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01/2002
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Essay

Parlamente – wichtiger als je zuvor

von Kofi Annan

Kofi Annan
Kofi Annan

Das Parlament ist der Ort, an dem ein großer Teil der entscheidenden Arbeit eines Landes verrichtet wird. Im Parlament werden die verschiedensten Ansichten, Traditionen und Überzeugungen ausgetauscht und diskutiert. Und im Parlament werden die nationalen Gesetze gemacht.

Heute spielen die Parlamente eine wichtigere Rolle als je zuvor. Dank der Verbreitung der Demokratie verkörpern sie den Willen der Menschen und spiegeln ihre Bedürfnisse und Wünsche am besten wider. Und da die großen Herausforderungen heutzutage zumeist globaler Natur sind, können die Parlamentarier, die die Kunst beherrschen, zu diskutieren und Kompromisse einzugehen, den Nationen dieser Welt helfen, ihre Differenzen beiseite zu legen und zusammenzuarbeiten.

Dies gilt auf jeden Fall für den Kampf gegen den Terrorismus, der nach den Anschlägen gegen die Vereinigten Staaten vom vergangenen September an Dringlichkeit gewonnen hat. Der Sicherheitsrat hat die umfassende Resolution 1373 verabschiedet, die darauf abzielt, Terroristen sowie diejenigen, die ihnen Unterschlupf, Unterstützung oder Rückhalt gewähren, zu bekämpfen. Die Resolution verlangt von den Mitgliedstaaten Kooperation auf zahlreichen Gebieten: Sie sollen unter anderem die Finanzquellen des Terrorismus trockenlegen, bei polizeilichen Ermittlungen zusammenarbeiten und Informationen über mögliche terroristische Aktivitäten austauschen. Nun liegt es an den Parlamentariern, Gesetze zu verabschieden, die diese Resolution auf nationaler Ebene wirksam werden lassen.

Zur Umsetzung dieser Resolution ist Fachwissen erforderlich, über das zahlreiche Mitgliedstaaten nicht verfügen. Viele Mitgliedstaaten werden überdies Hilfe bei der Umsetzung der zwölf Konventionen und Protokolle zum internationalen Terrorismus benötigen, die unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen bereits erarbeitet und verabschiedet wurden. Ich rufe die Parlamente dazu auf, diese Hilfe schnell und großzügig zu gewähren.

Der Kampf gegen den Terrorismus und die Situation in Afghanistan sind jedoch nicht die einzigen Themen, mit denen wir uns auseinander setzen müssen.

Konfliktverhütung, die Bekämpfung von Armut, AIDS und Umweltzerstörung sowie die Förderung von Rechtsstaatlichkeit sind Fragen, die nicht weniger dringlich geworden sind. Ganz im Gegenteil, das Engagement der Parlamentarier wird von wesentlicher Bedeutung sein, um sicherzustellen, dass wir diese unmittelbaren Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren.

Ich hoffe, dass die Parlamente in diesem Jahr zwei Veranstaltungen der Vereinten Nationen besondere Beachtung schenken werden: der Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung im März in Mexiko und dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im September.

Diese Konferenzen bieten die viel versprechende Aussicht auf eine Neubelebung des Entwicklungsprozesses und auf das Beschreiten eines Pfades wirtschaftlichen Wachstums, der es auch unseren Kindern und Enkelkindern ermöglicht, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Auch hier liegt es an den Parlamentariern mit ihrer einzigartigen Gesetzgebungskompetenz – und nicht zuletzt mit ihrer Macht über die Finanzen – internationale Vereinbarungen in die Tat umzusetzen.

Ich hoffe außerdem, dass die Parlamentarier ihr Möglichstes tun werden, um nicht nur den Frauenanteil in ihren Reihen zu erhöhen, sondern auch, um Gesetze zu verabschieden, die die Rechte der Frauen schützen, ihre Mitwirkung am Entscheidungsprozess begünstigen sowie ihr Wohlergehen und ihr Fortkommen sicherstellen. Viele Parlamentarier haben sich in diesem Kampf stark hervorgetan; ich hoffe, die übrigen werden diesen Pionieren folgen.

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Kofi Annan ist seit 1997 in zweiter Amtszeit Generalsekretär der Vereinten Nationen. Er wurde am 8. April 1938 in Kumasi (Ghana) geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften in Genf und Minnesota sowie am renommierten Massachusetts Institute of Technology (USA). Annan begann seine UN-Laufbahn 1962 als Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf und nahm nach kurzer Unterbrechung zwischen 1980 und 1996 verschiedene UN-Ämter wahr. Im Oktober 2001 wurde ihm und der UNO der Friedensnobelpreis zuerkannt. Annan ist verheiratet und hat drei Kinder. www.un.org

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0201/0201003a
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