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Alexander Schnackenburg
Als Trostpflaster gibt es die Stadtwerkstatt
Das Scheitern der Kulturhauptstadt-Bewerbung
blieb in Bremen nicht ohne Folgen
Rund 60 Millionen Euro wollte der Stadtstaat Bremen verteilt auf
zehn Jahre für seine Bewerbung um den Titel Europas
Kulturhauptsstadt 2010 aufbringen - dem Haushaltsnotstand zum
Trotz. Mit dem Scheitern der Bewerbung aber entbrannte eine neue
Diskussion um die alte Frage, inwiefern es sich bei Ausgaben
für die Kultur um Subventionen, inwiefern um Investitionen
handle. Erst Ende Juli gab Jörg Kastendiek (CDU), Senator
für Wirtschaft, Häfen und Kultur, schließlich
für ein schlankes Folgekonzept der Kulturhauptstadt-Bewerbung
grünes Licht, für die "Stadtwerkstatt". Die Details
sollen im Herbst erörtert werden, man kann jedoch schon jetzt
davon ausgehen, dass das Investitionsvolumen bei rund sieben
Millionen Euro liegen wird.
Nicht Bremen, sondern Essen oder Görlitz wird
Kulturhauptstadt Europas 2010 - diese Nachricht traf das Bremer
Kulturhauptstadtbüro am 11. März dieses Jahres vollkommen
unvermittelt. Schließlich hatte man die Wahrscheinlichkeit,
dass die Kultusministerkonferenz allein Bremen als Deutschlands
Kandidaten für den Titel Europas Kulturhauptstadt 2010
benennen würde, auf 80 Prozent taxiert - eine
Einschätzung, die nicht etwa übersteigertem
Selbstwertgefühl entsprang, sondern die sich mit der
vorherrschenden Meinung unter Insidern und den Feuilletons deckte.
Dass die Hansestadt nun trotzdem sang- und klanglos ausschied,
empfanden die Initiatoren der Bremer Bewerbung als Tiefschlag.
Enttäuschung im Bewerberteam
Man fühlte sich in der Hansestadt benachteiligt. So sprach
Martin Heller, Intendant des Bremer Bewerbungsteams, von einer
"politischen Entscheidung" der Jury - sprich: von einer
Entscheidung, die weniger mit den kulturellen Profilen Bremens und
seiner Konkurrenz zu tun habe, als mit externen Interessen und
Konstellationen, wie etwa der Zusammensetzung der Jury oder den
späteren Siegeschancen auf internationalem Parkett.
Kaum einer in Bremen widersprach der unterschwelligen
Verschwörungstheorie Hellers - und das, obwohl sich der
Intendant im Laufe der Jahre nicht nur Freunde geschaffen hatte.
Selbst innerhalb der Kulturszene war Heller mit seinen
hartnäckigen Plädoyers pro gezielter
Projektförderung zulasten institutioneller Zuwendungen
keinesfalls unumstritten. Die Versuchung, ihn nun unter dem
Eindruck der Niederlage öffentlich als schlechten Verlierer
anzuprangern, war also zweifellos gegeben. Dass derlei jedoch
ausblieb, lag offensichtlich daran, dass man ihm weithin in seiner
verbitterten Analyse beipflichtete: Bremen war wohl
tatsächlich aufgrund einer "politischen Entscheidung" durchs
Sieb gefallen. "Diese Jury hat einfach die Extreme gewählt
(riesig, winzig, West, Ost und so weiter) und hätte dies fast
auch ohne Rundfahrt tun können..." kommentierte exemplarisch
Christoph Köster (Radio Bremen) in der Fernsehsendung "Buten
un Binnen".
Für die Bremer Landesregierung um Senatspräsident
Henning Scherf (SPD) und Bürgermeister Peter Gloystein (CDU)
konnte es nur einen Rückschluss geben: ein Folgekonzept musste
her, ein neues Projekt im Geiste des alten. Widerstand hatte
Bremens große Koalition effektiv nicht zu erwarten, da sich
doch schon das originale Kulturhauptstadt-Bewerbungskonzept durch
eine sehr gut vermittelbare Besonderheit von sämtlichen
anderen Bewerbungskonzepten unterschieden hatte: Es handelte sich
um ein auf zehn Jahre angelegtes Förderprogramm, das darauf
zielte, kulturelle Entwicklungsprozesse einzuleiten und zu
unterstützen, statt auf den Punkt (also auf das Jahr 2010) ein
paar medienträchtige Events zu finanzieren.
Kultur als Investitionsgut
Bremens Bewerbung behandelte die Kultur als Investitionsgut und
war somit von vornherein so angelegt, dass die Stadt auch im Falle
eines Scheiterns der Bewerbung von den Aufbauarbeiten des
Kulturhauptstadtbüros profitieren würden - der
Bewerbungsprozess als Bewerbungskonzept. Oder, wie Klaus Sondergeld
von der Bremer Marketing Gesellschaft es einst formuliert hatte:
Wenn es Bremen schon nicht gelänge, Europas Kulturhauptstadt
zu werden, so wolle man doch wenigstens als "Kulturstadt" angesehen
werden. Die Akzeptanz dieses Ansatzes in der Bevölkerung war
groß.
