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Johanna Metz
Ein Land will Teil der europäischen
Erfolgsstory werden
2. Tag der Ukraine im Deutschen
Bundestag
Als der ukrainische Staatspräsident Viktor Juschtschenko am
9. März vor dem Deutschen Bundestag sprach, kam er ohne
Umschweife zur Sache: "Die Ukraine möchte 2007 auf Grundlage
eines Assoziationsvertrages Verhandlungen über einen Beitritt
zur Europäischen Union beginnen", sagte er. Juschtschenko
betonte, dass sein Land ein "unentbehrlicher Teil der
europäischen Völkerfamilie" sei, bereit die "gelenkte
Demokratie" nun durch eine echte Demokratie zu ersetzen.
Doch nicht nur in Deutschland rührte der neue Machthaber
der ehemaligen Sowjetrepublik die Werbetrommel für seinen
Kurs. Schon unmittelbar nach der spektakulären Wahl
Juschtschenkos zum ukrainischen Staatsoberhaupt im November 2004
startete der Reformer auch in Brüssel eine europapolitische
Offensive. Ein wenig forsch? Schließlich liegen die "orangene
Revolution" und die Überwindung des Moskau-treuen Regimes von
Leonid Kutschma gerade ein paar Monate zurück.
Die EU reagiert dementsprechend verhalten auf die Avancen
Juschtschenkos. Weder der Europäische Rat noch die Kommission
haben der Ukraine bisher eine Beitrittsperspektive eröffnet.
Nicht einmal ein Assoziierungsabkommen ist geplant. Lediglich das
bereits 1998 verabschiedete "Partnerschafts- und
Kooperationsabkommen" zwischen der Ukraine und der EU soll
fortgeführt werden - und das obwohl sich im Land seither
tatsächlich ein grundlegender Wandel vollzogen hat, wie auch
Serhij Bytschkow, Mitglied der "Werchowadna Rada" (das Parlament),
am 30. Mai auf dem 2. Tag der Ukraine im Bundestag deutlich machte:
"Die orangene Revolution hat bewiesen, dass die Ukraine die
europäischen Werte teilt. Wir unternehmen jetzt große
Anstrengungen, unsere gesamte innenpolitische und wirtschaftliche
Entwick-lung in Richtung EU zu gestalten."
Vordringlich bemüht sich die Regierung Juschtschenko auf
die Anerkennung als funktionierende freie Marktwirtschaft durch die
EU - eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme der Ukraine
in die Welthandelsorganisation (WTO). Und im September 2005 wird
eine umfassende Verfassungsreform in Kraft treten, die das stark
präsidial geprägte Regierungssystem in ein
parlamentarisches umwandelt.
Für die EU noch kein Grund, ihr Verhältnis zur Ukraine
völlig zu überdenken: Sie behandelt die Ukraine nach wie
vor nur als nahen Nachbarn - wie auch die südlichen und
östlichen Mittelmeeranrainer von Marokko bis Syrien. Lediglich
der "EU-Ukraine-Aktionsplan" trat am 21. Februar des Jahres in
Kraft, erweitert um ein "Zehn-Punkte-Programm". Doch was nach
Annäherung klingt, ist nicht mehr als eine Arbeitsagenda im
Rahmen des schon bestehenden Partnerschafts- und
Kooperationsabkommens.
Die Zurückhaltung der Europäischen Union in der
Beitrittsfrage stößt bei vielen ukrainischen Politikern
auf Unverständnis. "Die EU kann nicht einfach sagen: "Jetzt
passt es uns nicht", findet zum Beispiel Oleh Rybatschuk, der
Vizepremierminister der Ukraine für Fragen der
Europäischen Integration. Als Mitglied der
deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe war auch er zum Tag der
Ukraine in den Bundestag gekommen. "Wir haben den Aktionsplan als
strategisches Dokument in der Hand und werden ihn umsetzen. Die
his-torischen, geografischen und politischen Kriterien einer
Aufnahme würden wir ohnehin erfüllen", meint er. Trotzdem
habe er aus Brüssel Kommentare vernommen, die den Anschein
erwecken, "die Ukraine dürfe nicht mal daran denken, jemals
Mitglied der EU zu werden".
Die deutsche Bundestagsabgeordnete Jelena Hoffmann, die den
Vorsitz der Parlamentariergruppe leitet, hat einen ähnlichen
Eindruck. Sie fragt: "Wir sind ein europäischer Staat und
wollen in die EU. Aber warum sagt die EU immer ,Jein'?" Europa
solle endlich "ein eindeutiges Signal" geben, "wo die Grenzen der
Europäischen Union in Zukunft liegen sollen und welche
Perspektiven sich daraus für uns ergeben", fordert sie.
Gleichzeitg räumt sie aber ein, dass die Ukraine noch "ihre
Hausaufgaben" machen muss: "Ich bin immer gefragt worden, in welche
Richtung die Ukraine eigentlich geht - nach links oder nach rechts,
nach Russland oder Europa. Da habe ich immer geantwortet: Mit der
Ukraine muss es erstmal nach oben gehen!"
Damit scheint ein Kernproblem berührt: Neben der
Unsicherheit, inwieweit die Reformen Juschtschenkos
tatsächlich durchsetzbar sind, könnte sich auch eine zu
große Nähe der Ukraine zu Russland beim Schmusekurs mit
der EU als Hindernis erweisen. Schließlich unterhält das
Land noch immer vertragliche Beziehungen mit Ländern der
ehemaligen Sowjetunion und ist seit 2003 sogar Mitglied des
Gemeinsamen Wirtschaftsraumes (EEP) mit Russland, Belarus und
Kasachstan. Dazu kommt die tiefe politische Spaltung des Landes: Im
traditionell russlandfreundlichen Süden und Osten des Landes
begegnet man dem Kurs der neuen Machthaber mit großem
Misstrauen, im Westen und der Mitte hingegen findet er breite
Unterstützung. Juschtschenko muss diese auseinander strebenden
Landesteile erst zusammenzuführen, will er seine Agenda
erfolgreich umsetzen.
Trotz dieser schwierigen Ausgangslage hält der Vorsitzende
des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Volker Rühe,
nichts von einer generellen Absage der EU an die Ukraine. Der
Ex-Verteidigungsminister, der schon mit seiner Befürwortung
eines EU-Beitritts der Türkei einige Parteikollegen in der
Union vergrätzt hatte, fände es sogar "töricht",
jetzt die Türen zu schließen: "Wir sollten die
Entwicklungen in den beitrittswilligen Ländern genau
beobachten. Wenn die Ukraine energisch ihre Agenda vorantreibt, ist
sie ein Gewinn für ganz Europa." Und dann holte er aus zum
verbalen Schulterschluss mit Juschtschenko: Die Ukraine, so
Rühe, sei schließlich Teil der europäischen
Tragödie im letzten Jahrhundert gewesen. "Wenn sie jetzt Teil
der europäischen Erfolgsstory werden will, ist das gut!"
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