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Karl-Otto Sattler
Viele Tipps für kreatives Sparen
Kommunale Spitzenverbände und Kulturrat
Sachwalter der Kultur vor Ort
Stornierte Tanzspektakel, vertagte Konzerte,
gestrichene Theaterstücke: Auf manche gewohnten Angebote der
freien Kulturszene müssen die Saarbrücker zur Zeit
verzichten. In einem Brandbrief an den Gemeinderat der
Landeshauptstadt warnen Künstler und Ensembles vor einer "zum
Teil existenzbedrohenden" Entwicklung. Der Grund für den
Protest: Aus der ausgemergelten Kasse der
180.000-Einwohner-Kommune, die mit einer halben Milliarde Euro in
der Kreide steht, fließen die Zuschüsse immer
dünner. Jährlich lässt das unter Spardruck stehende
Rathaus nur noch 120.000 Euro für alle freien Gruppen
springen. Und dann fehlen plötzlich auch noch Gelder, weil
deren Auszahlung wegen eines etatpolitischen Streits zwischen
SPD-Oberbürgermeisterin Charlotte Britz und der
CDU/FDP-Mehrheit im Lokalparlament blockiert ist.
Im südbadischen Freiburg beharken sich
der grüne Rathauschef Dieter Salomon, die Fraktionen in
Gemeinderat und das Stadttheater, weil in dem Mu-sentempel
angesichts der Ebbe im kommunalen Säckel Schmalhans als
Küchenmeister auftritt. Im sächsischen Freiberg droht das
Kulturleben zu veröden, weil dem örtlichen Theater wegen
versiegender Subventionen des Landes die Schließung droht.
Republikweit zu hören ist das Heulen und Zähneklappern in
Berlin, wo wegen der horrenden Verschuldung permanent über das
Aus von Opern, Theatern und freien Projekten gestritten
wird.
Schmerzende Einschnitte
Ob Heimatmuseen in Kleinstädten, ob
Gesangvereine und Musikkapellen in Dörfern, ob
Kunstausstellungen und Bühnen in Großstädten:
Zwischen Ostsee und Alpen leiden Kulturschaffende fast überall
unter mehr oder weniger drastischen Einschnitten, weil den
Rat-häusern die finanzielle Luft ausgeht. "Das Geld für
den kulturellen Sektor wird in erster Linie in den Kommunen
ausgegeben", sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des
Deutschen Kulturrats. Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen
Städte- und Gemeindebunds, des Verbands der Klein- und
Mittelstädte: "Im Jahr 2003", das sind die neuesten Daten,
"investierten Bund, Länder und Gemeinden über acht
Milliarden Euro in die Kultur, und davon stammt mit rund 45 Prozent
der Löwenanteil aus den Kommunen." Kürzungen schlagen da
besonders hart ins Kontor. Etwa 43 Prozent der Gesamtsumme kommen
von den Ländern, zwölf Prozent von der
Bundesregierung.
"Ohne Moos nix los", konstatiert Zimmermann
nüchtern, der über spürbare Einschnitte in den
Kulturetats der Rathäuser klagt. Fehlt es an einer
schlagkräftigen Lobby beim Gerangel um knappe Mittel, beim
Ringen um den gesellschaftlichen Stellenwert lokaler Kultur?
Differenziert äußert sich Folkert Kiepe, beim Deutschen
Städtetag Beigeordneter für Bauen, Wohnen, Verkehr und
Stadtentwicklung wie für Kultur: "Selbstverständlich
bleibt dieser Bereich von den Sparzwängen nicht verschont,
aber die Kulturetats werden in der Regel nicht
überdurchschnittlich gekürzt." Bislang seien diese
Töpfe noch nicht zu "Steinbrüchen der Finanzdezernenten"
geworden, "auch wenn der Konkurrenzkampf etwa mit dem Nahverkehr
oder dem Straßenbau härter wird." Schönreden will
Kiepe, dessen Organisation die größeren Städte
repräsentiert, die Lage natürlich nicht.