Der Sinn des Folgekonzepts nach dem Scheitern der Bewerbung
konnte daher nur darin liegen, an den Grundideen festzuhalten und
"lediglich" das Investitionsvolumen zu verkleinern. Noch am 11.
März, also bereits einen Tag nach Bekanntwerden der Bremer
Niederlage, beauftragte der Bremer Senat Martin Heller damit, ein
entsprechendes neues Konzept zu erarbeiten. Die Euphorie, mit
welcher selbst Leute, die mit Kultur an sich nichts am Hut haben,
die Kulturhauptstadt-Bewerbung getragen hatten, sollte sich nun
allerdings, da kein Titel mehr in Aussicht war, schlagartig
verflüchtigen - "Kulturstadt Bremen" hin oder her. Auch
leistete sich das Kulturhauptstadtbüro ausgerechnet jetzt
einen folgenschweren Fehler, wie der Theaterdramaturg Ulrich Fuchs,
Projektleiter in Bremens Bewerbungsteams und rechte Hand Hellers,
einräumt: Es wählte für sein neues Konzept (Volumen:
27 Millionen Euro bis einschließlich 2011) den durch die
Eventkultur vorbelasteten Begriff "Stadtbiennale".
Misstrauen von Anfang an
Alle zwei Jahre, so die Idee, sollte sich die Bremer Kulturszene
anhand vorgegebener Themen im Rahmen kleinerer Festivals der
eigenen Bevölkerung präsentieren. Der primäre Sinn
dieser Festivals sollte darin liegen, der Bevölkerung zu
veranschaulichen, wie sich die städtische Kultur entwickelt
habe. Doch dieser hintergründige Gedanke konnte sich in der
öffentlichen Wahrnehmung nicht gegen die Plakativität des
Begriffs "Stadtbiennale" durchsetzen, so dass dem Projekt von
Anfang an viel Misstrauen entgegen schlug.
Gezerre um Konzepte
Trotzdem, sagt zumindest Ulrich Fuchs, sei das Projekt
"Stadtbiennale" letztlich aus einem anderen Grund gescheitert:
Bremens damaliger Kultursenator Peter Gloystein (CDU), offenbar
eingeschüchtert durch das übliche Gezerre der politischen
Ressorts um Haushaltsmittel, stoppte die Stadtbiennale, noch ehe
das dazugehörige Konzept überhaupt vollständig
vorlag: Es lasse sich nicht finanzieren. Einem erfahreneren
Politiker, der Routine in Haushaltsdebatten und politischen
Muskelspielchen hat, wäre so etwas nie passiert, glaubt Fuchs
- und steht mit seiner Meinung nicht allein da. Nicht wenige Bremer
Regionalpolitiker aller Parteien schlugen nach Gloysteins
"Rückruf" die Hände über dem Kopf zusammen. Und kurz
darauf, im Zuge der so genannten "Sekt-Affäre", ließ
Bremens CDU um den Vorsitzenden Bernd Neumann Gloystein fallen.
Nach nicht einmal einem halben Jahr im Amt musste der gelernte
Banker aus Frankfurt wieder gehen. Unterdessen erteilt der Bremer
Senat Martin Heller einen neuen Auftrag: Den, ein weiteres,
schlankeres Folgeprogramm aus der gescheiterten
Kulturhauptstadt-Bewerbung aufzulegen, allerdings begrenzt bis zum
Jahr 2007 - dem Ende der Legislaturperiode.
Innerhalb von knapp drei Wochen entsteht die sieben Millionen
Euro schwere "Stadtwerkstatt", im Wesentlichen eine Projektion des
gescheiterten Bewerbungskonzepts auf eine kleinere Spielwiese: Die
Stadtwerkstatt sucht nicht den internationalen Vergleich, sondern
versteht sich als regionales Programm. Dass es umgesetzt werden
wird, darf inzwischen als sicher gelten, zumal Kultursenator
Jörg Kastendiek es bereits ausdrücklich gelobt hat.
Gleichwohl soll Martin Heller, der an der Spitze der Stadtwerkstatt
stehen wird, das Konzept bis Oktober "konkretisieren". Mit
erheblichem politischen Widerstand gegen die Stadtwerkstatt ist
indes nicht zu rechnen: Eine durchsichtige Kampagne der Bremer
Tageszeitungen AG gegen das Projekt konnte die Stadtwerkstatt nicht
nur nicht zu Fall bringen, sondern bescherte dem Verlag
darüber hinaus viel Spott und Kritik in der Bremer
Öffentlichkeit. Und die Opposition - das sind in Bremen allein
die Grünen - hat seit dem Jahr 2000 den gesamten Prozess der
Bremer Kulturhauptstadt-Bewerbung überhaupt erst
eingeläutet. Die Idee dazu hatte übrigens die heutige
grüne Europa-Abgeordnete Helga Trüpel, während der
Bremer Ampel-Koalition (bis 1995) Kultursenatorin in der
Hansestadt.
Der Autor ist freier Journalist, Bremen.
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