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März 2/2003
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Streitgespräch

Ulrike Flach (l.) und Gudrun Schaich-Walch

Gentechnik – eine Herausforderung

Die internationale Entwicklung in der Genforschung und -technik beschäftigt auch den Bundestag. Die Diskussion bewegt sich einerseits um die Möglichkeit von sehr frühen Gentests am menschlichen Embryo, andererseits um das Klonen menschlicher Zellen. Ist das Fortschritt oder eine Bedrohung unserer Werte? Blickpunkt Bundestag führte darüber ein Streitgespräch mit der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Gudrun Schaich-Walch, und der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach, die auch Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestages ist.

Blickpunkt Bundestag: Frau Schaich-Walch, erst das Klon-Schaf Dolly, nun angeblich das menschliche Klon-Baby Eve – kommt das von SPD, CDU/CSU und den Grünen angestrebte generelle und weltweite Klonverbot nicht zu spät?

Gudrun Schaich-Walch: Ich bezweifle sehr, dass es wirklich Klon-Babys gibt. Aber wenn jemand das ernsthaft versucht hätte, wäre das ausgesprochen verantwortungslos. In Deutschland haben wir ja schon mit unserem Embryonenschutzgesetz ein Klonverbot. Was wir wollen, ist ein weltweites Verbot.

Blickpunkt: Frau Flach, warum will die FDP da nicht mitziehen?

Ulrike Flach: Wir waren die erste Fraktion, die schon im letzten Jahr deutlich gemacht hat, dass wir in keiner Weise ein reproduktives (der Vermehrung dienendes, d. Red.) Klonen wollen. Aber wir möchten dabei pragmatisch vorgehen. Wir glauben, dass wir mit dem Verbot international bessere Chancen haben, wenn wir uns auf den Punkt beschränken, um den es wirklich geht: Das Klonen von Menschen.

Blickpunkt: Warum will die SPD auch das therapeutische Klonen, mit dem man schwere Krankheiten zu heilen hofft, einbeziehen?

Schaich-Walch: Weil beides eng miteinander zusammenhängt. Und weil dies keine pragmatische, sondern eine ethische Frage ist. Denn ob ich den Embryo nach der Manipulation einpflanze oder ihn zu Forschungszwecken benutze – ich stelle erst einmal einen Embryo her. Und da erhebt sich die Grundfrage: Wann beginnt Leben? Wir haben das bisher so entschieden: Das Leben beginnt mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle. Deshalb denke ich, kann man nicht geteilt vorgehen und sagen: Das reproduktive Klonen verbiete ich, aber das therapeutische erlaube ich. Hinzu kommt: Es gibt inzwischen ja für die therapeutische Zielsetzung andere Wege, zum Beispiel über die Forschung mit adulten Stammzellen (von erwachsenen Menschen, d. Red.). Deshalb sollten wir bei der Wertsetzung unseres Grundgesetzes bleiben und grundsätzlich das Herstellen von Embryonen für Forschungszwecke verbieten.

Im Gespräch: Ulrike Flach ...
Im Gespräch: Ulrike Flach ...

Blickpunkt: Hätte man nicht größere Erfolgsaussichten auf ein weltweites Klonverbot, wenn man sich auf das reproduktive Klonen beschränkt?

Schaich-Walch: Nein, das sehe ich nicht so. Denn mit dem ersten Versuch, nur über das Klonverbot von Menschen in der Völkergemeinschaft einen Konsens zu erzielen, waren wir nicht besonders erfolgreich, weil zum Beispiel die USA beides wollten. Jetzt gehen wir ein zweites Mal ins Rennen und bitten unsere Regierung, auf der Grundlage der bei uns bestehenden Gesetze zu verhandeln und möglichst viele Staaten dafür zu gewinnen. Dabei sind wir nicht so blauäugig, zu glauben, dass gleich die ganze Staatengemeinschaft mitmacht.

Flach: Da stimme ich Ihnen zu. Aber: Wenn ich den Rucksack schwerer mache, komme ich nicht unbedingt leichter ans Ziel. Wir wissen doch, dass es mehr Länder gibt, die den einstrahligen Weg gehen möchten und nicht den des Totalverbots. Denken Sie nur an Indien und den asiatischen Raum: Dort hat man null Verständnis für unsere Gesetzeslage. Dort gibt es ein ganz anderes Verständnis im Umgang mit Embryonen, weil auch andere Religionen dahinter stehen. Es ist schwierig, die Welt vom gutherzigen Weg der Deutschen zu überzeugen, die wir unsere Gesetzgebung für das Beste, Edelste, Tollste und Ethischste halten.

Blickpunkt: Betreiben wir Prinzipien-reiterei, zumal in einigen europäischen Nachbarländern ja therapeutisches Klonen erlaubt ist und praktiziert wird?

Schaich-Walch: Nein, wir stehen ja nicht allein mit unserem Ansatz. Und mit „Gutheit“, Frau Flach, hat das auch nichts zu tun. Frankreich, USA, Spanien und eine ganze Reihe anderer Staaten sind an unserer Seite. Ich bin also für diesen zweiten Anlauf durchaus optimistisch, zumal wir mit dem ersten Schiffbruch erlitten haben.

Flach: Das stimmt so nicht!

