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Gerlind Schaidt
Koalitionsvertrag beschlossen
Nordrhein-Westfalen: CDU und FDP sind sich
einig
Nur gut drei Wochen brauchte Schwarz-Gelb in
Nordrhein-Westfalen, dann war ihr Koalitionsvertrag in trockenen
Tüchern. Der designierte CDU-Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers erklärte zum Abschluss der
Verhandlungen, er sei "ein Stück stolz" darauf, in "welch
kurzer Zeit" beide Parteien in "sehr konzentrierter und
freundschaftlicher Atmosphäre" die Gespräche geführt
haben. Tatsächlich präsentierten sich die künftigen
Koalitionäre als Musterknaben für Angela Merkels
Herbstpläne. Leise und unaufgeregt haben die
Verhandlungspartner von CDU und FDP in zehn Runden Punkt für
Punkt das Regierungsprogramm für die nächsten fünf
Jahre abgearbeitet. In der achten Runde gelang ihnen der Durchbruch
in zentralen Streitfragen.
Beide Partner verständigten sich auf den
historischen Ausstieg aus der Steinkohle-Subvention. Man strebe ein
"geordnetes Auslaufen" an, hieß es anschließend.
Ursprünglich war die Union für einen sanfteren
Übergang eingetreten. Der designierte Ministerpräsident
Jürgen Rüttger (CDU) betonte denn auch, dass der Abbau
der Subventionen sozialverträglich und ohne betriebsbedingte
Kündigungen unter den derzeit rund 38.500
Bergbaubeschäftigten erfolgen soll. Konkrete Zeitvorgaben
für den kompletten Ausstieg aus den Subventionen wurden nicht
genannt. Darüber will die neue Landesregierung nach der
voraussichtlich anstehenden Bundestagswahl mit der neuen
Bundesregierung und den Energieunternehmen verhandeln. Nach
Auffassung von Rüttgers könnten diese Gespräche im
kommenden oder im übernächsten Jahr stattfinden. In einem
ersten Schritt sollen die Steinkohle-Subventionen bis zum Jahr 2010
halbiert werden. Zurzeit belaufen sie sich auf 530 Millionen Euro
im Jahr. Die durch die gestrichenen Subventionen eingesparten
Mittel sollen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Ruhrgebiet
genutzt werden.
In derselben Sitzung vereinbarten die
Parteien, bis zum Ende der Legislaturperiode 4.000 neue
Lehrerstellen im Land zu schaffen. Die FDP hatte sich im Wahlkampf
für 8.000 Lehrerstellen stark gemacht, lenkte aber
offensichtlich angesichts der miserablen Haushaltslage ein.
Finanziert werden soll dies vor allem durch den Abbau von 1,5
Prozent der Stellen in der inneren Verwaltung. Bereits vorher
hatten sich die CDU und FDP auf grundlegende Korrekturen in der
Schulpolitik geeinigt. Danach werden Kinder im Regelfall bereits
mit fünf Jahren eingeschult. Von der zweiten Klasse an wird es
wieder Ziffernoten geben. Bisher werden erst ab dem dritten
Schuljahr Noten von eins bis sechs erteilt. Der
Fremdsprachenunterricht beginnt schon in der ersten Klasse. Bis
jetzt steht er erst von der dritten Klasse an auf dem Stundenplan.
Außerdem wird es weiterhin die Fächer Biologie, Physik
und Chemie geben. Ein naturwissenschaftliches Sammelfach, wie es
die rot-grüne Landesregierung einführen wollte, wird
nicht kommen.
Sehr ehrgeizig sind auch die Pläne in
Bezug auf den Bürokratieabbau. Danach sollen die fünf
Regierungspräsidien, zwei Landschaftsverbände und der
Regionalverband Ruhrgebiet aufgelöst und durch drei
Regionalpräsidien Rheinland, Westfalen und Ruhr ersetzt
werden. Außerdem wird die von Rot-Grün beschlossene
Polizeireform gekippt. Die Auflösung von 49
Kreispolizeibehörden und ihre Eingliederung in 16 neue
Polizeipräsidien soll nicht umgesetzt werden. Bei den meisten
anderen Themenbereichen wie etwa Arbeit und Soziales,
Landwirtschaft, Wissenschaft, Verkehr, Baurecht und Finanzen
herrschte weitgehend Übereinstimmung oder ließ sich
Einvernehmen relativ rasch herstellen. Beispielsweise einigten sich
CDU und FDP darauf, die Ladenöffnungszeiten an den Werktagen
freizugeben. Die Geschäfte könnten damit von Montag bis
Samstag bis Mitternacht geöffnet sein.
