Christiane Oelrich, dpa
Clevere Wahl
Kandidat für obersten US-Richter
Es hätte schlimmer kommen können", war
dievorherrschende Meinung von Demokraten und liberalen Gruppen, als
Präsident George W. Bush John Roberts als Kandidaten für
den Obersten Gerichtshof präsentierte. An der konservativen
Grundeinstellung des streng gläubigen Katholiken besteht kein
Zweifel, doch gilt der Mann als umgänglich. Er ist erst seit
zwei Jahren Richter und deshalb ein unbeschriebenes Blatt, was
Kritikern nur wenig Angriffsfläche bietet.
"Er ist eindeutig einer der weniger provokativen Kandidaten",
kommentierte die "New York Times" am 20. Juli. In der zunehmend
polarisierten Welt Washingtons könnte Bush nach Ansicht von
Kommentatoren ein Meisterstück gelungen sein: er könnte
jemand gefunden haben, der die konservative Basis befriedigt und
dennoch von den Demokraten akzeptiert wird.
Vom "Heiligen Krieg" hatte die Zeitschrift "Newsweek" schon
gesprochen, als die wichtigste Stelle in dem neunköpfigen
Gremium am 1. Juli frei wurde. Richterin Sandra Day O'Connor war
oft das Zünglein an der Waage gewesen.
Mit der Neubesetzung ihres Postens kann Präsident Bush sich
einen Wunsch erfüllen, den er seit dem ersten Amtstag hegt:
der US-Gesellschaft langfristig einen konservativen Stempel
aufzudrücken. Eine zweite Gelegenheit dazu dürfte
demnächst kommen. Der Vorsitzende Richter William Rehnquist
(80) ist schwer krank und dem Rücktritt nahe. Da Rehnquist
aber ohnehin sehr konservativ ist, würde ein Bush-Kandidat auf
seinem Posten die politische Gewichtung des Gerichts nicht
verschieben.
Die Demokraten wollen den Kandidaten auf Herz und Nieren
prüfen. "Bush hatte die Gelegenheit, das Land mit der
Nominierung zu vereinen. Stattdessen hat er einen kontroversen
Kandidaten vorgeschlagen", meinte Senator Richard Durbin.
Im Gegensatz zu dem, was Senator Edward Kennedy 1987 zur
Nominierung des Richterkandidaten Robert Bork zu sagen hatte, klang
das aber wie ziemlich lahmes Säbelrasseln. Kennedy hatte den
Kandidaten innerhalb von Stunden mit einer flammenden Rede derart
demontiert, dass er im Senat chancenlos war. Dennoch wetzen
liberale Gruppen wie der "Alliance for Justice" die Messer. "Nach
einer ersten Prüfung haben wir ernste Sorgen, dass Roberts
fair und unabhängig ist", teilte die Gruppe mit.
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