Schaich-Walch: Doch. Aber entscheidend für unsere Position dürfen auch gar nicht so sehr taktische Fragen, sondern muss unsere gemeinsame Grundauffassung über die Frage sein: Wann beginnt das Leben? Dazu hat unsere eigene Gesetzgebung, die bereits den Embryo schützt, klar entschieden. Und das ist auch die Basis unseres Antrages.

...und Gudrun Schaich-Walch
...und Gudrun Schaich-Walch

Blickpunkt: Verschütten wir mit einem therapeutischen Klonverbot wichtigen medizinischen Fortschritt?

Flach: Wir verschütten zumindest die Möglichkeiten, zu Fortschritten und neuen Lösungen zu kommen. Vom Forschungsstandpunkt her können wir ja noch nicht abschließend beurteilen, ob wir das therapeutische Klonen brauchen oder nicht. Weder in der Forschung an adulten noch an embryonalen Stammzellen sind wir in einem Stadium, das ein endgültiges Urteil erlaubte. Ich neige im Übrigen zur Auffassung von Professor Winnacker, dem Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dass wir uns, ähnlich wie in England, Stammzellen-banken anlegen sollten. Das würde uns die Diskussion wesentlich erleichtern. Aber ich bin ziemlich sicher, dass es auch dann im Bundestag wieder die gleiche Phalanx gibt, die sagt: So etwas dürfen wir nicht benutzen.

Blickpunkt: Wie ist Ihre Haltung zur Präimplantationsdiagnostik PID? Auch hier wird ja am Embryo manipuliert.

Schaich-Walch: Richtig, aber dennoch ist die Situation eine besondere. Beim therapeutischen Klonen muss ich mich auf ein vages Heilungsversprechen für die Zukunft einlassen. Der PID liegt dagegen die sehr konkrete Lage einer Frau zu Grunde, bei der man zielgerichtet ein Risiko vermeiden kann. Und man stellt keine Embryonen her, um damit zu forschen, sondern um einer Familie zu ihrem gesunden Nachwuchs zu verhelfen. Damit liegt für mich eine andere ethische Bewertung vor.

Flach: Ich wundere mich über dieses gespaltene ethische Verhalten von vielen Abgeordneten im Parlament. Die FDP ist selbstverständlich dafür, den Menschen zu helfen, sowohl im Forschungsbereich wie bei der Präimplantationsdiagnostik. Dafür haben wir auch einen Regelungsentwurf vorgelegt, der abgelehnt wurde. Jetzt hat sich der nationale Ethikrat genau im Sinne unseres Entwurfes ausgesprochen. Darüber freuen wir uns natürlich. Die FDP wird alles tun, damit es zu einer Möglichkeit der PID kommt. Deshalb reichen wir allen anderen in dieser Frage die Hand.

Blickpunkt: Muss für denjenigen, für den das Menschwerden bereits mit dem Embryo beginnt, konsequenterweise die Präimplantationsdiagnostik nicht ganz tabu sein?

Schaich-Walch: Diese Frage stellt sich in der Tat. Und deshalb gibt es ja auch eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die klar und deutlich Nein sagen. Und ich möchte, dass die in ihrem ethischen Anliegen auch sehr ernst genommen werden. Auch im Ethikrat gab es ja eine Gruppe von Abweichlern. Wenn ich persönlich eine differenzierte Haltung habe, die mir sagt: Im Prinzip darf ich mit dem werdenden Leben nicht vernichtend umgehen, dann stehe ich im Interessenkonflikt zu einer Familie, die den Wunsch nach einem gesunden Kind hat. Jeder muss für sich entscheiden, was für ihn von höherem Gewicht ist: Der Rechtsanspruch auf den konsequenten Schutz des Lebens oder der Wunsch nach einem gesunden Kind. Beide Positionen verdienen Respekt.

Blickpunkt: Bedeutet PID eine Selektion von Menschen?

Flach: Nein. Ich glaube, dass das jetzige Verfahren, bei dem wir die Frau erst einmal in die Schwangerschaft hineinschicken, um dann im Laufe der Schwangerschaft eventuell festzustellen, dass es zu einer Abtreibung kommen soll, eine wesentlich unmenschlichere Lösung ist als bei der Präimplantationsdiagnostik. Denn bei der PID stellen wir ja schon im Vorfeld und außerhalb der Frau mögliche schwere Erbkrankheiten fest und können unter sehr transparenten Bedingungen eine Embryonen-Auswahl vornehmen, so dass ein gesundes Kind möglich ist. Deshalb finde ich, dass wir diesen Weg öffnen sollten.

Blickpunkt: Muss sich nach Einführung der PID ein Behinderter wie ein „vermeidbarer Unfall“ vorkommen?

Schaich-Walch: Natürlich. Und so kommen sie sich auch vor, was sie bereits deutlich artikulieren. Es kommt bei der PID noch ein Weiteres hinzu: Mit der PID kann man nur wenige, bestimmte Erkrankungen feststellen. Sehr viele Behinderungen entstehen aber während des Schwangerschaftsprozesses. Deshalb werden wir trotz PID weiterhin das Problem mit Schwangerschaftsabbrüchen haben. PID eröffnet die Chance auf ein gesundes Kind, aber zugleich erwächst die Sorge, dass wir, wenn wir dieses Tor öffnen, den Weg zur Selektion von Menschen gehen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0302/0302044a
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