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Karl-Otto Sattler
Armutsbekämpfung im Angesicht des
Terrors
Im Schatten der Londoner Anschläge: Der
G-8-Gipfel beschließt massive Hilfen für
Afrika
Mit der Verständigung auf eine deutliche
Aufstockung der Entwicklungshilfe besonders für Afrika sowie
auf ein Aufbauprogramm für Palästina wollten die Staats-
und Regierungschefs der acht führenden Indus-trienationen bei
ihrem Gipfel im schottischen Gleneagles ein demonstratives Signal
gegen den internationalen Terrorismus aussenden. Die Teilnehmer des
Treffens bekundeten die Absicht, beim Kampf gegen den Terror
stärker zu kooperieren. Man wolle dem Terrorismus ein Zeichen
der Hoffnung entgegensetzen, erklärte der britische Premier
Tony Blair als Gastgeber.
Der G-8-Gipfel stand im Schatten der
Bombenanschläge von London, die von den mutmaßlich aus
dem Umfeld des Al-Qaida-Netzwerks kommenden Attentätern exakt
zum Zeitpunkt des Meetings in Gleneagles verübt wurden. Bei
den Terrorangriffen in der U-Bahn und in einem Bus kamen über
50 Menschen ums Leben, rund 700 wurden teilweise schwer verletzt.
Trotz der auf Hochdruck laufenden Ermittlungen gab es zunächst
keine konkreten Hinweise auf die Täter. Das Innenministerium
warnte, weitere Anschläge seien nicht völlig
auszuschließen. In vielen Staaten und auch in Deutschland
wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
Wegen der Attentate in London verließ
Blair vorübergehend das Treffen in Schottland. Bundeskanzler
Gerhard Schröder sagte, natürlich sei die ganze Stimmung
bei der Begegnung beeinträchtigt worden. Ein Abbruch der
Gespräche stand jedoch nie zur Debatte: Die Staats- und
Regierungschefs von Großbritannien, den USA, Russland,
Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada wollten
politisch unterstreichen, dass sie vor dem Terrorismus nicht in die
Knie gehen. Zeitweilig waren bei dem Gipfel auch
Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko und Brasilien sowie
mehrere afrikanische Nationen präsent. In einer Erklärung
von Gleneagles zu den Attentaten von London heißt es: "Es ist
nicht ein Angriff auf eine Nation, sondern auf alle Länder und
zivilisierte Menschen überall."
Die wichtigste Entscheidung von Schottland
dürfte ohne Zweifel der Beschluss zur verstärkten
Bekämpfung der Armut in der Welt sein. Dieses Thema war zuvor
auf internationaler Bühne bereits intensiv diskutiert worden,
wobei besonders Tony Blair auf Fortschritte gedrungen hatte. Die
Terroranschläge ebneten nun den Weg zu recht weitreichenden
Hilfszusagen: Bessere Lebenschancen für die Menschen in der
Dritten Welt sollen auch dem Terrorismus das Wasser abgraben und so
die Stabilität fördern.
Die reichsten Länder der Erde wollen nun
bis 2010 die Entwicklungshilfe um jährlich 50 Milliarden
Dollar erhöhen. Die 25 EU-Staaten würden 80 Prozent
dieser Summe aufbringen, so EU-Kommissionspräsident José
Manuel Barroso. Allein 25 Milliarden Dollar zusätzlich pro
Jahr sollen Afrika zugute kommen. Zudem hießen die
G-8-Repräsentanten die Entscheidung ihrer Finanzminister vom
Juni gut, den 18 ärmsten Nationen auf dem Globus Schulden in
Höhe von 40 Milliarden Dollar zu erlassen, mit denen sie bei
internationalen Organisationen in der Kreide stehen. Insgesamt 37
Länder kommen in den Genuss des Programms von Gleneagles. Bei
diesem Tagesordnungspunkt waren auch UN-Generalsekretär Kofi
Annan sowie Vertreter der Weltbank und des Währungsfonds
zugegen.
