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Das Parlament
Nr. 11 / 14.03.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Gewalt gegen Frauen thematisieren

Interview zum Weltfrauentag und zur Lage der Frauen in der Türkei
Fraktionsübergreifend haben die Abgeordneten des EP in einer Resolution zum Weltfrauentag am 8. März unter anderem die brutalen Übergriffe gegen türkische Frauen auf einer Demonstration in Istambul verurteilt. Die EVP-Abgeordente Angelika Niebler hat die Türkei im Januar mit dem Frauenausschuss besucht.

Das Parlament: Wie beurteilen Sie die Lage der Frauen in der Türkei?

Angelika Niebler: Es ist ein sehr zwiespältiges Bild: ich erkenne an, dass es in der Türkei Fortschritte zum Beispiel durch eine Verfassungänderung oder die Änderung des Zivil- oder Strafrechts gegeben hat, aber die Lebenswirklichkeit sieht anders aus: es gibt "Ehrenmorde", es gibt Polygamie, Zwangsverheiratungen und Gewalt gegen Frauen in den Familien und zwar nicht nur im Osten und Südosten des Landes, sondern auch außerhalb der Großstädte. Insofern bin ich skeptisch, was die Beitrittsreife der Türkei in die Europäische Union anbelangt.

Das Parlament: Wie kann die Lage der Frauen verbessert werden?

Angelika Niebler: Zentral ist der Bildungsbereich, denn die Situation kann nur über Aufklärung und Bildung verbessert werden und, da sieht es nach offiziellen Statistiken schlecht aus: 25 Prozent der Frauen sind Analphabetinnen. Viele Mädchen in der Türkei werden erst gar nicht registriert. Die Bildung ist einer der Schlüsselbereiche, da muss man ansetzen, sonst bewegt sich nichts.

Das Parlament: Zurück zur Frage der Gleichberechtigung der Frauen in der EU. Was gibt es hier konkret zu tun?

Angelika Niebler: Die Europäische Union hat in den letzten 40 Jahren unwahrscheinlich viel gemacht. Ohne sie wären wir heute nicht soweit. Gerade der Europäische Gerichtshof hat in Sachen Gleichberechtigung schon fast revolutionäre Urteile gefällt. Momentan werden die Antidiskriminierungsrichtlinien überarbeitet und als so genannte Recast-Richtlinie zusammengefasst. Neben der legislativen Arbeit setzen wir uns zum Beispiel in Gesprächen mit den Sozialpartnern weiter für den Ausgleich des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen ein, denn noch heute differieren die Einkommen unter den Geschlechtern zwischen 16 und 35 Prozent. Sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite sind aufgefordert, sich zu überlegen,wie diese Ungleichheit beseitigt werden kann.

Das Parlament: Laut Statistik hat jede fünfte Frau in der EU schon einmal Gewalt erlebt. Was können Sie auf europäischer Ebene dagegen unternehmen?

Angelika Niebler: Wichtig ist, dass das Thema aufgegriffen und nicht tabuisiert wird. Das Parlament kann das Thema auf die politische Agenda setzen nicht nur am Weltfrauentag. Es darf nicht sein, dass eine Frau Opfer von Gewalt wird und sich dafür auch noch schämt. Wir müssen für eine Sensibilisierung der Gesellschaft sorgen und das Problem auch beim Namen nennen. Ich befürworte daher, das Jahr 2006 offiziell zum "Jahr gegen die Gewalt gegen Frauen" zu erklären.

Das Parlament: Was wird in der Europäischen Union getan, um betroffenen Frauen wirklich zu helfen - außer mit Reden und Absichtserklärungen?

Angelika Niebler: Das Europäische Parlament setzt sich zum Beispiel dadurch ein, dass Mittel für die sogenannten DAPHNE-Programme bewilligt werden. Mit diesen Geldern, 10,2 Millionen Euro alleine im Jahr 2005, werden Projekte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen unterstützt wie zum Beispiel die Betreung von Opfern und Zeugen bei Menschenhandel. Hier können wir ganz konkret helfen.

Das Interview führte Annette Sach

Informationen zum DAPHNE II-Programm unter:

www.europa.eu.int/comm/justice_home/funding/daphne/funding_daphne_en.htm

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