länder, weil die Regierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiter reguliert statt sie von unnötigen Vorschriften zu befreien.

Blickpunkt: Zum Schluss: Warum eigentlich muss der Zigarettenraucher künftig tiefer in die Tasche greifen, der Kanzler für seine geliebte Havanna-Zigarre aber nicht?

Spiller: Mit den Zigarren tun wir uns schwer. Wir wollen nicht, das auch noch die letzten heimischen Zigarrenhersteller dicht machen. Kleiner Trost für Zigarettenraucher: Für jede einzelne Zigarre seiner Lieblingsmarke, die der Kanzler kauft, zahlt er so viel Steuern wie für mehrere Schachteln Zigaretten, allerdings hauptsächlich Mehrwertsteuer.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0109/0109096a
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