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Marleen Stoessel
Uneins nur über die Inschrift
Dani Karavan erläutert seinen Entwurf
für das Sinti-und-Roma-Denkmal
Architektur der Erinnerung" - so der Titel einer
Veranstaltungsreihe, welche die Berliner Akademie der Künste
gemeinsam mit der Stiftung des "Holocaust-Mahnmals" seit dem
letzten Herbst initiiert. Man geht an den Stelen des Mahnmalsfeldes
vorbei, um zum Vortragsort in der Saarländischen Vertretung zu
gelangen, wo am 11. Januar der israelische Künstler Dani
Karavan sein Denkmals-Projekt für die etwa halbe Million von
den Nazis ermordeter Sinti und Roma vorstellt. Mit der Realisierung
des "Holocaust-Mahnmals" hatte der Bund sich verpflichtet, auch den
Sinti und Roma ein Denkmal zu errichten, also auch die Kosten von
circa zwei Millionen Euro zu übernehmen, während das Land
Berlin kostenlos das südlich neben dem Reichstag gelegene
kleine Gelände im Tiergarten zur Verfügung stellt.
Längst ist der 1930 in Tel Aviv als Sohn eines
Landschaftsarchitekten geborene Dani Karavan auch hierzulande kein
Unbekannter mehr. Zwischen den Abgeordneten-Bauten am Spreebogen
machen 19 Glaswände auf die 19 Artikel des Grundgesetzes
aufmerksam, die mit Laser in sie eingebrannt sind ("Grundgesetz
49"). Gesetzestafeln, deren Transparenz das Innen und Außen
nicht nur räumlich, sondern auch im Sinne ständiger
Reflexion und Vergewisserung spiegelt. Nicht unähnlich der
"Straße der Menschenrechte" in Nürnberg, wo die
Paragrafen der Genfer Konvention vielsprachig auf einer Reihe von
Säulen erscheinen. Doch nicht nur Glaswände und
Säulen - das ganze Umfeld wird in Karavans architektonische
Skulpturen und Installationen einbezogen, der ganze Raum wird zum
mehrdimensionalen Erinnerungsraum, der beim Betrachter die eigenen
Erinnerungen, Erfahrungen, Assoziationen aktiviert, ohne ihm etwa
ein so oder nur so "Gemeintes" vorzuschreiben.
In der ganzen Welt hat Karavan seine zwischen Kunst und Politik
vermittelnden Projekte realisiert - am bekanntesten sein Denkmal
"Passagen" in Portbou, zum Gedenken an Walter Benjamin, der sich im
französisch-spanischen Grenzort, auf der Flucht vor der
Gestapo, im September 1940 das Leben nahm. Der Blick von der
Steilküste tief hinab auf einen Wasserstrudel habe ihm, so
erzählt der Künstler auch an diesem Abend, die Idee
für sein Werk eingegeben. Dieser Respekt vor der Natur, aber
ebenso auch vor den Gegebenheiten eines bestimmten Orts, ist
kennzeichnend für seine Arbeit.
Noch etliche andere Beispiele dieser humanen Kunst, für die
der bereits vielfach ausgezeichnete, u.a. mit dem Pour le
Mérite dekorierte Künstler im vergangenen Jahr den
renommierten Piepenbrock-Preis erhielt, werden an diesem Abend in
Licht-Bildern vorgestellt, bevor Karavan auf das Denkmal für
die Sinti und Roma zu sprechen kommt. Der relativ kleine Platz im
Tiergarten, der nur von kleinen Gruppen aufgesucht werden kann, gab
ihm die Idee eines kreisrunden Sees ein, der den Blick hinabzieht,
spiegelt und bewegt. Eine als Triangel geformte versenkbare
Steinsäule in der Mitte des Sees - das Dreieck erinnert an die
Kennzeichnung der Sinti und Roma in den KZs - soll einmal am Tag
herauffahren und eine frische Rosenblüte präsentieren,
dazu ein ferner, kaum vernehmbarer Ton, wie vom Abbremsen eines
Zuges, dem Gesamten unterlegt werden.
