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Christoph Oellers
"Wir sind die Task Force der Partei"
Der Münchner JU-Vorsitzende Tobias
Weiß demonstriert Unabhängigkeit und will Geschlossenheit
erreichen
Wenn ihre Freunde auf Partys gehen, sitzen sie noch im
Ortsverein. Jede freie Minute widmen sie der Partei, fast jeder
Kontakt ist auch politisch. Der Weg in die große Politik ist
lang. Doch sie wollen ihn gehen: Ehrgeizige Talente gibt es in
allen Parteien - trotz aller Nachwuchssorgen. "Das Parlament"
stellt einige Jungpolitiker vor.
Tobias Weiß guckt zunächst verlegen. Für die
Kamera hat er sich unter das Öl-Porträt des großen
Vorsitzenden, des Ministerpräsidenten, des mehrfachen
Bundesministers, von FJS, Franz Josef Strauß, stellen
müssen; soll da so schräg hochgucken in die
Brauntöne des gütig lächelnd Dargestellten. Das Bild
stammt aus den 70ern, Strauß starb im Oktober 1988, als
Weiß im Münchner Stadtteil Allach gerade seine ersten
Schultage verbrachte.
Im März letzten Jahres wählten ihn 54 von 56
Delegierte zum JU-Chef seiner Heimatstadt. Weiß zählte 22
Jahre und war und ist der jüngste Vorsitzende eines
bayerischen JU-Bezirks. Selbst der inzwischen zum Kronprinz
Stoibers aufgestiegene CSU-Generalsekretär Markus Söder,
38, war zwei Jahre älter, als er die Führung eines
JU-Bezirks übernahm.
Vor zwei Jahren war der Verband mit seinen 2.500 Mitgliedern ins
Gerede gekommen, weil führende JUler Mitgliedsanträge
fälschen ließen sowie Mitgliederwanderungen
organisierten, um einen missliebigen Landtagskandidaten zu
verhindern. Ein Münchner Gericht verurteilte drei Beteiligte
zu Geldstrafen, so auch den Vorgänger von Weiß. Die
Staatsanwältin sprach von "mafiösen Strukturen", die sich
bis ins Schweigen vor Gericht manifestieren würden.
Weiß probte den Neuanfang mit einem Begriff, welchen man
ebenfalls aus der Welt der Mafia kennt. "Ehrenkodex" nannte er ein
Papier aus vier Punkten, auf das er sämtliche JU-Vorsitzende
des Bezirks München eingeschworen hat. Demnach gilt es als
unschick, Ortsverbände wie Socken zu wechseln, um damit
Vorstands- oder sonstige Wahlen zu beeinflussen. Als oberstes Ziel
zählt Geschlossenheit, das bedeutet auch, dass etwa
vertrauliche Informationen nicht an die Außenwelt
durchsickern. Gerüchte, wonach diese Form der
Selbstverpflichtung auf Geheiß der Seniorenpartei, der
damaligen Chefin der Münchner CSU, Straußtochter Monika
Hohlmeier, zustande gekommen sei, wies Weiß weit von sich.
"Ich werde von niemandem dirigiert." Die Junge Union sei
unabhängig.
Und irgendwie glaubt man ihm das, je länger man ihn erlebt.
Wie er dann doch auch gelangweilt vor dem Strauß-Porträt
steht, die Wahl des Motivs offenbar nicht besonders originell
findet, aber auch Strauß als das ansieht, was er ist:
Geschichte, Vergangenheit, aber kein Übervater, um den sich
Legenden ranken. Natürlich habe sich Strauß bleibende
Verdienste um die industrielle Entwicklung Bayerns erworben. Nicht
umsonst trage der Münchner Flughafen seinen Namen.
Der fällt aber nicht, wenn er nach Vorbildern gefragt wird.
Da nennt er zunächst die SPD-Kanzler Brandt ("der hat was
gewagt") und Schmidt sowie Helmut Kohl ("Kanzler der Einheit"). Der
Name Strauß fällt eher in ironischem Zusammenhang, wenn
Weiß erzählt, dass sein älterer Bruder, der
ebenfalls in der Münchner CSU aktiv ist, den Sitzungsraum, in
dem das Gemälde hängt wie etwa früher
Honecker-Fotografien in Tagungsstätten der DDR, in "FJS-Saal"
getauft habe. Sein Schmunzeln ist dabei nicht zu übersehen.
