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Jeanette Goddar
Politur für Europas verblassende Sterne
Nach den gescheiterten Verfassungsreferenden
sucht die EU den Dialog mit ihren Bürgern
Einen Plan B für ein Europa ohne Verfassung
hat niemand gewollt; nun steht Plan D ins europäische Haus.
Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und den
Niederlanden steht D nicht etwa für Disaster oder Dilemma.
Nein, erklärt die EU-Kommissarin für Kommunikation,
Margot Wallström, "es ist Zeit für Plan D - wie
Demokratie und Dialog". Warum? "Immer wieder haben wir in der
Referendumsdebatte gehört, (...) wie viele Menschen das
Gefühl haben, übergangen zu werden."
Nachlesen kann man das nicht in einer eng
beschriebenen und für Außenstehende kaum lesbaren
Drucksache, sondern auf Wallströms Website. Die Schwedin, die
im Jahre 2004 den ersten Posten als Kommunikations-Kommissarin
überhaupt antrat, nimmt ihren Job so wörtlich, dass sie
persönlich mit den EU-Bürgern kommuniziert. In einem
Weblog stellt sie öffentlich, was der Plan D ist und was sie
sonst so treibt ("Ich arbeite an meinem Französisch").
Täglich bekommt sie dort von Chattern aus ganz Europa
demonstriert, dass die Europäische Union in den 25
Mitgliedstaaten bisher mitnichten nur als demokratisch wahrgenommen
wird. "Sie repräsentieren einen elitistischen und korrupten
Haufen", heißt es dort; einer schreibt von einem
"ungewählten Politbüro". Warum Wallström sich dem
aussetzt? "Weil ich will, dass die Menschen sehen, dass die
Kommission nicht aus gesichtslosen Bürokraten
besteht."
Andererseits ist das Online-Stellen eines
Weblogs für jemanden, der der EU kommunikatives Leben
einhauchen soll, wohl noch einer der leichteren Aufträge. Seit
Jahren kritisieren Experten das technokratische Denken der
EU-Kommunikateure sowie das starre Festhalten an den immerselben
Mitteln - Umfrageergebnisse, Analysen, Berichte Aktionspläne
und Strategie - einer Abteilung, in der nur wenige überhaupt
über kommunikative Kompetenzen verfügen. Wallström
schilderte den Ist-Zustand bei einer Veranstaltung der Macher des
EU-eigenen Informationsnetzwerks "Europe Direct" so: "Lange war die
EU ein Projekt der politischen Elite. Wir waren schlecht im
Zuhören, schlecht im Erklären und schlecht im Verankern
unserer Agenda in den Mitgliedstaaten."
Damit sich das ändert, sitzt sie seit
Herbst 2004 an einem Aktionsplan und einem Weißbuch zur
Kommunikationsstrategie. Ersterer soll die
Öffentlichkeitsarbeit in der Kommission umstrukturieren,
effizienter und moderner machen; das zweite sich mit der Rolle
anderer Akteure - nationale Regierungen, Europäisches
Parlament, Medien - befassen. Auch wenn der Wortlaut noch unbekannt
ist - der Plan soll im Juli, das Weißbuch im Herbst
präsentiert werden - sind ein paar Grundlinien klar:
Wallström will der EU "Ohren geben", damit sie den
Bürgern besser zuhören und neue "Sprechwerkzeuge", damit
sie sich besser vermitteln kann. "Kommunikation ist keine
Einbahnstraße", sagt sie. Um herauszufinden, was die
Bürger eigentlich wollten, brauche man bessere
Umfrageinstrumente, mehr Mitsprache für Interessengruppen und
Bürger in allen Ländern. Auch die Sprache der EU soll
sich verändern: Weg von für den durchschnittlichen
Bürger völlig wertlosen Verlautbarungen über
"Bolkestein" "Laaken" oder "Lissabon" und hin zu einer Sprache, die
benennt, worum es eigentlich geht. Die EU soll auch über
andere Kanäle als über Mitteilungen und Broschüren
sprechen lernen. Ma werde "eng mit nationalen Regierungen, der
Zivilgesellschaft und den Medien zusammenarbeiten", hat
Wallström erklärt. Und, siehe Weblog: "Das Internet ist
DER neue Kanal für Diskussion und Kommunikation." Beigebracht
haben ihr das nicht zuletzt ihre Gegner. "Auf jede
pro-europäische kommen 20 Anti-Europa-Sites," stellte die
kommunikations-Kommissarin fest. Als weiteren Aspekt soll jedes
Land eine eigene Strategie entwick-eln: "Eine alte Frau in Estland
hat andere Sorgen als ein junger Mann in Athen! Wir müssen weg
von der Ein-Weg-für-alle-Strategie." "Go local" lautet das
Motto.
Bei der Lokalisierung sind vor allem die
Vertretungen der EU-Kommission gefragt. Bisher gibt es zwar in
jedem Land eine Repräsentanz - aber längst nicht immer
bekommt die Bevölkerung davon etwas mit. Eine der
größten steht in Berlin nur wenige Meter vom
Brandenburger Tor. Von 18 Mitarbeitern sind dort zehn für
Presse- und Öffentlichkeit zuständig. Sie tun das, was
derartige Abteilungen immer tun: die Website pflegen,
Broschüren drucken, Fragen der Bürger und der Presse
beantworten, Interviews der EU-Kommissare bei ihren - im Vergleich
zu anderen EU-Staaten ziemlich häufigen - Berlin-Besuchen
organisieren.