Neue Landtagspräsidentin
Die von Rüttgers straff geführten
Verhandlungen wurden zeitweise weniger von Sachfragen als vom
Personalstreit innerhalb der FDP getrübt. Der wurde dann aber
mit der Entscheidung beendet, dass FDP-Landeschef Andreas Pinkwart
entgegen seiner bisherigen Planung sein Bundestagsmandat aufgibt
und als Vizeministerpräsident und Innovationsminister nach
Düsseldorf kommt. Insgesamt waren die schwarz-gelben
Verhandlungsrunden reinste Harmonieveranstaltungen im Gegensatz zu
früheren rot-grünen Koalitionszirkeln. Am 22. Juni wird
Jürgen Rüttgers zum Ministerpräsidenten
gewählt. In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause will
er seine Regierungserklärung abgeben.
Bereits am 8. Juni hatte sich der Landtag mit
der Wahl des Präsidiums konstituiert. Mit der Christdemokratin
Regina van Dinther steht erstmals seit 25 Jahren wieder eine
Abgeordnete aus den Reihen der CDU an der Spitze des Parlamentes.
Die 47-jährige Diplom-Ingenieurin ist nach der SPD-Politikerin
Ingeborg Friebe (1990 bis 1995) die zweite Frau in diesem Amt. Von
den 187 Abgeordneten stimmten in geheimer Wahl 149 Parlamentarier
für die neue Präsidentin, 31 gegen sie und sieben
enthielten sich. Damit schnitt van Dinther besser ab als ihre drei
neuen Vizepräsidenten. Gewählt wurden der bisherige
SPD-Fraktionsvorsitzende Edgar Moron zum ersten und der grüne
Bauminister Michael Vesper zum zweiten
Landtagsvizepräsidenten. Den Posten als dritte
Stellvertreterin bekam die FDP-Abgeordnete Angela
Freimuth.
In ihrer Antrittsrede betonte van Dinther,
dass sie helfen wolle, Brücken zu schlagen. Nach 39 Jahren, in
denen die SPD an der Macht war, sei der Rollenwechsel von Regierung
zur Opposition und umgekehrt schwierig. Die einen dürften
nicht überheblich werden, die anderen nicht verbittert. Denn
die Lage des Landes sei ohnehin so schwierig, dass "wir
möglichst rasch zu einem vernünftigen Miteinander der
verschiedenen Fraktionen finden müssen", sagte van Dinther.
Alle Mandatsträger mahnte sie: "Wir sind Gewählte und
nicht Erwählte. Wir müssen im besten Sinne des Wortes
Dienstleister für alle Bürgerinnen und Bürger in
unserem Land sein." Gleichzeitig kündigte die neue
Landtagspräsidentin an, dass sie gemeinsam mit den
Mitarbeitern des Parlaments und allen Abgeordneten "mehr
Kreativität in den Landtag holen" will. Vor allem möchte
sie die Kinder einladen, sich für Politik zu interessieren.
"Sie sollen lernen, dass Politik etwas Ernsthaftes ist, was damit
beginnt, dass der Einzelne sich in seinem ganz nahen Umfeld um die
Gemeinschaft und das Gemeinwohl kümmert. Es ist gut, wenn
junge Menschen ehrenamtlich tätig werden, und dies nicht als
Belastung auffassen, sondern als Chance für die Entwicklung
der eigenen Persönlichkeit", machte sie deutlich.
Zuvor hatte der scheidende
Landtagspräsident Ulrich Schmidt (SPD), der nach 30 Jahren aus
dem Landtag ausscheidet, die Abgeordneten ermuntert: "Begeistern
Sie mit innovativen Ideen und mit einem frischen, lebendigen Geist!
Geben Sie diesem Haus neue Impulse und bringen sie neue Inhalte
ein." Gleichzeitig mahnte Schmidt die Parlamentarier, ihre
"Verankerung an der Basis" nicht zu verlieren, "um zu wissen, was
unten passiert".
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