Kein Bild, kein Modell
Viel mehr verrät Karavan, von Missverständnissen
belehrt, zeigt kein Bild, kein Modell. Über die Vorstellung
seiner bereits realisierten Werke sucht er das Vertrauen auch
für dieses Projekt zu gewinnen, das er, wie fast alle seiner
Arbeiten, nur im Auftrag, nicht im Rahmen eines Wettbewerbs
entwickelte. Brockhaus betont die erstmalige Verankerung eines
Rituals in seinem Werk, das hier mit Säule und Rose und dem
leisen Ton sich vollziehen soll.
Integraler Bestandteil bleibt auch hier das Wort, die Schrift,
die Inschrift. Diese aber wird erstmals zum Anlass eines Konflikts,
der die Ausführung des Denkmals zu behindern, zumindest zu
verzögern droht. Am 16. März l997, bei der Eröffnung
des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in
Heidelberg, sagte der damalige Bundespräsident Roman Herzog:
"Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem gleichen
Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen
Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung
durchgeführt worden wie der an den Juden. Sie wurden im
gesamten Einflussbereich der Nationalsozialisten systematisch und
familienweise vom Kleinkind bis zum Greis ermordet." Diese
Feststellung hatte der Künstler aufgegriffen, um sie als den
See umlaufende Inschrift seinem Denk- und Mahnmal einzufügen.
Der Zentralrat der Sinti und Roma, unter Vorsitz von Romani Rose,
ist mit dieser Inschrift, welche die Motive für die
Vernichtung der Sinti und Roma denen für die Ermordung des
jüdischen Volks gleichstellt, einverstanden - nicht aber die
zahlenmäßig wesentlich kleinere "Sinti-Allianz", die in
dieser Formulierung Teile weiterer "Zigeunerstämme" für
übergangen hält. Die lange Zeit gebräuchliche, meist
mit romantischen Vorstellungen verknüpfte Bezeichnung
"Zigeuner", die erst im Dritten Reich die diffamierende Wendung
erhielt, ist von der Sinti-Allianz dennoch akzeptiert, als
Oberbegriff für alle Gruppen und Stämme - nicht aber vom
Zentralrat, der in der Bezeichnung "Zigeuner" nur die
Diskriminierung erkennt. Im Sinne der Sinti-Allianz hat nunmehr der
Bundestag mehrere Vorschläge für eine andere Inschrift
gemacht, die von den Verfolgten und Opfern "als Zigeuner" spricht.
Dies lehnt der Zentralrat wiederum ab, der zugleich auf jener
Gemeinsamkeit der Motive in der Herzog-Formulierung beharrt. Wie in
der gesamten Mahnmals-Problematik kommt auch hier die Gefahr zum
Ausdruck, die selektiven Strategien und Hierarchien der Nazis in
den Ansprüchen der Opfer noch einmal zu spiegeln und zu
erneuern. Die nüchterne Feststellung Herzogs spricht indessen
für sich. Die Vorschläge des Bundes wirken eher
verwässernd und rufen, explizit mahnend, zu etwas auf, was
sich mit dem Denkmal von selbst versteht.
"Words floating on the water" - so beschrieb Karavan den
Eindruck, den die Inschrift, und sicher auch alle Assoziationen,
auslösen könnte. Brockhaus empfahl, die Entscheidung
über die Inschrift an den Künstler selber zu delegieren,
der aber lehnt dies ab. Womit deutlich das von ihm entworfene Werk
zum Grenzwerk zwischen Kunst und Politik gerät, oder, wie er
es seinerseits versteht: zur "Brücke" zwischen diesen
Bereichen. Im Sinne einer solchen Brücke wäre vielleicht
eine salomonische Lösung dieses Konflikts denkbar. Warum dem
Herzog-Zitat nicht einen einzigen Satz anfügen, der etwa
lauten könnte: Wir gedenken an diesem Ort aller als "Zigeuner"
diffamierten, verfolgten und ermordeten Menschengruppen und
Menschen. Den Ansprüchen beider Opfergruppen wäre damit
vielleicht Genüge getan, und dies nicht zuletzt ein Beitrag
zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz, deren 60. Jahrestag
wir am 27. Januar feiern. Die Botschaft: In jedem einzelnen Leid,
in jeder Verletzung der Würde eines Menschen, in jedem Opfer
ist immer die ganze Menschheit gemeint.
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