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Oliver W. Schwarzmann
Eigentum verflechtet und verpflichtet die
Republik
Eine Übersicht über wichtige deutsche
"Global Players"
Rüdiger Liedtkes Wegbeschreibung durch das Big Business
made in Germany präsentiert seit nunmehr 15 Jahren ein Kolorit
der 100 größten deutschen Firmen. Aus dieser
Unternehmenslandschaft ist längst ein weit verzweigtes,
globales Panoptikum geworden, in dem Mütter und Töchter
sich mit allerlei Beteiligungsgesellschaften einlassen oder sich
gegenseitig auffressen.
Viele Konzerne werden in ihrer strukturellen Komplexität
zum ökonomischen Phantom und lassen nur noch Umrisse erkennen.
Ihre Verflechtungen sind ein gesellschaftsrechtliches Labyrinth,
manche gleichen gar potemkinschen Dörfern. Internationale
Vernetzung ist allerdings nichts grundsätzlich Verwerfliches,
Verwebungen gehören in einer globalen Gesellschaft zum
wirtschaftlichen Status Quo. Doch wird man bei Lektüre das
Gefühl nicht los, dass Unübersichtlichkeit gewollt ist
und Spekulation, wie es eine Pressesprecherin formuliert, zum
Geschäft gehört.
Im Revier des Shareholder-Value verschwinden dabei per
Akquisition und Fusion zunehmend große und historisch
gewachsene Namen von der Bildfläche wie etwa Höchst,
Mannesmann, Preussag oder VEBA. Andere wie Holzmann, Kirch oder
zuletzt Walter-Bau melden Insolvenz an. Die eigenständig
agierenden, deutschen Traditionsakteure, die dem Autor vorschweben,
sind eine aussterbende Spezies, deren Erbgut - sprich ihre Vision
und Substanz - von einer Unternehmensgeneration absorbiert wird,
deren Größe und Reflex einzig darin bestehen, Gewinne zu
maximieren.
Liedtke will Übersicht und Klarheit schaffen. Er listet mit
der Akribie eines virtuosen Buchhalters Unternehmens-, Kapital- und
Personendaten auf und zeigt für die Jahre 2001bis 2003, was
umgesetzt, erwirtschaftet und welche Löhne und Gehälter
gezahlt wurden und wie oder was Vorstand und Aufsichtsrat sich
jeweils be- oder verdienten. Dazu bewertet er nationale und
internationale Strategien des Managements. Für deren
Qualität gibt es im Zeitalter der Testurteile ein Ranking nach
Gastronomieart von einem Stern (sehr schlecht) bis fünf Sterne
(sehr gut). Selbiges verweist auf ein mittelmäßiges
Managementfirmament, denn im Durchschnitt erreichen die Top 100
eine Sternendichte von 3,3. Vier Firmen in Deutschland leuchten mit
fünf Sternen heller als alle anderen: Beiersdorf, BMW, Porsche
und ZF Friedrichshafen; auf der unteren Skala mit zwei Sternen
finden sich sieben Unternehmen.
Der aufschlussreiche Firmenalmanach belegt: Großkonzerne
werden zu eigenständigen Volkswirtschaften, die aus ihrer
internationalen Verschachtelung heraus die Geschicke der Republik
im exklusiven, kleinen Kreis bestimmen. Dadurch sieht Liedtke das
"historisch gewachsene Konsensmodell der Sozialen Marktwirtschaft"
in Gefahr, da Sozialpartner und Gesellschaft sich final der
eindringlichen Standortsicherungsrhetorik unterordnen. Die Politik
ist weitestgehend machtlos, sie verwaltet letzten Endes die
nationalen Anteile, die ihr eine globale Ökonomie zuweist.
Es gibt allerdings noch einen anderen Akteur im Spiel: Den
qualitätsbewussten Kunden. Er fordert zunehmend von den
Unternehmen Transparenz, Offenheit und ethische Verantwortung. Und
er besitzt ein wachsendes Regionalbewusstsein. Damit könnten
internationale Konzerne sogar noch eine weitere Chance, ja ihre
Sternstunde haben: Denn die Zukunft der Globalisierung liegt in
ihrem regionalen Nutzen. Und um Liedtkes Titelfrage zu beantworten:
Die Republik ist unverkäuflich. Man kann sie aber
gewinnen.
Rüdiger Liedtke
Wem gehört die Republik?
Die Konzerne und ihre Verflechtungen in der globalisierten
Wirtschaft.
Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2005; 509 S., 26,90
Euro
Der Autor arbeitet in einem Finanzwirtschaftsunternehmen in
Baden-Württemberg; daneben ist er Autor zu finanzpolitischen
Themen.
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