In der G-8-Erklärung heißt es, nun
gebe es eine "historische Gelegenheit für Afrika". Dessen
Staatenlenker hätten "eine neue Vision für die Zukunft
des Kontinents". Blair sagte, der Aktionsplan markiere "nicht das
Ende der Armut in Afrika, aber es ist die Hoffnung, dass die Armut
beendet werden kann". Olusegun Obasanjo, nigerianischer
Präsident und Vorsitzender der Afrikanischen Union,
würdigte die Beschlüsse von Schottland als großen
Erfolg. Allerdings dringen die acht Regierungschefs gegenüber
jenen Ländern, die von den deutlich aufgestockten
Finanzströmen profitieren, auf eine verstärkte
Demokratisierung sowie auf ein energischeres Vorgehen gegen
Korruption und auf mehr politische Transparenz.
Zum Konzept der auf dem Gipfel
verkündeten Bekämpfung der Armut gehört auch das
Bekenntnis zu fairen Handelsbeziehungen, um so die wirtschaftliche
Entwicklung in der Dritten Welt voranzubringen. Die G-8-Nationen
sagten im Prinzip einen Abbau von Importhindernissen zu. Ins Visier
genommen werden soll auch die Abschaffung von Subventionen des
Agrarexports, wenn auch vage "zu einem glaubwürdigen
Zeitpunkt", der nicht näher präzisiert wird. Auf einer
Welthandelskonferenz in Hongkong werden die Handelsbeziehungen im
Dezember näher erörtert.
Zur Stabilisierung der von Gewalt
erschütterten Nahostregion beitragen soll ein Hilfspaket von
drei Milliarden Dollar, die der palästinensischen
Autonomiebehörde in den nächsten Jahren zufließen
sollen. Auf diese Weise, so Blair, wolle man das friedliche
Zusammenleben der beiden Staaten Israel und Palästina, von
zwei Völkern und zwei Religionen unterstützen.
Anders als bei den Programmen für
Entwicklungsländer und Nahost konnten sich die Teilnehmer des
G-8-Gipfels beim Klimaschutz nicht auf konkrete Beschlüsse
einigen. Diverse Umweltorganisationen, die in Gleneagles ihren
Forderungen mit Demonstrationen Nachdruck verliehen hatten,
äußerten sich denn auch enttäuscht und kritisierten
die Klima-Resolution. US-Präsident George W. Bush will
weiterhin nicht dem von den anderen sieben Ländern und
insgesamt rund 150 Nationen unterzeichneten Kyoto-Protokoll
beitreten. Diese Übereinkunft verpflichtet die
Indus-triestaaten, bis 2012 den Ausstoß der Treibhausgase um
mindestens fünf Prozent im Vergleich zu 1990 zu
reduzieren.
Immerhin erkennen in der Erklärung von
Gleneagles nun auch die USA an, dass die Klimaerwärmung ein
von Menschen zu verantwortendes Problem ist. Kanzler Schröder
wertete es als Erfolg, dass Washington in dem Dokument jetzt den
Begriff Kyoto akzeptiert hat, der für die USA lange Zeit ein
"Unwort" gewesen sei. Der französische Präsident Jacques
Chirac sprach von einem "Teilerfolg".
Die G-8-Repräsentanten betonten in
allgemeiner Form ihren Willen, die Emissionen von Treibhausgasen zu
senken. Hervorgehoben wird dabei die Bedeutung moderner
Umwelttechniken, die verstärkt auch in den industriell
aufholenden Schwellenländern eingesetzt werden
sollen.
In diesem Bereich winkt ein riesiger neuer
Markt für Investitionen, von denen gerade auch Unternehmen in
den reichen Nationen profitieren können. Schröder
erklärte, für Deutschland mit seinen entwickelten
Technologien bei erneuerbaren Energien böten sich große
Chancen.
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