Ein Teil des Budgets fließt aber auch in
politische Bildung, die nicht auf Interesse wartet, sondern auf den
Bürger zugeht. Vor der Ost-Erweiterung bereiste über
mehrere Monate ein von Kommission, Europäischem Parlament und
Bundespresseamt gemeinsam bestück-ter Bus deutsche
Marktplätze und stellte sich den Fragen. Nicht nur wegen der
Bürgernähe, sondern auch wegen des gemeinsamen Handelns
sei die Aktion gelungen, sagt der Pressesprecher der EU-Kommission
in Berlin, Harald Händel: "Wenn wir alle an einem Strang
ziehen, sind wir stark. Das hat sich bei der Erweiterung wie beim
Euro gezeigt".
Als die Einigung über eine gemeinsame
Verfassung für 25 Länder anstand, konnte man sich dazu in
Brüssel nicht aufraffen: Weder gab es eine gemeinsame
Strategie noch überhaupt spürbares Engagement der
Kommission. Das Parlament habe ihnen "Zügel angelegt",
rechtfertigt sich Händel: "Wir waren explizit aufgefordert,
uns aus dem Ratifizierungsprozess herauszuhalten." Stattdessen
überließ man die PR den nationalen Regierungen - was in
den Niederlanden geradewegs in ein von der Haager Regierung selbst
gemachtes Desaster und zur Ablehnung der Verfassung durch das Volk
führte.
Nicht beschweren können sich die
PR-Strategen in Brüssel über Euro-Skepsis derer, die
über sie berichten. Zwar ist es nicht mehr so wie in den
1980er-Jahren, als die Brüsseler Korrespondentenschar sich
fast bedingungslos dem "europäischen Projekt" - und nicht der
unabhängigen Berichterstattung - verpflichtet fühlte. Der
Ruch des massenhaften Lobbying und zu großer Nähe
verblasste jedenfalls deutlich, als eine investigative Recherche
österreichischer Journalisten 1999 einen Korruptions-Skandal
aufdeckte, der zum Rücktritt der Santer-Kommission
führte. Aber heute noch weisen Umfragen darauf hin, dass acht
von zehn Brüsseler Korrespondenten einer politischen wie
geografischen Ausweitung der EU wohl gesonnen sind - ganz im
Gegenteil zu den Menschen, für die sie berichten.
Die Kommission fördert die
Europanähe der ortsansässigen Berichterstatter, wo sie
kann - und nicht nur mit unumstrittenen Mitteln. Der Presse werden
Schnittplätze und Studios, Bilder, Töne und sogar
Kamerateams zur Verfügung gestellt. Die EU-eigene
Fernsehagentur "Europe by Satellite" (EbS) übersetzt ihre
Liveberichterstattung inzwischen in 24 Sprachen. Und die Kommission
zahlt sogar an ausstrahlungswillige Produzenten. Neun Millionen
Euro fließen in jedem Jahr an öffentlich-rechtliche und
private Sender; davon alleine eine Million nach
Deutschland.
Vereinnahmung der Medien?
Wer über Europa berichten will, kann der
Kommission einen Antrag auf finanzielle Förderung der eigenen
journalistischen Arbeit vorlegen. Dass auf diesem Weg das Image der
Europäischen Union verbessert werden soll, streitet die
Kommission gar nicht ab. Den Vorwurf der unlauteren Vereinnahmung
weist Wallström aber von sich: Man arbeite auf Basis des
"gegenseitigen Respekts der verschiedenen Aufgaben" zusammen,
erklärte die Kommissarin bei einer Tagung unter dem passenden
Titel "Die EU ins Bild setzen!" Für das Jahr 2006
kündigte sie bei der Gelegenheit sogar eine Aufstockung der
Mittel an. Im Fokus der finanziellen Aufmerksamkeit der Kommission
stehen Programme, die "auf regionaler oder nationaler Ebene
erklären, welche Auswirkungen europäische Politik auf
ganz gewöhnliche Bürger hat".
So mancher Journalist will diese
Aufmerksamkeit allerdings gar nicht. Die britische BBC
erklärt, kein Geld von Objekten der Berichterstattung
anzunehmen, weil, wer damit anfange, seine redaktionelle
Integrität verliere. Auch der ARD-Korrespondent Rolf-Dieter
Krause teilte Harald Händel im vergangenen Jahr auf einem
Podium mit, er fände die TV-Subvention eine "schändliche
Sache". "Lieber eine ehrliche Informationsarbeit als
Informationspolitik", erboste sich Krause. Die meisten deutschen
Medien sind da wesentlich weniger zimperlich - auch nicht die
Öffentlich-Rechtlichen, die ohnehin schon aus Steuergeldern
bezahlt werden, damit sie ihrem Informationsauftrag nachkommen.
Sendungen bei MDR und WDR, SWR und ZDF, das Deutschlandradio und
die Deutsche Welle wie auch einige private Sender profitierten
bereits davon. Entschieden wird über die Anträge von
einer dreiköpfigen Kommission, in der auch Harald Händel
sitzt. Der findet an der Subvention von Beiträgen nichts zu
beanstanden: "Europäische Politik allgemeinverständlich
aufzubereiten ist komplex und kompliziert. Damit es überhaupt
gemacht wird, sagen wir: Nehmt das Geld!".
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