Durchwachsen klingt die Bilanz auch beim
Städte- und Gemeindebund. Klar, sagt Ulrich Mohn vom
Kulturreferat, "als freiwillige Aufgabe steht die Kultur unter
besonderem Druck." Sprecher Habbel ergänzt, "dass die
finanzielle Talsohle im Grunde erreicht ist", beispielsweise
tendierten die Zuschüsse für Vereine vielerorts
mittlerweile gegen Null. Indes sei "kulturell doch enorm viel los",
meint Mohn, "die kommunale Kultur hat sich bisher ganz gut
behauptet."
Wenn trotz der allgemeinen Finanzmisere die
Kultur immer noch ein recht lebendig sprießendes
Pflänzchen ist, dann hat das auch mit der Arbeit der
kommunalen Spitzenverbände wie der des Kulturrats zu tun.
Dabei geht es nicht nur um die Ausstaffierung dieses oder jenes
Etatpostens für ein Tanzensemble oder ein Kabarett. Eine
zentrale Rolle kommt auch dem Bemühen um das Erschließen
neuer Ressourcen zu: Ehrenamtliches Engagement, Sponsoring,
Public-Private-Partnership, Stiftungen - für solche Konzepte
rühren die Spitzenorganisationen intern eifrig die
Werbebetrommel. Vonnöten sind zudem effizientere
Organisationsformen, Entbürokratisierung, eine bessere
Kooperation verschiedener Kulturträger und die Schaffung von
Freiräumen für künstlerisch Tätige. Mohn: "Der
finanzielle Druck kann auch Kreativität mobilisieren." Da
sehen sich Städtetag wie Städte- und Gemeindebund als
Katalysator, als Ideengeber, als Vermittler.
Solche Aktivitäten sind nicht sonderlich
schlagzeilenträchtig. Das gilt auch für Leitlinien,
Handreichungen und Tipps, die der Städtetag für die
Digitalisierung von Archivmaterial, für die Praxis in
Kommunalarchiven, für Kunstschulen und Jugendbildung oder
für Musikschulen erstellt.
Lobbying im engeren Sinne ist aus Sicht Olaf
Zimmermanns nicht die Aufgabe der kommunalen Spitzenverbände.
Der Kulturrats-Geschäftsführer: "Beim Kampf um die
Ausstattung der Kulturetats muss vor Ort der Druck von außen
kommen." Betroffene Einrichtungen müssten Unterschriften
sammeln, Protestaktionen veranstalten, die Medien einschalten, "man
muss auch mal dem Bürgermeister bei einem Rundgang im Museum
drastisch vor Augen führen, wie es dort mangels Dachsanierung
reinregnet."
Folkert Kiepe meint, "dass sich der
Städtetag natürlich nicht in handfeste Konflikte in
einzelnen Rathäusern einmischen kann." Der Kulturrat klinkt
sich ebenfalls nicht konkret vor Ort in Auseinandersetzungen ein.
Zimmermann: "Wir setzen uns dafür ein, dass Bundes- und
Ländergesetze der kommunalen Kultur nützen." Als Erfolg
in diesem Sinne wertet der Geschäftsführer das Engagement
für eine Verbesserung des Stiftungsrechts, die nicht zuletzt
den Kunstschaffenden und dem Kulturangebot auf lokaler Ebene
diene.
Pflege des kulturpolitischen
Klimas
In ihrem Kampf gegenüber Bund und
Ländern für eine generell bessere Finanzausstattung der
Kommunen sehen die beiden Spitzenverbände ihren wichtigsten
politischen Beitrag für die Stärkung der Kultur in
Städten und Gemeinden: Wenn mehr im Topf ist, fällt auch
mehr für die Kultur ab. Unabdingbar für eine wirksame
Interessenvertretung ist auch das, was man kulturpolitische
Klimapflege nennen könnte: nämlich das offensive
Eintreten für die lokale Kultur als unverzichtbarer
gesellschaftlicher Faktor. Kiepe verweist auf verschiedene
Memoranden des Städtetags zur lokalen Kulturpolitik. In der
Kommune, hebt der Dezernent hervor, leiste die Kultur viel bei der
Identitätsstiftung, bei der sozialen Integration gerade im
Blick auf Zuwanderung, bei der Wirtschaftsförderung als
"weicher Standortfaktor" oder bei der Belebung öffentlicher
Räume angesichts sinkender Einwohnerzahlen. Eine intensive
politische Debatte in diesem Sinne, gibt sich Kiepe überzeugt,
stärkt auch Kulturpolitiker im Rat-häusern und
Kunstschaffende vor Ort beim Ringen um Selbstbehauptung. Im
Kulturausschuss des Städtetags firmiert Stadtentwicklung und
Kultur neuerdings als einer der Themenschwerpunkte.
