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Frauke Hamann
Nicht den Fächern sondern dem Thema gerecht
werden
Loki Schmidts Anregungen zur gegenwärtigen
Schul- und Bildungsdiskussion
Loki Schmidt ist bekannt - das liegt an ihrem jahrzehntelangen
Engagement für den Pflanzen- und Naturschutz, aber sicher auch
an ihrer gradlinigen, offenen Art. Die Ehefrau von Altbundeskanzler
Helmut Schmidt konnte zwar nicht Biologie studieren, doch hat sie
mehr für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit getan
als mancher Fachwissenschaftler. Die Biologen der Universität
Hamburg machten sie deshalb zum Ehrendoktor; anlässlich ihres
80. Geburtstags verlieh ihr der Hamburger Senat den
Professorentitel.
Wie sehr ihr Charakter und ihr Berufsweg von schulischen
Erfahrungen bestimmt wurden, macht dieses Buch deutlich. Diese
Schulbiografie ist als Gespräch zwischen Loki Schmidt und dem
Erziehungswissenschaftler und Leiter des Hamburger Schulmuseums,
Reiner Lehberger, angelegt. Das Buch lässt die Schulzeit im
Hamburg der 1920er-Jahre wieder aufleben.
Hannelore Glaser, so ihr Mädchenname, ging ab 1925 auf eine
der Versuchs- und Reformschulen ihrer Heimatstadt. Diese Schulen
hatten Lehrer und Eltern nach der Novemberrevolution
gegründet, um mit der alten, stoffzentrierten Paukschule der
Kaiserzeit zu brechen: An der Grundschule Burgstraße wurden
Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet, die
Prügelstrafe war abgeschafft, Schüler, Lehrer und Eltern
sahen sich als Gemeinschaft. Das Fragen, Erkunden und "Begreifen"
der Kinder stand im Mittelpunkt.
Loki Schmidt schildert, wie vielseitig interessiert ihre Eltern
waren und wie sehr sie sich schulisch engagiert haben. Die Eltern
sorgten denn auch dafür, dass ihre Tochter die
weiterführende Lichtwark-Schule besuchte. "Mit ihrer
ausschließlichen Sorge um den Lehrstoff hat die Schule satt
gemacht. Sie sollte hung-rig machen", hatte Alfred Lichtwark
kritisiert, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle.
Sekundiert von Reiner Lehberger, der Informationen zur deutschen
Schullandschaft ergänzt und zahlreiche Fakten beisteuert,
berichtet Loki Schmidt von ihrer Schulzeit. Nicht nur, dass sie mit
ihrem späteren Mann in einer Klasse war - vor allem das
anschauliche, praktisch orientierte Lernen wirkte nach. Der
Kulturkundeunterricht beispielsweise umfasste die Fächer
Deutsch, Geschichte und Religion: "Man hat ein Thema und versucht
es von vielen Seiten anzugehen. Und dabei achtet man nicht auf
Fächer, sondern wie man dem Thema gerecht wird."
Das Prägendste waren die Jahresarbeiten mit ihren selbst
gesetzten Themen. Ob die Schülerin nun die Pflanzen eines
Moores bestimmt und zeichnet oder nach einer Reise ins
Weserbergland Puppen mit den passenden Trachten fertigt - es
entstand hohe Motivation und intensives Miteinander. "Als
wichtigste positive Erfahrungen würde ich nennen:
selbständiges Arbeiten und selbständiges Erarbeiten. Wer
das gelernt hat, hat ein ganz anderes Selbstbewusstsein." Es war
nur folgerichtig, dass die Nationalsozialisten die Lichtwark-Schule
1937 auflösten.
Loki Schmidt wurde Lehrerin. 1940 steht sie vor ihrer ersten
Klasse mit 54 Mädchen und Jungen. "Der Lehrplan interessierte
mich nicht", bekennt sie heute. Und da die offizielle Fibel voller
Hitlerjungen war, "habe ich mit den Kindern eine eigene Fibel
gemacht". Resolut suchte sie die Spielräume zur Realisierung
ihrer Vorstellungen. Sie erinnert an die ersten Berufsjahre
während des Krieges bis zur Schließung der Hamburger
Schulen nach den schweren Luftangriffen 1943. Gleich im August 1945
unterrichtete sie wieder. Mehr als 25 Jahre, anfangs geprägt
von Improvisation und Mangel, von Debatten mit Kollegen und
Schulleitern über geeignete Unterrichtsmethoden, arbeitete sie
an Hamburger Grundschulen, wo sie ihre pädagogischen
Überzeugungen umsetzte, also Lehrspaziergänge unternahm,
Themenunterricht anbot und Lernen auch außerhalb der Schule
praktizierte.
"Mein Leben für die Schule" schildert ein reiches
Schulleben, das bestimmend geworden ist für Loki Schmidts
eigenen Weg. Für die heutige Bildungsdis-kussion ergeben sich
daraus gleich mehrere Lehren: Dass frühzeitige Schulpraktika
während des Lehrerstudiums nötig sind, um die
persönliche Berufseignung feststellen zu können, dass die
Zeiten reinen Fächerwissens vorbei sind, dass praktisches
Lernen und Binnendifferenzierung zentral sind für das Gelingen
von Unterricht, ebenso wie aktive Elternarbeit. Über allem
aber steht das Credo der Autorin, dass Lernen Entdeckerfreude
schaffen müsse.
Loki Schmidt
Mein Leben für die Schule.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005; 288 S., 22,-
Euro
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