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Das Parlament
Nr. 11 / 14.03.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Erik Spemann

Etat ohne Schulden - Kraftakt mit äußersten Sparanstrenungen

Haushaltspolitik in Bayern

Das ehrgeizige Ziel der bayerischen Staatsregierung, 2006 als erstes Bundesland mit einem Etat ohne neue Schulden zu glänzen, ist Wirklichkeit geworden, wenigstens schon einmal auf dem Papier: Auf dem von der CSU-Mehrheit im Landtag jetzt verabschiedeten Doppelhaushalt für dieses und nächstes Jahr. Der vom Ächzen zahlreicher betroffener sozialer und kultureller Einrichtungen begleitete finanzielle Kraftakt wird erkauft mit äußersten Sparanstrengungen auf allen Feldern, was von der Opposition als gefährlich und schädlich für das Land verurteilt wird. Finanzminister Kurt Faltlhauser bescheinigte dem knochenharten Kurs dagegen "überragende Bedeutung": Bayern erreiche das Ziel des ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 aus eigener Kraft und sende damit ganz bewusst ein "finanzpolitisches Signal gegen die Verschuldungspolitik des Bundes und gegen die Tendenz eines europäischen Verfalls der Stabilitätskultur".

Der Doppelhaushalt sieht ein bereinigtes Ausgabenvolumen von 34,2 beziehungsweise 34,6 Milliarden Euro vor. Mit einer Zinsbelastung von nur 3,2 (Ländergesamtheit-West: 8,8) und einer Investitionsquote von 12,6 Prozent (Länder-West 10,5) kann sich Bayern Spitzenreiter nennen.

Faltlhauser machte die Bundesregierung für ein weiteres Sinken der Steuereinnahmen verantwortlich, das Bayern allein im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr mit einem Minus von 247 Millionen Euro - 5,9 Prozent - getroffen habe. Die Lage sei "dramatisch ernst". Rot-Grün habe es nicht geschafft, auf der wirtschaftlichen Talfahrt auf die Bremse zu treten. Der Minister verwies auf Länder wie Nordrhein-Westfalen, die auf den weiteren Einbruch der Steuereinnahmen reflexartig mit einer Erhöhung der Neuverschuldung reagierten, und stellte das eigene Deckungskonzept heraus: Eine "ausgewogene Kombination zwischen Konsolidierung und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen". Insgesamt würden durch globale Einsparungen in diesem Jahr 260 Millionen Euro aufgefangen.

Faltlhauser nannte das Niveau von Verschuldung und Zinsbelastung der öffentlichen Hand in Deutschland besorgniserregend: Jedes Kind, das heute geboren werde, komme durchschnittlich mit 17.000 Euro Schulden auf die Welt. Dagegen profitierten die Bürger Bayerns von der "traditionell seriösen" Haushaltspolitik der Staatsregierung und hätten mit lediglich 1.709 Euro die mit Abstand geringste Pro-Kopf-Verschuldung. Der Vorsprung bei Zinsbelastung und Investitionsquote zahle sich auch mit der höchsten Wirtschaftswachstumsrate in der Bundesrepublik aus: Gemeinsam mit Sachsen sei Bayern 2004 mit 2,3 Prozent an der Spitze gelegen. Dagegen habe Nordrhein-Westfalen bei sieben Milliarden Euro neuer Schulden mit nur 1,3 Prozent die geringste Wachstumsrate der westlichen Flächenländer gehabt. Er hob bei seinem haushaltspolitischen Konsolidierungsprogramm eine "deutliche Schwerpunktsetzung" von Bildung und Kinderbetreuung hervor. Der Wissenschaftsetat erhöhe sich bis 2006 im Vergleich zum Nachtragshaushalt 2004 um 6,9 Prozent, im Schulbereich stiegen die Ausgaben um 4,6 Prozent. Demgegenüber wachse der Gesamthaushalt in den Jahren 2005 und 2006 im Jahresdurchschnitt nur um 1,4 Prozent.

Während der Finanzminister den Beweis erbracht sah, dass sparen, reformieren und investieren keine Gegensätze seien - "Bayern schafft beides: Neuverschuldung Null und kraftvolles politisches Handeln" - ließ die Opposition kaum ein gutes Haar an diesem Kurs. Der SPD-Haushalts- und Finanzexperte Heinz Kaiser hielt der CSU vor, dass das Gerede vom ausgeglichenen Haushalt 2006 ohne Neuverschuldung eine "Schimäre" und "reine Politpropaganda" sei, weil der Finanzminister bisher nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen aus den Vorjahren mit miteingerechnet habe. Die Haushaltspolitik des Freistaats werde "als Vehikel bundespolitischer Ambitionen des Ministerpräsidenten missbraucht", Stoiber sehe sich als "finanzpolitischer Musterknabe der Republik im Bundestagswahlkampf 2006", der Etat sei ein "verheerender finanzpolitischer Amoklauf".

Nicht zuletzt machte Kaiser der Staatsregierung zum Vorwurf, über zu geringe Ausgaben das wirtschaftliche Wachstum im Lande zu bremsen und mehr Beschäftigung zu verhindern. Die leicht steigende Investitionsquote im Haushaltsentwurf sei konjunktur- und wachstumspolitisch falsch. Deshalb habe die SPD auch ein Investitionsprogramm "Infrastruktur Bayern" in Höhe von zwei Milliarden Euro für 2005/2006 vorgeschlagen. Weiter bemängelte Kaiser, dass die Infrastruktur vernachlässigt werde und auch für die kostenträchtigen Veränderungen im Schulsystem wie Einführung von R6 und G8 nicht einmal die dringendst notwendigen Mittel bereitgestellt würden. Die Staatsregierung, so der SPD-Politiker, "versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder und unseres Landes".

Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Thomas Mütze, kritisierte, dass dem großen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Nettoneuverschuldung alles untergeordnet werde. Realität durch die Kürzungen seien bereits die Schließung von sozialen Einrichtungen, das weitere Verschieben von Sanierungen sowie die Brüskierung von Sportvereinen und Übungsleitern, von Feuerwehrleuten, Polizisten, von Lehrern und Lehrerinnen, deren Arbeit nur noch in Sonntagsreden geachtet werde.

Mütze nannte Faltlhauser den "Norbert Blüm der bayerischen Finanzpolitik", denn genauso wenig, wie dessen Behauptung "die Renten sind sicher" gestimmt habe, werde 2006 ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden erreicht. Dabei führte der Abgeordnete neben den übertragbaren Kreditermächtigungen auch eine Kreditaufnahme am Grundstock in Höhe von fast 600 Millionen Euro auf, die bis 2012 zurückgezahlt werden müssten und damit schon die kommenden drei Doppelhaushalte belasteten. Es gebe also keinen finanzpolitischen Grund so zu tun, als ob man 2006 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren würde. Gleichwohl billigte der Oppositionspolitiker der Staatsregierung zu, bei den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Zahlen in Deutschland vorn zu liegen - freilich mit einem Zusatz: "Sie liegen inzwischen aber auch vorn, was soziale Kälte und Gleichgültigkeit angeht."

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