Der Städte- und Gemeindebund befasst
sich mit einem weithin noch unterschätzten Problem: der
rechtlichen Absicherung von Sponsoring wie sonstiger Formen
privater Geldbeschaffung für kulturelle Aktivitäten.
Ulrich Mohn: "Wenn ein Unternehmen eine Skulptur bei einem Brunnen
bezahlt und sich bei der Kommune für irgendeinen Auftrag
bewirbt, kann doch schnell ein Korruptionsverdacht auftauchen. Und
schon stehen Staatsanwälte im Büro des
Bürgermeisters." Wie vermint dieses Gelände ist, zeigt
ein Konflikt in Saarbrücken. Dort forderte der
Antikorruptionsbeauftragte, dass sich Sponsoren erst einmal bei der
Stadt bewerben müssen, bevor sie ein Event fördern
dürfen. Als wegen des solcherart formulierten Generalverdachts
ein Sturm der Entrüstung unter den Geldgebern losbrach und
plötzlich Festivals gefährdet waren, zog der Gemeinderat
den sonderlichen Plan wieder aus dem Verkehr. In
Baden-Württemberg verhandelt der Städte- und
Gemeindebunds mit Regierung und Parlament über eine
gesetzliche Regelung dieser Grauzone, das könnte ein
republikweites Pilotprojekt werden.
Verteilungskämpfe
Ein "heißes Thema" (Mohn) ist in den
Spitzenverbänden die umstrittene Umland-Finanzierung.
Größere Städte verlangen, dass ihre Theater und
Museen von kleineren Orten in der Nachbarschaft mitbezahlt werden,
da deren Bürger das subventionierte städtische Angebot
mit in Anspruch nähmen. Der Kulturausschuss des Städte-
und Gemeindebunds weist solche Forderungen zurück:
Schließlich nutzten im Gegenzug die Städter gern die
Freizeitmöglichkeiten im Umland. Sollte es in diesem Streit
keine Lösung geben, drohen weitere Einsparungen in
Kulturetats.
Olaf Zimmermann plädiert energisch
dafür, angesichts der härteren Verteilungskämpfe die
Kulturbeauftragten in den Rathäusern mit eigenständigen
Kompetenzen auszustatten und diese Aufgabe nicht einfach anderen
Dezernenten als Anhängsel zuzuschustern. Der
Kulturrats-Geschäftsführer sieht die Spitzenverbände
in der Pflicht, ihrerseits positive Signale auszusenden. Zimmermann
freut es deshalb, dass der Städte- und Gemeindebund wieder
einen eigenständigen Kulturausschuss einrichtet, nachdem
dieses Gremium zuvor mit der Sozialkommission zusammengelegt worden
war.
Beim Städtetag beackert Folkert Kiepe
die Kultur zusätzlich zu den Feldern Bauen, Wohnen und
Verkehr. "Die Kultur läuft keineswegs nur nebenbei", betont
Kiepe, das habe sich inzwischen gut eingespielt: "Aber
natürlich wäre es schon aus Gründen des Zeit- und
Arbeitsaufwands besser, ein Dezernat allein für Kultur,
Bildung und Schule zu haben." Doch das ist, wie in vielen
Rathäusern, eine Frage der Finanzen: Auch der Städtetag
muss sparen, weshalb der Verband sein eigenständiges
Kulturressort aufgelöst hat.
Internet: www.kulturrat.de (Deutscher
Kulturrat)
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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