Andererseits wird er sehr ernst, wenn es um heutige Praxis in
Partei und Politik geht. "Da wird weniger beim Bier entschieden."
Dabei umgreift er wie ferngesteuert das vor ihm stehende
Wasserglas. Ansonsten holen seine Hände nach links und rechts
aus, wenn er redet. Er ist ja auch eine raumfüllende Gestalt,
groß und breitschultrig mit festem fleischigen
Händedruck.
Seit 1998 ist er Parteimitglied. Mit 16, im
frühestmöglichen Alter trat er in die CSU ein. "Der
Bundestagswahlkampf, in dem Helmut Kohl abgewählt wurde, war
das erste Ereignis, bei dem ich mitgefiebert habe."
Unglücklich sei das Ende Kohls gewesen, weil hier jemand den
rechten Zeitpunkt verpasst habe. Er nennt Baden-Württemberg,
wo Jüngere Erwin Teufel zum Rücktritt drängten, und
er verhehlt nicht, dass eine solche Aufgabe in Bayern der JU
zufiele. "Da muss die Jugend zum entsprechenden Zeitpunkt
vorangehen und Zeichen setzen."
Die Arbeitswoche von Weiß hat 70 Stunden. 40 verwendet er
für sein Studium der Betriebswirtschaft ("Noch, ein, zwei
Scheine, dann mache ich mein Vordiplom"), 20 plus x sind für
die Partei und zehn Stunden etwa muss er gegenwärtig im
elterlichen Hotel an der Rezeption sitzen.
"Da wünsche ich mich schon gelegentlich in das Alter
zurück, als ich 16, 17, 18 war, als der Tag um eins vorbei war
und man machen konnte, was man wollte." Sich mit Freunden treffen,
Billard spielen, Bier trinken. "Das geht nicht mehr. Ich bin ja
nicht mehr anonym unterwegs." Diese melancholischen Anflüge
halten sich bei ihm allerdings in Grenzen, eher wünscht er
sich, häufiger wie 23 sein zu können. Er ist nun einmal
in allen Gremien der Jüngste. Auch bei der China-Reise, die im
vergangenen November 13 Nachwuchspolitiker der CSU machen durften,
war er klar der Benjamin. "Wenn man dauernd mit Menschen zu tun
hat, die mindestens drei Jahre älter sind, muss man sich
natürlich sehr anstrengen, um genauso gut zu sein. Man will
sich ja profilieren." Über weite Strecken redet er wie die
Älteren, wie gestandene Politiker: kann ohne Pausen reden, hat
keine Scheu vor Wiederholungen, versteht es andererseits,
"Ähs" zu vermeiden. Wenn es um den Sozialstaat geht, spricht
er nicht von Abbau, sondern von Umschwung. Nur sehr selten
verlässt er wie aus Versehen das Flussbett der
politprofessionellen Rede. Dann etwa, wenn er auf den
Gesundheitskompromiss der Union zu sprechen kommt. Er sei ja kein
Seehofer-Freund, aber das Papier könne man "in die Tonne
hauen".
Wo er sich denn so in fünf, sechs Jahren sieht, will er
nicht sagen. Er sei auf das politische Geschäft nicht
angewiesen. Zur Not bleibt ja das elterliche Hotel. Weiß redet
nur von 2008, von der nächsten Kommunalwahl in München,
um nach 24 Jahren wieder den Oberbürgermeister stellen zu
können. "Diesem Ziel wollen wir in der Jungen Union alles
unterordnen." Dabei sieht er seinen Verband als "Task Force" der
Senioren. Deren Vorsitzender heißt seit dem letzten Sommer im
übrigen nicht mehr Monika Hohlmeier, sondern Otmar Bernhard,
für den Weiß anderthalb Jahre als wissenschaftlicher
Mitarbeiter tätig war. Beide stammen er aus der Allacher CSU.
Vom Ausdruck Ziehvater will Tobias Weiß aber nichts
wissen.
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