Kai Nitschke
Scheidungen bald vor dem Notar ?
Justiziminister-Konferenz befürwortet
große Justizreform
Durch den Abbau von Rechtsmitteln und den verstärkten
Einsatz von privaten Institutionen wollen die Bundesländer die
Ausgaben für die Justiz senken. Die Landesjustizminister der
Bundesländer verständigten sich auf ihrer Jahreskonferenz
am 29. und 30. Juni in Dortmund darauf, das Gerichtsvollzieherwesen
zu privatisieren und bei Geldbußen bis zu 500 Euro oder einem
Monat Fahrverbot künftig kein Rechtsmittel mehr
zuzulassen.
Zudem sollen sämtliche Testamentssachen, wie zum Beispiel
die Ausstellung von Erbscheinen, künftig von Notaren statt von
Nachlassgerichten erledigt werden. Im Strafrechtsbereich
verständigten sich die Ressortchefs darauf, Verurteilungen von
bis zu zwei Jahren künftig in einem beschleunigten Verfahren
zuzulassen. Bislang ist als Höchst- strafe ein Jahr
zulässig.
Durch eine Öffnungsklausel soll es den Bundesländern
außerdem ermöglicht werden, Verwaltungs-, Sozial- und
Finanzgerichte zusammenzulegen. Dadurch lassen sich
Verwaltungsstellen einsparen und Richter flexibler einsetzen. Zudem
wollen die Landesjustizminister in mehreren Arbeitsgruppen einen
noch größeren Umbau der Gerichtslandschaft prüfen.
So ist daran gedacht, einvernehmliche Scheidungen künftig
komplett auf Notare zu übertragen. Zudem sollen die
Prozessordnungen sämtlicher Gerichte vereinheitlicht werden.
Ein Ergebnis könnte sein, dass es künftig in allen
Bereichen der Justiz nur noch eine Rechtsmittelinstanz gibt.
Während die Landesjustizminister parteiübergreifend
die gefassten Beschlüsse verteidigten, äußerte sich
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ablehnend: "Das Recht
muss insbesondere die Schwachen schützen. Deshalb halte ich es
für keine gute Idee, Scheidungen auf Notare zu
übertragen." Bei einem privaten Gerichtsvollzieherwesen
befürchtet Zypries zudem bis zu ein Drittel höhere Kosten
und sieht das Gewaltmonopol des Staates bedroht.
Auch für die Forderungen einiger Bundesländer, bei
Prozesskostenhilfe künftig eine zwingende Eigenbeteiligung von
mindestens 10 Euro einzuführen, zeigt die
Bundesjustizministerin keinerlei Verständnis: "Das halte ich
nicht nur für höchst unsozial, sondern auch für
verfassungsrechtlich bedenklich, weil Prozesskostenhilfe gerade
diejenigen in die Lage versetzen soll ihre Rechte durchzusetzen,
die die notwendigen Mittel für eine gerichtliche
Auseinandersetzung nicht aus eigener Kraft aufbringen
können."
Auch die drohenden regionalen Unterschiede beim Gerichtsaufbau
sieht das Bundesjustizministerium als Problem: So habe zum Beispiel
Niedersachsen bereits angekündigt, Verwaltungs-, Sozial- und
Finanzgerichte zusammenzulegen. Die Länder Nordrhein-Westfalen
und Hamburg wollen hingegen dauerhaft an diesen drei Gerichtsformen
festhalten. Auch Hessen, das als Koordinator der
unionsgeführten Länder auftritt, sieht im momentanen
Gerichtsaufbau kein vordringliches Problem, will eine
Zusammenlegung aber letzten Endes auch nicht ausschließen.
Trotz der ablehnenden Haltung der Bundesregierung sehen die
Länder langfristig gute Umsetzungschancen für die
gefassten Beschlüsse. "Keine Bundesregierung kann einen
parteiübergreifenden Beschluss aller Landesjustizminister
dauerhaft ignorieren", sagte der Sprecher des hessischen
Justizministeriums, Stefan Fuhrmann. Die beschlossenen
Maßnahmen seien notwendig, um bei steigenden Verfahrenszahlen
und mit immer weniger Personal eine qualitativ hochwertige und
zügige Rechtsprechung zu gewährleisten.
Jetzt gehe es darum, die Beschlüsse in Gesetze
umzuarbeiten. Das weitere Vorgehen sei dann auch vom Ausgang der
voraussichtlichen Bundestagswahl im September abhängig.
"Natürlich wäre bei einer CDU-FDP geführten
Bundesregierung vieles einfacher", meint Fuhrmann. Dieser Meinung
scheint auch die FDP zu sein: Deren Bundestagsrechtsexperte Rainer
Funke begrüßte bereits die beschlossene Privatisierung
des Gerichtsvollzieherwesen sowie die Übertragung der
Nachlasssachen auf Notare.
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