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Tobias Asmuth
Jaffa: Neue Zukunft für eine uralte
Stadt
Die Palästinenser in Israel gewinnen ein
wachsendes Selbstbewusstsein
Durch die Altstadt von Jaffa verläuft ein unsichtbare
Frontlinie, die zäh umkämpft wird und die ihren Verlauf
fast täglich ändert. Mamud Eid hat seine Bäckerei
geschlossen, weil er von den jüdischen Nachbarn boykottiert
wurde. In ein altes arabisches Stadthaus in Ajami, dem hippen
Viertel Jaffas, ist ein Architekturbüro aus Ramat Gan
eingezogen. Und im Erdgeschoss einer Villa in den engen Gassen will
eine Galerie jüdisches Kunsthandwerk verkaufen. Niemand sonst
kann die teure Miete zahlen.
In der geteilten Stadt Jaffa leben 22.000 Juden und knapp 20.000
Araber. Beide sind Bürger Israels, sie haben seinen blauen
Pass, sie leben in denselben Straßen, und manchmal auch in
denselben mit hellen Sandsteinen verkleideten alten Häusern.
Aber die einen, das sind die Sieger, die anderen, das sind die
Besiegten. Die einen bestimmen im Stadtrat, wann welches Haus
renoviert wird und wo in welchem Viertel eine neue Kanalisation
verlegt wird. Die anderen fühlen sich als Einwohner zweiter
Klasse, sie nennen die Entscheidungen der Politiker Apartheid. Die
einen ziehen aus der lauten Party-Metropole Tel Aviv in die
aufwendig renovierten Altstadt-Wohnungen: Blick auf den malerischen
Hafen inklusive. Die anderen werden aus der Mitte vertrieben, in
neue Wohnblocks nach Batyam, am Stadtrand.
Am Rand von Jaffa hat auch Abed Satel gelebt. Im fünften
Stock eines Mietshauses. Sein Exil hatte einen Fahrstuhl, eine neue
Klimaanlage, sogar zwei Balkone. Doch er hat es gehasst. Der
Krankenpfleger Abed Satel gründete Mitte der 90er-Jahre "Die
Liga für die Araber von Jaffa". Seitdem befindet er sich im
Widerstand gegen das jüdische Yafo. Die Liga ist
Hilfsorganisation und Genossenschaft, Kulturverein und politische
Bewegung. Sie hat inzwischen fast 500 Mitglieder. Abed lebt heute
wieder in einem alten arabischen Haus in der Nazla-Gasse.
Angefangen hat alles damit, dass Abed Satel mit einem dutzend
Gleichgesinnter den Müll auf den Straßen der
heruntergekommenen arabischen Viertel einsammelte. Besonders
schlimm war es in Pardes Daka. Im ärmsten Teil Jaffas lebten
hunderte palästinensische Familien in zusammenfallenden
Häusern, die im Winter der Regen überschwemmte. Abed
Satel organisierte billiges Baumaterial, sammelte Spenden und
vermittelte günstige Kredite. Noch immer ist das Viertel ein
trostloser Ort, es gibt dort kaputte Straßen und
hässliche Wellblechhütten, aber die Ruinen und auch die
Schutthalden sind verschwunden: Pardes Daka soll unbedingt gehalten
werden. Es ist Teil der Strategie von Abed Satel, Jaffa wieder zu
einer arabischen Stadt zu machen. Die Zeit des Rückzugs ist
vorbei.
Das Kulturzentrum der Liga liegt in der größten und
wichtigsten Straße Jaffas: der Yeffet Street in einer alten
renovierten Villa. Es gibt dort eine kleine Bibliothek und einen
Veranstaltungssaal, in dem Theaterstücke und Konzerte gespielt
werden. Im Zentrum hat Abed Satel ein winziges Büro. Seine
Wände sind mit Regalen zugestellt. Auf den Ordner nsteht:
Hausprojekte oder Wohlfahrtsorganisationen, Knesset oder
Botschaften.
Abed Satel ist ein kleiner Mann. Er hat ein rundes Gesicht,
kurze graue Haare, trägt eine verwaschene Jeans und ein
T-Shirt, das sich über dem Bauch spannt. Er redet leise, aber
sehr betont. Während er über die historischen Aufnahmen
Jaffas auf seinem Schreibtisch spricht, nimmt er das
größte Foto in die Hand. Es zeigt das Kulturzentrum im
Jahr 1950. Vor der Villa verläuft ein Zaun aus Stacheldraht
auf der Straße. Nach der Staatsgründung Israels flohen
fast 100.000 Araber aus Jaffa. Die, die blieben, lebten für
drei Jahre in einer Art Getto. Das Bild, sagt Abed Satel, wird
einmal in einem Museum zur palästinensichen Geschichte in Tel
Aviv hängen.
Wann das geschehen soll? Wenn Israel nicht nur ein
jüdischer, sondern auch ein arabischer Staat ist. In seiner
Stimme liegt kein Zweifel. Dann klingelt das Handy: Alles ist jetzt
bereit, wir können losfahren.
Er steuert seinen alten Toyota schnell durch die engen
Straßen, zeigt ständig mit den Händen nach rechts
oder links und berichtet von den Fortschritten: Hier renoviert eine
arabische Familie ihr Haus, dort hat ein Schuster einen neuen Laden
eröffnet. Tatsächlich galt Jaffa lange als der "Slum von
Tel Aviv", nachdem es 1950 von der großen Stadt eingemeindet
worden war. Noch immer leben fast 50 Prozent der Einwohner von der
Sozialhilfe - vor allem Araber und religiöse Juden. Die Stadt
hat eine hohe Kriminalitätsrate. Dabei war Jaffa einmal eine
reiche und vornehme Stadt, außerdem das kulturelle Zentrum der
Palästinenser. In den Kaffeehäusern spielten arabische
Musiker, in den Gärten der Villen trugen Dichter ihre Verse
vor. Jaffa heißt übersetzt "die Schöne".
"Früher hatten wir nur die Erinnerung an unsere
Geschichte", sagt Abed. "Heute haben wir auch eine Zukunft." Er
glaubt an Zahlen: Heute leben knapp fünf Millionen Juden in
Israel und nur 1,3 Millionen Araber, aber die palästinensische
wächst schneller als die jüdische Bevölkerung -
trotz der jüdischen Einwanderung, der Alija. In zehn Jahren
werden von sieben Millionen Einwohnern Israels zwei Millionen
Araber sein. "Wir sind ein junges Volk", sagt Abed. Erst der
Friedensprozess, der Fortschritte macht, dann wird "Israel
irgendwann ein Staat für alle Bürger sein."
Abeds Kampf ist ein zähes Ringen, in der Druckerei der Liga
baut Nasim Assali eine alte Heidelberg-Druck-maschine auf. Bald
wird die Liga ihre kleine Zeitung auf der eigenen Maschine
produzieren. Nasim Assali will auch die Heftchen anderer arabischer
Vereine aus Tiberias, Akko oder Kfar Kana über die Walzen
laufen lassen. Man sei mit den Formaten sehr variabel, man
könne auch kleine Plakate drucken, wirft Abed ein, als das
Handy wieder klingelt - jetzt erkennt man die Melodie: der
Triumphmarsch aus Aida.
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